Heute habe ich mal wieder einen echten Stargast im Indie-Interview. Maurizio Philippy sollte mittlerweile vielen RollenspielerInnen bekannt sein, erklingt seine prägnante Stimme doch beim beliebten Podcast-Newcomer "Pen & Podcast" (Link) - Welcher dann doch gar nicht mehr so neu ist, feiert man doch demnächst schon den ersten Geburtstag. Aber darum geht es hier eigentlich gar nicht, sondern um Maurizios Herzensprojekt "Shattered Prophecy", einem schon rund ein Jahrzehnt in der Entwicklung befindlichen Mindfuck-RPG! Hallo Maurizio, stell Dich doch bitte erstmal den Lesern vor.
"Hallo Philipp! Erstmal lieben Dank an dich für die Einladung. Ich bin 29 Jahre alt und wohne im schönen Köln. Neben meinem Herzenshobby Rollenspiel beschäftige ich mich leidenschaftlich mit Podcasten, Grafikdesign und komme ab und an dazu, Konzeptfotografie zu betreiben. Zudem bin ich Zocker und Serienjunkie. Ich liebe es, nach einem arbeitsreichen Tag vor dem flimmernden Bildschirm mit Fernbedienung, Maus oder Controller zu entspannen. Meine Seele, wenn man so möchte, gehört allerdings dem Rollenspiel. Hier lese, leite, podcaste und schreibe ich viel und habe mein wahres Zuhause gefunden. Meine wöchentlich stattfindende Pen & Paper Runde ist für mich das Highlight der Woche und ich freue mich jedes Mal auf neue darauf."
Wie kamst Du zum Rollenspiel? Und wieso und wann gingst Du einen Schritt weiter und wurdest Autor?
"Rollenspiel ist sozusagen meine erste Liebe. Ich habe mit Chatrollenspiel (damals noch im "Chat4Free") angefangen und dann irgendwann von Pen & Paper gehört. Da dachte ich mir "Wie geil ist das denn?". Schon Chatrollenspiel hat mich aufgrund der Freiheit fasziniert, die es selbst im Gegensatz zu Spielen wie "Baldur's Gate" geboten hat. Pen & Paper aber war nochmal eine ganz andere Hausnummer. Gesagt, getan – ich meldete mich in einem Forum an (das war damals noch hip) und habe nach einer Gruppe gesucht. Meine erste Erfahrung sammelte dann als Spieler für DSA, welche exakt eine Runde anhielt. Mir hat das gar nicht gefallen. Zu komplizierte Regeln und der SL hat auf alles penibel geachtet ("Oh, du hast deinen Degen nicht ausgezogen als du dich auf die Polstermöbel des Adeligen gesetzt hast. Jetzt ist da ein Loch drin"). Grausig. Ich habe dann sehr schnell angefangen, meine eigene Gruppe zu gründen, damals DnD 2.5. Die lief dann ein paar Jahre sehr erfolgreich. Irgendwann kam jedoch der Moment, wo das Spiel unserer Runde nicht mehr gut von den Regeln abgedeckt wurde. Was macht man dann? Man fängt an, an den Regeln rumzudoktern. Eines Tages wachst du auf und stellst fest, dass das was du da leitest, eigentlich kein DnD mehr ist. Das war dann die Geburtsstunde der Urururur-Version von "Shattered Prophecy"."
Bekannt bist Du in der Rollenspieler-Szene vielleicht sogar noch etwas mehr für Dein Mitwirken am "Pen & Podcast". Erzähl doch bitte auch darüber etwas.
