Mit “Kaisersturz“, dem ersten Teil der „Imperium von Westrin“-Trilogie, lieferte der viel und gut schreibende deutsche Autor Felix Alexander Münter vor einem halben Jahr seinen ersten Fantasy-Roman ab. Bekanntermaßen war ich des Genres wegen eher skeptisch, doch überraschte mich die EDO-freie Mischung aus Politik und Intrigen positiv. Nun also ist bereits der zweite Teil erschienen, welcher die Geschichte rund um das spätrömisch anmutende, untergegangene Kaiserreich Westrin und die im Exil lebenden Thronerben fortführt. Und natürlich stellt sich die Frage, ob der Autor das hohe Niveau des Vorgängers halten kann oder ob es nur ein typischer Trilogie-Mittelteil wird? Im Vorgänger „Kaisersturz“ wurde das Fantasy-Kaiserreich Westrin im Handstreich von den drei verbündeten Heeren der nördlichen Clans, der südlichen Al-Asmari und der abtrünnigen Provinz Fercino erobert. Der Kaiser wurde hinterrücks ermordet, lediglich seine beiden zweijährigen Zwillingskinder konnten durch eine kleine Truppe Getreuer gerettet werden. Und noch während man die rechtmäßigen Thronerben über den Kontinent jagte, hintergingen sich die Siegermächte bis der Fercino-König Atanasio fast den gesamten Kontinent erobert hatte. Der zweite Teil „Exil“ - wie der Vorgänger 12 Kapitel umfangreich, aber knapp 80 Seiten kürzer – führt die Handlung nun 10 Jahre später fort: Die Heldentruppe des Vorgängers konnte die Kaiserzwillinge Arcadius und Passara bisher im abgeschiedenen Seekönigreich verstecken, doch nun wurde ihre Identität enthüllt. Flucht ist keine Option, sodass der mittlerweile zwölfjährige Kaiser (ohne Reich) Arcadius versucht aus dem Exil heraus den Widerstand zu organisieren und Allianzen zu schmieden. Das schafft er im Verlauf des Buches dann auch recht geschickt, denn was ihm an Soldaten und Material fehlt, macht er mit einer riesigen Kriegskasse wieder wett. Eile ist geboten, denn Atanasio hat seine riesige Flotte ausgesandt um die Kaiserzwillinge zu töten und gleich noch das ganze Seekönigreich zu erobern… Überhaupt Atanasio, der machthungrige König und vermeintliche Haupt-Antagonist der Trilogie, läuft in diesem Band wieder in Höchstform auf. Die Kapitel, in denen er seine Intrigen spinnt um gleich zu Beginn des Buches ein weiteres Königreich zu erobern und auch noch weitere Eroberungen vorzubereiten, sind wahre Glanzstücke. Dabei geht er so strategisch klug und kompromisslos vor, dass man in wirklich jedem Moment nachvollziehen kann, wie es dieses zu Beginn von „Kaisersturz“ recht kleine Königreich innerhalb einer Dekade schaffen konnte, fast den gesamten Kontinent zu erobern und selbst in Übersee seine Gegner klein zu halten. Unterstützt wird er dabei vom Blutmagier Niccolo, dem hier im zweiten Teil ein größerer und für den Gesamtverlauf der Geschichte wichtiger Handlungsstrang zukommt. Diese beiden Antagonisten sind dann eigentlich auch die einzigen beiden "schwarzen" Charaktere des Romans. Alle anderen Figuren, besonders der Heldentrupp rund um die Kaiser-Bewacher, bleiben dem ersten Teil entsprechend in moralischen Grautönen gehalten. Beispielsweise haben die Protagonisten überhaupt kein Problem damit, einen unbewaffneten Mann zu töten, weil er herausgefunden hat dass die Zwillingskinder die als tot geltenden Thronerben sind. Und später ist es für sie auch vollkommen legitim, die Zwillingsschwester Passara als Verhandlungsmasse zu nutzen um ihre politischen Ziele zu erreichen. Alle überlebenden Figuren des ersten Teils – und bekanntermaßen waren das ziemlich viele - bekommen in „Exil“ einen eigenen Handlungsstrang. So werden verschiedene Helden, etwa der Athenatoi Origen und die Kaiser-Ziehmutter Nysa, auf unterschiedlich erfolgreiche diplomatische Missionen geschickt. Logothetai Inaros muss Magieprüfungen bestehen und Apthach-Laird Fearghas versucht die zerstrittenen Clans zu einen. Und das waren nur die wichtigsten Handlungsträger des Vorgängers ;-) Teilweise werden reine "Kaisersturz"-Randfiguren in „Exil“ deutlich