Die liebevoll bebilderte Kinderbuchreihe „Der Wolf im Slip“ des französischen Autors Wilfrid Lupano, ein SpinOff seiner linkspopulistischen Comic-Serie „Die alten Knacker“, ist vielleicht der Beweis dafür, dass man politische und sozialkritische Themen selbst für Kindergartenkinder sehr niedrigschwellig zugänglich machen kann. Äußerst lobenswert :-D Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass Lupano seine anti-neoliberalen Moralvorstellungen nach einem herausragenden und zugleich subversiven ersten Band (Link) immer plakativer unter die junge Leserschaft brachte. Das war in „Der Wolf im Slip friert sich einen ab“ (Link) noch kein großes Problem, weil die Wichtigkeit der Botschaft die Holzhammer-Methodik mehr als aufwog. Doch der dritte Band „Slip hip hurra!“ (Link) erzählte dann nur noch eine simple Wohlfühlgeschichte. Ja, sie hatte das Herz zwar am richtigen Fleck, sie ließ aber gleichzeitig all die subversive, wütende Satire vermissen, für welche (nicht nur ich) diese Reihe feierte... Nun kam also der vierte Band und da stellt sich natürlich die Frage, ob der Titel „Der tut ja nix!“ schon ein schlechtes Omen dafür ist, dass dieser Band auch nicht mehr so weh tut, wie am Beginn der Reihe? Im Wald der sprechenden Tiere ist heute großer Markttag. Alle geben ihr hart verdientes Geld für die Güter des täglichen Bedarfs aus, so auch der Wolf im Slip. Doch Moment mal – Wo hat er denn eigentlich das ganze Geld her, immerhin hat ihn noch nie jemanden arbeiten sehen! Das erscheint der Anti-Wolfsbrigade verdächtig und so stecken sie ihn erst einmal in den Knast, damit er seine Geldquelle offenlegt. Ist er vielleicht sogar ein Dieb? Denn das behauptet die Waldzeitung, welche die öffentliche Meinung mit ihren Vorverurteilungen ordentlich anheizt. Als die Anti-Wolfsbrigade ihre Patrouille fortsetzt, findet sie jedoch immer mehr ZeugInnen, die von den vielen Freundschaftsdiensten des Wolfs berichten. Nur verlangt er dafür niemals Geld – Hat er es vielleicht doch gestohlen? Und als er dann auch noch aus dem Knast ausbricht (mit einer schönen Anspielung auf den Filmklassiker „Die Verurteilten"), macht ihn das nicht gleich noch viel verdächtiger? Zugegeben, nach dem dritten Band war ich skeptisch, ob Lupano nicht doch ein wenig schwächelt – Wenn auch auf hohem Niveau. Immerhin gab es auch in der unglaublich erfolgreichen Reihe „Die alten Knacker“ im späteren Verlauf einige Ausgaben, bei denen man annehmen musste, er hätte sein kreativen Pulver schon verschossen. Aber plötzlich erscheint dieser Band und überstrahlt einfach mal beide Reihen! Denn „Der tut ja nix!“ ist sozialkritischer, politischer, subversiver und sogar philosophischer als alle anderen Bände! Hier werden kindgerecht die ganz großen Themen angeschnitten: Was ist der Sinn von Arbeit und ist manche Arbeit sinnvoller? Leben wir, um zu arbeiten oder arbeiten wir, um zu leben? Wie steht es um die Gesellschaftsgerechtigkeit, wenn Reiche nicht nur Leistung, sondern durch Vererbung reich werden? Wie viel Einfluss hat wer womit auf die öffentliche Meinung? Und ja, diese Fragen werden hier kindgerecht behandelt, aber es sind eben auch Themen, über die erwachsene LeserInnen nachdenken müssen – Gerade in einer Zeit, in der die reelle Chance besteht, dass wir in einem Jahr von einem Bundeskanzler Merz und einem Vizekanzler Lindner regiert werden. „Der tut ja nix!“ unterhält auf 40 Seiten mit liebevollen Zeichnungen von süßen Tieren und sanftem (Meta-)Humor, aber dieses Kinderbuch will mehr: Es fordert uns auf, unser Wirtschaftssystem und unsere gesellschaftliche Ordnung zu hinterfragen. Damit ist es ein sozialkritisches Kinderbuch-Meisterwerk, welches in keinem bildungsbürgerlichen Kinderzimmer fehlen darf! Mir ist bewusst, dass 2021 noch nicht mal zwei Wochen alt ist, aber ich würde behaupten, dass „Der tut ja nix!“ das vermutlich relevanteste Buch ist, das ich in diesem Jahr vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) gelesen haben werde. Fazit: Wie viele Lobeshymnen soll ich denn jetzt noch schreiben? Kauft „Der Wolf im Slip #4 Der tut ja nix!“ (Link) und zwar sofort! ;-)
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