"Eines Abends, vor einer unserer Runden hatten Lucas (mein Podcast Kollege und einer meiner besten Freunde) und ich die Idee, zusammen einen Podcast zu machen. Er selbst war schon in YouTube mit anderen Formaten unterwegs und wir wollten unbedingt nun auch mal was zusammen machen. Da lag es nahe, ein Hobby zum Thema zu erklären, welches wir beide teilen und lieben: Rollenspiel. Kurz darauf haben wir Dominik (mein weiterer Kollege und ebenfalls langjähriger Freund) gefragt, ob er auch Lust hätte und seine technische Expertise einbringen wollen würde. Damit war der Pen & Podcast geboren. Wir hatten die Idee, uns die heiß diskutierten Themen aus Foren, Blogs und Social Media bezüglich Rollenspiel herauszugreifen und unseren Senf dazu zu geben. Gelassen, locker, ohne viel Skript, aber mit viel Augenmerk auf Qualität. Mittlerweile haben wir insgesamt vier Formate: "Den Rollenspiegel" für Spieler und Spielleiter, die "OT-Blase" für LARPer, "Hinterm Schirm" für Spielleiter und Entwickler (Anmerkung des Bloggers: Mein persönlicher Favorit :-D), sowie die "Lounge" für Interviews mit der Szene. Das Ganze läuft einfach großartig. Wir bekommen hervorragende Resonanz aus der Szene und haben einen eingefleischten Kreis aus Fans, die bei all unseren Events dabei sind. Das ist einfach ein tolles Erlebnis! Extrem motivierend."
Nun aber zu "Shattered Prophecy". Gib den LeserInnen doch erst einmal einen Überblick über das Spiel.
"Sehr gern. Grundlegend ist "Shattered Prophecy" ein Rollenspiel, welches sich jedoch nur schwer in ein Genre pressen lässt. Am ehesten ist es vielleicht ein Mix aus Dark Fantasy und SciFi mit Mindbender Elementen, welches Fokus auf komplexe, serienartige Erzählungen legt. Die Kernunterschiede zu anderen Rollenspielen sind das vorapokalyptisch mysteriöse Mindfuck-Setting, sowie Regelmechanismen die von unterschiedlichen und stilistisch zum Setting passenden Spielkarten und Klassenbrettern unterstützt werden. Besonders hervorzuheben ist die eher ungewöhnliche Spielweise mit mehreren Charakteren pro Spiel, mit deren Hilfe diese die Handlung und die Welt wie nie zuvor verändern und beeinflussen können. Wie wir das erreichen, berichte ich dir gern später. Zunächst einmal zum Setting: In "Shattered Prophecy" ist die Welt bereits untergegangen und es gibt nichts, was dagegen unternommen werden kann. Aber die Handlung der Charaktere findet nicht etwa während oder nach dem Untergang statt, sondern in den letzten Tagen vor diesem apokalyptischen Ereignis. Doch wie kam es dazu? Was ist wirklich passiert? Die Spieler tauchen in die verlorenen Erinnerungen der sterbenden Welt ein und übernehmen die Rollen der Protagonisten der letzten Tage. Jeder ihrer Charaktere ist auf die ein oder andere Weise dafür verantwortlich, dass die Welt unterging. Spieler begeben sich somit auf eine Entdeckungsreise in die geheimnisvollen Eingeweide der Mysterien, Einzelschicksale und politischen Unruhen Agryppas, um die Wahrheit über das Ende zu finden. Dabei erkennen Sie nicht nur nach und nach, welche Rollen ihre Charaktere gespielt haben, sondern lüften den Schleier der angsteinflößenden Götter- und Geisterwelt Agryppas, decken die Hintergründe zu uralten Flüchen, toxischen Intrigen und okkulten Organisationen auf und brechen sogar die Grenzen von Raum und Zeit. Auch wenn sie die Welt nicht retten können, so können Spieler zumindest das Erbe dieser einst stolzen Heimat der Menschheit bewahren, indem sie ihr die letzte Ehre erweisen und die melancholischen, epischen und zuweilen auch stark verstörenden Geschichten ihrer Protagonisten ein letztes Mal zum Leben erwecken."
Du sprichst von den letzten Tagen? Gibt es da eine Vorgabe, wie lange so eine bevorstehende Apokalypse andauert? Ist das immer die gleiche Apokalypse?
