Für religionsphilosophische Gedankenspiele bin ich ja immer zu haben, sodass mich zuletzt der knapp an Blasphemie vorbeischlitternde „Ich habe Abel getötet“ (Link) begeistern konnte. Vom selben Verlag, nämlich den „Splitter“-Comicspezialisten, kommt nun ein Sammelband welcher thematisch scheinbar in dieselbe Kerbe schlägt: Wie würde sich die Menschheit entwickeln, wenn ihr plötzlich der Glaube abhandenkäme? Die Menschheit leidet unter Kriegen, Überbevölkerung und Umweltzerstörung – Soweit nichts Neues. Im aus fünf Einzelheften bestehenden Sammelband „Devolution“ des bekannten Comic-Autors Rick Reminder kommen schlaue Wissenschaftler der Wurzel allen Übels auf die Spur: Den Religionen. Und wie das mit fortschrittsgläubigen Elfenbeinturmbewohnern halt so ist, setzt man sich nicht differenziert mit dem Thema auseinander, sondern holt die chemische Keule raus. DV0-8 heißt das Medikament, welches den für Glauben zuständigen Teil im Gehirn schrumpfen lassen soll – Doch anstatt in eine bessere Zukunft stürzt der Einsatz des Wirkstoffs die Welt in den Abgrund. Denn das nicht ausreichend getestete DV0-8 lässt die Evolution rückwärts ablaufen: Menschen werden wieder zu Neandertalern und Tiere wieder zu Urzeitmonstern, Pflanzen bekommen beeindruckenden Riesenwuchs. Nur einige ganz wenige Überlebende scheinen gegen DV0-8 immun und kämpfen in bester Endzeit-Manier mit den Überbleibseln der Zivilisation (also primär Schusswaffen ;-)) ums Überleben… Eine dieser Überlebenden ist die junge Frau Raja, welche als Tochter des Wirkstoff-Entwicklers von einem Gegenmittel in einer ehemaligen Forschungseinrichtung weiß. Auf dem Weg dorthin fällt sie jedoch einer Horde faschistischer Ex-Militärs in die Hände, die sich in einer alten Armeebasis verschanzt haben. Dort soll sie als (Sex-)Sklavin arbeiten, schafft es jedoch mit ein paar ebenfalls fluchtwilligen Mitmenschen zu entkommen. Logisch, dass der Rest der Truppe nun Jagd auf sie macht – So muss sich Raja nun nicht nur mit auf Mammuts reitenden Neandertalern herumschlagen, sondern auch noch mit schwerbewaffneten und auf Rache sinnenden Fascho-Soldaten. Zudem ist das Gegenmittel sehr begehrt, denn die für die Devolutionsapokalypse verantwortlichen Wissenschaftler, welche sich in eine Mondbasis gerettet haben, wollen die Erde in ihrer Urzeitform beibehalten und Rajas Weltenrettungsmission vereiteln… „Devolution“ erzählt eine ganz klassische, post-apokalyptische Pulp-Heldenreise mit einer attraktiven Heldin und ganz vielen ganz bösen Gegnern. Das ist durchaus unterhaltend und spannend, aber unfassbar flach und stumpfsinnig. Das religionsphilosophische Gedankenspiel ist nicht mehr als ein Feigenblatt, damit die kaum (Raja) bis gar nicht (alle anderen) ausgearbeiteten Figuren von einer (mitunter sehr brutalen) Actionszene in die nächste hineinstolpern. Aber oh Wunder, trotz dem nicht selten unlogischen Setting und den darin agierenden Stereotypen schafft es „Devolution“ in seiner vorwärtsdrängenden, kompromisslosen Geradlinigkeit einen vielleicht nicht überragenden, aber doch sehr gefälligen Lese-Sog zu entwickeln. Einen großen Anteil daran haben die dynamischen (Über-)Zeichnungen von Jonathan Wayshak, welche besonders durch die Kolorierung von Jordan Boyd ungemein an Atmosphäre gewinnen - Obwohl oder vielleicht eher weil die Farbenfroheit so ungewohnt für den grau-beige gewöhnten Post-Apokalypse-Comicleser ist. Zugegeben, eigentlich ist das nicht mein favorisierter Grafikstil, aber hier passt er einfach wie die Faust aufs Auge :-) Der Sammelband fasst nicht nur die fünf Ausgaben der Geschichte zusammen, sondern enthält auch noch umfangreiches Bonusmaterial wie Skizzen und Skript. Zusammen kommt man da auf 160 Seiten, für welche der „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) im Hardcover 24,80 € haben möchte. Fazit: Vergesst das religionsphilosophische Feigenblatt, hier geht’s einzig um brutale Action! „Devolution“ (Link) ist nicht mehr und nicht weniger als ein ungemein vorwärtsdrängender, geradliniger Pulp-Comic vor farbenfroher Endzeit-Kulisse.
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