"Tatsächlich handelt es sich bei den "letzten Tagen" um einen sehr dehnbaren Begriff. In One-Shots (Filmen) oder kleinen Kampagnen (Mini-Series) mag es wirklich schon sehr schlimm um Agryppa stehen, wohingegen mehrere Staffeln umspannende Serien durchaus auch ganze Jahrzehnte vor dem Untergang spielen können und zu Beginn noch alles verhältnismäßig „okay“ scheint. Damit auch das wiederholte Spielen von "Shattered Prophecy" nicht langweilig wird, gibt es eine ganze Reihe von historischen Startpunkten für Kampagnen (Serien) mit unterschiedlichen Prämissen. Zudem gibt es eine riesige Fülle an Geheimnissen, die Modular in die Geschichte eingewoben werden können. Zuletzt wird es natürlich, neben der Möglichkeit sich eigene Varianten zu überlegen, auch eine Reihe an verschiedenen Apokalypsen geben. Alles ist jedoch in einem charakteristischen Mythos miteinander verbunden, der den Spielern, egal für welche Variante sie sich entscheiden, das deutliche Gefühl gibt, "Shattered Prophecy" zu spielen. Das Besondere ist aber auch, dass das Setting absichtlich mit Lücken und Andeutungen geschrieben ist. Spieler sollen das Setting selbst weiter mit Leben füllen, Spielleiter ihre eigenen Mysterien schreiben. Welcher Rollenspielautor kann schon vorhersagen, weshalb ein beliebiger Charakter eines beliebigen Spielers nun Schuld an ihrem individuellen Untergang ihrer individuellen Version von Agryppa ist? Stattdessen gehen wir den Weg der Kreativität und versorgen Spielleiter und Spieler eher mit Inspiration anstatt Vorgaben. Was natürlich nicht bedeutet, dass es nicht genug Hintergrundmaterial zur Welt gäbe. Zudem reizt mich das Motiv der menschlichen Moral. Wie weit sind Charaktere bereit zu gehen, um die Welt zu retten? Werden sie selbst dabei zu Monstern? Können sie ihre Ideale auch im Angesicht der absoluten Katastrophe bewahren?"
Warum hast Du genau dieses Setting gewählt? Und woher ziehst Du die Inspiration?
"Ich bin ein großer Fan von düsteren, verstörenden Welten in der Verbindung mit romantisierter Melancholie und tragischer Epik. Doch darüber hinaus bin ich auch ein Fan von Freiheit. Manchmal will ich als Spielleiter eine politische Intrige bespielen, manchmal ein dunkles Geheimnis aufwerfen, manchmal ein Survival-Horror-Szenario erschaffen und wiederrum manchmal eher klassischere Abenteuerinhalte in den Vordergrund stellen. Ich will Abwechslung und ich will eine lebendige Welt. Eine Welt, die nicht nur aus der Brille von Abenteurern, Shadowrunnern, Investigatoren oder Vampiren betrachtet wird, sondern aus ganz vielen verschiedenen Perspektiven. Und ich will, dass diese Perspektiven, Werte und Welten aufeinanderprallen, sich aneinander reiben und wachsen oder zerstören. Sie soll so flexibel wie die mannigfaltigen Präferenzen und Bedürfnisse von Spielern und Spielleitern sein. Mal habe ich einen Abend Lust auf eine grausige Mordinvestigation in der Hauptstadt, am nächsten Abend will ich in die Untiefen anderer Dimensionen vordringen und danach vielleicht ein Königreich vor dem Untergang durch eine Belagerung bewahren. All dies ist möglich. Das Setting und die Regeln sind so designed, dass die Vorteile von eher engen Settings (zum Beispiel spezielle Mechaniken um das Feeling von Vampiren einzufangen) und universelleren Settings vereint werden. Inspirationen für diese Welt habe ich aus realen Nachrichten, Filmen, Comics, Serien, Büchern, Träumen und PC Spielen. Das sind so viele Kleinigkeiten, das ich unmöglich alle aufzählen kann. Manche Ideen kommen auch von meinen genialen Testspielern. Lovecraft ist mit Sicherheit eine Inspirationsquelle. "Shattered Prophecy" ist aber kein Cthulhu Mythos-Werk. Cosmic Horror als Konzept gefällt mir jedoch sehr gut. Auch die Werke von David Lynch mit seinem mystischen Realismus oder David Cronenberg mit seinem und meinem Fable für Body Horror haben einen großen Einfluss gehabt. Nicht zuletzt spielen natürlich auch "The Walking Dead", "Clean Room", "Game of Thrones", die "Prince of Nothing"-Saga und "American Gods" von Neil Gaiman eine Rolle. Zudem bin ich ein großer Fan von "Baldur's Gate" und "Dark Souls"/"Bloodborne". Das Ganze ist ein großer Mix, der zu etwas ganz eigenem zusammengeschweißt und in Harmonie gebracht wurde."
Mit welchem anderen Rollenspiel ist "Shattered Prophecy" wohl am ehesten vergleichbar? Und worin ist es absolut einmalig?
"Ich denke, es ist schwer "Shattered Prophecy" mit irgendeinem bekannten Rollenspiel zu vergleichen. Allein die Spielweise ist derart anders, als man es gewöhnt ist. Tatsächlich werden Einsteiger in das Hobby Rollenspiel es leichter haben, sich in "Shattered Prophecy" zurecht zu finden, weil sie nicht über so viele als gegeben angenommene Überzeugungen, wie Rollenspiel funktioniert verfügen. Rollenspielveteranen werden hingegen an mancher Stelle erst einmal umdenken müssen. Der Kern der Erzählweise von "Shattered Prophecy" ist der Stil moderner "Netflix"-TV-Serien mit einem großen Charakterensemble. Zudem übernehmen Spieler viele Aufgaben, die normalerweise SLs zugestanden werden, während Spielleiter wiederrum neue, andere Aufgaben bekommen. Für Spieler bedeutet dies, dass sie mehrere SCs besitzen. Diese kennen sich untereinander nicht unbedingt, werden wohl nie in einer Szene gemeinsam auftreten und können konträre Interessen verfolgen. Es ist nicht untypisch zwei Charaktere, zweier verfeindeter Fraktionen zu bespielen. Zudem übernehmen Spieler alle NSCs. Zumindest die Spieler, die gerade keine SCs in der Szene bespielen. Spieler übernehmen die Rollen von Herrschern ganzer Nationen, den Feinden anderer SC und jedem Bänker, Bettler, Soldaten, auf den die anderen treffen. Das bedeutet natürlich auch, dass Gruppen mit 5 Spielern in der Regel mehrere Storylines mit je nur 3 SCs haben. Die restlichen Spieler übernehmen die vielen Feinde, Freunde und Bekanntschaften auf die diese SCs treffen werden. Dies gibt "Shattered Prophecy" auch die Möglichkeit zu hartem PvP oder SC vs SC. Verfeindete SC können durchaus aufeinander treffen und einander töten wollen. Ohne Gnade. Das passiert. Immerhin geht hier eine Welt unter. Doch vor allem hat dies den Hintergrund, dass Spieler die Fraktionen, die Welt, die Länder, die Kulturen selbstständig mit Leben füllen können. Der Erzähler kann jedoch mit sogenannten Regieanweisungen eingreifen (kleinen Zettelchen) und ihnen Vorgaben geben, die Spieler aber wiederum mit einem Veto ablehnen können. Für Erzähler bedeutet das vor allem kaum benötigte Vorbereitungszeit, dafür um einiges mehr Fokus auf gestützte Improvisation und Ausbau/Entwicklung der Handlung. Gestützte Improvisation deshalb, weil "Shattered Prophecy" den Spielleiter niemals allein im Regen stehen lässt. Auch wenn das Spiel von ihm viel Kreativität fordert, unterstützt es ihn in jeder Hinsicht dabei, epische und markerschütternde Handlungsstränge on-the-go zu kreieren. Die Hauptaufgabe des Spielleiters besteht nämlich in der Lenkung und Weiterentwicklung der spielergestalteten Narration. Er verbindet weit entfernte Storylines miteinander und schafft Kontext. Damit erschafft "Shattered Prophecy" eine Welt, die so lebendig und auf die Gruppe maßgeschneidert wie noch nie wirkt. Interessanterweise hat dieses System keinerlei Probleme damit auch riesige Spielergruppen mit 9 Spielern zu managen. Alles schon gemacht. Funktioniert prima. Damit eignet es sich natürlich auch super für "Roll20"-Runden. Es hat jedoch den Nachteil, dass für die volle Erfahrung des Spiels mindestens 4 Spieler plus Erzähler gebraucht werden. Besser sind 6 Spieler plus Erzähler. Außerdem ist das Spiel tatsächlich am besten, wenn man eine längere Kampagne spielt und Handlungsstränge sich langsam aufbauen. One-Shots sind eher schwerer umzusetzen, aber da überlegen wir uns was. Nichtsdestotrotz gibt es für One-Shots sicher bessere Alternativen. Für Kampagnen ist es allerdings wirklich richtig gut."
Wie funktionieren die Spielmechaniken?
"Hier begeben wir uns in ein Gebiet in dem wir dutzende neue Ansätze verfolgt haben. Viele Elemente des Spiels erinnern an Brettspiele, weil sie mit Karten und besonderen Spielbrettern für bestimmte Charaktere dargestellt werden. Es gibt diverse Ziele, die wir hier verfolgen: Das System soll einfach zu verstehen sein, aber fair genug um SC vs. SC zu ermöglichen. Es soll eine schnelle Charaktergenerierung mit viel Raum für individuelle Anpassungen ermöglichen. Zudem möchte ich, dass jede "Klasse" ihr eigenes Feeling besitzt und interessante Spielaspekte wie Flucht, Kampf, heimliche Aktionen, Politik und mehr sich auch wirklich spannend und anders anfühlen. Das Ganze muss aber so gestaltet sein, dass es mit der On-the go-Spielphilosophie einhergeht. Keine langen Sidequests um die nötige Zutat für einen Trank zu suchen, kein ewiges Planungsvorgeplänkel vor einer Mission. Die Spieler sollen direkt zu den Inhalten kommen, die ihnen Spaß machen. Jede einzelne Innovation hier aufzuführen würde sicherlich den Rahmen komplett sprengen. Immerhin arbeiten wir schon mehrere Jahre an diesem Projekt. Jetzt zu den Proben: Grundlegend haben wir uns für einen Würfelpool entschieden (das war nicht immer so). Und zwar ein Würfelpool aus W20. Ergänzt wird das Ganze um maximal 3W6. Jeder Spieler braucht somit 6W20 und 3W6 und ist damit startklar. Selten werden jedoch all diese Würfel zusammengeworfen. Ich bin kein Fan von riesigen Würfelpool, für die man schon einen Eimer braucht. Einfach, übersichtlich und schnell. Brettspielelemente zeigen sich beispielsweise in der Okkultisten-Klasse, welche on-the-go Zauber mittels Karten erschaffen kann. Ein anderes Beispiel sind die Persönlichkeitskarten, mit denen NSCs ohne viel Nachdenken Tiefgang verliehen wird. Warum machen wir das? Weil ich Haptik unglaublich wichtig finde. Illustrationen, Text und Haptik sind außer unserer Vorstellung die einzigen Bezugspunkte zur Vision der Welt. Ich möchte, dass Spieler dieses besondere Feeling in jedem Moment des Spiels genießen können, ohne vom Spielinhalt abgelenkt zu werden. Das sind nun aber nur ganz kleine Beispiele für eine Vielzahl an Dingen, die wir versuchen, anders und unserer Meinung nach besser zu machen. Jedes Element wird Monate hinweg wöchentlich getestet, überarbeitet und optimiert, bevor es Kern des Spiels wird. Von der Idee für eine Mechanik bis zu ihrer endgültigen Form vergeht gern ein halbes Jahr."
Was kam zuerst? Die Regeln oder das Setting?
"Puh. Da es dutzende Iterationen des Spiels gab, bevor es nun das ist, was ich hier vorstelle, ist es schwer, dass noch nachzuvollziehen. Ich wollte immer so früh es geht anfangen, das Spiel zu testen. Daher kam das in etwa zeitgleich. Das waren vier Monate im Zimmer einsperren und runterschreiben. Da war dann alles dabei was ich zum groben Start brauchte."
Mir erscheint das ganze Projekt sehr ambitioniert. Daher würde mich interessieren, wie Deine Vision für "Shattered Prophecy" aussieht?
"Der deutsche Spielemarkt ist klein und es gibt nur wenige, original deutsche Publikationen, die wirklich versuchen nicht noch ein 0815 Fantasy- oder Horror-Rollenspiel zu sein. Das Meiste, was wir hierzulande sehen, ist importiert und übersetzt. Ich habe das Ziel mit "Shattered Prophecy" wieder ein deutsches Original auf den Markt zu bringen, dass auch International gesehen etwas anders macht und eine neue Erfahrung bietet. Dafür brauche ich natürlich auf kurz oder lang auch starke Partner, die an dieses Projekt glauben. Ich habe auch nicht vor, dutzende unterschiedliche Rollenspiele zu entwickeln. "Shattered Prophecy" begleitet mich auf die ein oder andere Weise seit 12 Jahren und ich habe nicht vor es zu verlassen. Für mich ist dieses Projekt das was für Gary DnD war. Ich liebe es voll und ganz und hoffe, auch andere, vor allem natürlich Spieler und Erzähler, von dieser Vision begeistern zu können. Das Spiel und die Welt mit anderen zu teilen, seien es Illustratoren, Autoren, Spieler oder Spielleiter ist mein großer Traum. Ich würde mir wünschen, dass er in Erfüllung geht."
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand und wie soll das fertige Endprodukt mal aussehen?
"Aktuell stehen in etwa 95% der Regeln. Ich bin zurzeit dabei, die letzte Iterationsphase für alle "Klassen" durchzulaufen. Das bedeutet, alles nochmal mit den Erkenntnissen der letzten 3 Jahre zu überarbeiten und zu harmonisieren. Das beinhaltet allerdings jede Menge Content. Mehr, als ein Grundregelwerk fassen könnte. Wie und ob wir das aufteilen, ist noch unklar. Allerdings obliegt die gesamte Schreibarbeit zurzeit mir. Als Einzelperson ist ein solches Projekt doch recht... anspruchsvoll. Anfang bis Mitte 2018 soll es dann in die Betaphase gehen – so hoffe ich jedenfalls. Dort werde ich das Spiel an interessierte Spielleiter zu einem deutschlandweiten Test weitergeben. Aktuell haben wir nur zwei Testrunden. Eine in Köln, eine in Berlin. Wie das Endprodukt aussehen wird hängt von vielen Faktoren ab. Findet man einen Verlag? Finde ich geeignete Illustratoren? Können alle Spielelemente kosteneffizient produziert werden? Ich bin beispielsweise mit Rollenspielboxen aufgewachsen. Diesen Riesendingern in denen Bücher und Karten waren. So etwas würde ich gern für "Shattered Prophecy" sehen."
Hast Du davor schon anderen Rollenspielen gearbeitet und falls ja, wie haben sie Dich bei der Entwicklung beeinflusst?
"Um ehrlich zu sein, nein. "Shattered Prophecy" ist somit mein Erstlingswerk. Da ich aber enorm hohe Ansprüche an das Spiel habe und jede Kleinigkeit, die mich stört, versuche auszubügeln, habe ich auch Jahre (!) damit verbracht, Dinge immer wieder umzuschmeißen und neu anzufangen. Insgesamt gab es über die letzten 12 Jahren drei komplette Systemumstöße. Das war hart, aber ich habe enorm viel daraus gelernt: Was funktioniert, was nicht. Wie muss man Dinge angehen? Was für Vorüberlegungen braucht man? Das sind alles Lessons learned, die ich mir mit "auf die Schnauze fallen" angeeignet habe. Doch alles in allem bin ich sehr stolz auf das, was aus "Shattered Prophecy" geworden ist. Es ist nun wirklich das Spiel, was ich immer machen wollte. Früher fehlten mir eben nur die Erfahrungen. Manche machen das sicher effektiver und zeiteffizienter indem sie ihr Erstlingswerk einfach rausbringen und die Lektionen im nächsten Werk verarbeiten. Ich bin da eher ein One-trick-Pony. Bei mir muss es alles stimmen und ich kann durchaus auch mal wie Sisyphus arbeiten um meine Vision umzusetzen. Wenn es sein muss auch 12 Jahre lang."
Du arbeitest bei der Entwicklung ja nicht allein. Wer ist alles im Entwickler-Team mit dabei? Und wie klappt die Koordination?
"Jaein. Ich arbeite maßgeblich allein. Zumindest an der Niederschrift und Entwicklung. In meinem Team ist eine wunderbare Lektorin, die auch schon für "Achtung! Cthulhu" gearbeitet hat und bei uns im Pen & Podcast ebenfalls mit dabei ist: Die liebe Ela. Ansonsten habe ich unterstützende Kräfte beim Webseitenaufbau und der Umsetzung von technischen Kniffen. Der größte Dank geht aber mit Sicherheit an meine Testrunde, die Woche um Woche neue Charakterbögen erdulden muss und mir sowohl in regel- als auch settingtechnischer Sicht hilft. Vor allem aber geben sie mir durch ihre enorme Begeisterung für "Shattered Prophecy" und die Idee dahinter, die nötige Motivation, immer weiterzumachen. Das ist einfach großartig und ich bin ihnen ewig dankbar dafür. Das gilt auch meiner Frau, die sich abends, ob sie will oder nicht, meine neuen Ideen anhören muss. Sie ist die Beste."
Wo kann man mehr über "Shattered Prophecy" erfahren? Kann man es vielleicht sogar mal live antesten, etwa auf Cons?
"Puh ich bin ja kein Con-SL. Ich habe um ehrlich zu sein, nie auf einem Con ein Rollenspiel geleitet. Das wird sich mit Sicherheit ändern. Vielleicht nächstes Jahr? Infos gibt es vor allem auf unserem Blog (Link). Zudem natürlich auf der offiziellen Seite (Link) und auf Facebook (Link). Zudem sprechen wir im "Pen & Podcast" jede Menge über unsere Erfahrungen mit "Shattered Prophecy". Immerhin besteht das Team aus eingefleischten Veteranen. Reinhören lohnt sich für Interessenten also. Gern kann man mich natürlich auch immer auf Facebook über die Seite kontaktieren. Ich antworte eigentlich immer schnell und freue mich über alle Zuschriften (und seien sie auch nur ein paar nette Worte)."
Zuletzt, hast Du für andere aufstrebende Rollenspiel-Entwickler ein paar Tipps & Tricks?
"Uh, jede Menge. Viele davon behandle ich auch in meinem Entwicklerblog Foretold (Link) oder in den Podcasts bei denen ich mitwirke. Ich denke, das Wichtigste ist, den Atem nicht zu verlieren. Rollenspiele sind ein Fuckload von Arbeit. Natürlich gibt es dann noch die Tipps, die jeder gibt: Sei bereit dich auch von guten Ideen zu trennen, wenn sie nicht passen. Überlege dir, wen du ansprechen möchtest und was das Thema/Ziel deines Rollenspiels ist. Bei der enormen Menge an Systemen auf dem Markt sollte man sich zudem immer fragen, weshalb ein potenzieller Kunde mein Spiel kaufen sollte und nicht ein anderes? Da sind wir dann auch schon bei der Frage, ob ich denn überhaupt ein eigenes System/Setting brauche, oder ein bestehendes wie "Savage Worlds" oder "Fate" nutzen möchte? Das spart jede Menge Arbeit und Frust. Zudem gibt es hier auch bereits eine eingefleischte Fangemeinde. Bei uns war die Entwicklung eines eigenen Systems unumgänglich, weil sich herkömmliche Rollenspielsysteme schlicht nicht für diesen Spielstil eignen. Zuletzt: Recherchiert. Lest Blogartikel, Foren, Bücher, Social Media, Rollenspielregelwerke und hört euch Experten an. Macht nicht nach, was andere machen, aber wisst, was andere machen. Man kann nur dann ein gutes Spiel entwickeln, wenn man weiß, wie der State-of-the-Art zurzeit aussieht. Ansonsten läuft man Gefahr, einfach ein neues AD&D zu machen (was zumindest bei Vertretern der OSR unter Umständen großen Anklang finden könnte ;-)). Bleibt eurer Linie treu, zieht sie durch und konzentriert euch auf eure Stärken. Kurzum: Entwickelt ein Spiel, dass ihr selber spielen wollen würdet."
Vielen Dank für das spannende Interview :-) Sehr gern verweise ich noch einmal auf die Webseite zum Spiel (Link).
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