ausgebaut, beispielsweise bekommt der vom Verrat der Fercino verbitterte Al-Asmari-Bey Naim von den Vahid-Priestern ein unmoralisches Angebot und schwingt sich so zu einem der vermeintlichen Hauptfiguren des kommenden dritten Teils auf. Dazu führt Felix A. Münter (Link) noch eine ganze Reihe neuer, teils sehr interessanter Figuren in die Geschichte ein. Denen gemein ist, dass sie recht häufig sterben, was wirklich schade ist, da sich der Autor viel Mühe gibt sie zuvor zu beschreiben und zu charakterisieren. Und damit sind wir bei der Überschrift „Tödlicher als Game of Thrones“. Wer die Fantasy-Saga kennt (egal ob Buch oder TV-Serie), weiß wie die Grundstimmung des Buches ist: Düster und brutal. Und genau so ist auch „Exil“, nur noch ein wenig krasser. Hier sterben für den Verlauf der Handlung wichtige Charaktere wie die Fliegen. Und dabei ist es egal ob es sich um Könige oder einfaches Fußvolk handelt, niemand ist sicher. Dies sorgt, gerade auch zusammen mit den häufig wechselnden Allianzen, für eine wirklich bedrohliche Stimmung und folgt der kalten Logik des Machterhalts, wirkt aber manchmal doch ein wenig in der Frequenz übertrieben. Leider wird dieses „Massensterben“ in seiner Konsequenz aber nicht bis zum Ende fortgeführt (SPOILER!) denn den Hauptfiguren auf beiden Seiten passiert noch nichts. Klar, erst im dritten Teil soll es einen großen Showdown geben, aber so ein überraschender Heldentod wäre hier das Sahnehäubchen gewesen :-P Womit wir den ersten kleinen Kritikpunkt schon abgehakt hätten. Und ich kann schon versprechen: Sämtliche Kritikpunkte sind kleine Kritikpunkte, denn der Autor leistet sich keine gröberen Schnitzer, sondern legt qualitativ noch ein kleines Schippchen drauf: Die Magie fügt sich harmonischer in die Handlung ein, es gibt (noch) weniger Klischees und auch die Beschreibung der Kämpfe gleicht sich langsam der Qualität des Resttextes an. Nun aber zu den kleinen Kritikpunkten: Zum einen hatte ich mit der Hauptfigur Arcadius meine Probleme. Eigentlich ein sympathischer kleiner Junge, aber nachdem er aus heiterem Himmel erfährt, dass er Kaiser ist, mutiert der Zwölfjährige zum sofortigen Profi-Kaiser. Ohne eine Ausbildung in diese Richtung erhalten zu haben, kann er annähernd problemlos politische Verhandlungen mit hervorragendem Sprachgebrauch führen und internationale Allianzen planen - Das ist für mich einfach nicht glaubwürdig. Ich selbst war in dem Alter Abgeordneter des Jugendparlaments meines Landkreises, wir haben uns sehr lange auf unsere Arbeit vorbereitet und vorher generell viel mit Politik befasst, aber diese Kompetenz haben wir nicht annähernd errungen… Was mir sonst noch ein wenig missfallen hat waren der Wechsel des Zeitlängen innerhalb eines Kapitels (manche Abschnitte spielten in der Gegenwart, andere beschrieben längere Zeiträume, da musste man sehr konzentriert lesen) und explizit das letzte Kapitel. Dieses ist ausschließlich darauf ausgelegt, alle Protagonisten in irgendwelche Cliffhanger zu lotsen, was irgendwie uncharmant gewollt wirkt. Und außerdem wirkt die brutale Folterszene einfach aufgesetzt – Klar, die ganze Buchreihe ist düster und brutal, aber diese Szene wirkt in ihrer expliziten Beschreibung wie ein Fremdkörper, als hätte ein anderer Autor die da reingeschmuggelt :-( Von diesen kleinen Kritikpunkten mal abgesehen (die dem Roman aber knapp die 5 Sterne-Wertung kosten) kann ich aber nur Lob aussprechen: Die Handlung ist durchgehend spannend und der Schreibstil hat sich nochmal verbessert (mit gelegentlichen Münter-typischen sprachlichen Spielereien). Die Beschreibungen, egal ob von Orten oder Personen, sind bildhaft und detailliert – Schon nach dem ersten Kapitel, ach eigentlich schon viel früher, hat man das Gefühl wieder in Westrin angekommen zu sein. Und wenn man mal angefangen hat, kann man gar nicht mehr aufhören! Ich glaube, ich habe noch nie ein so dickes Buch in so kurzer Zeit durchgelesen :-D Hier bekommt man auf 464 Seiten gut 8 Stunden hervorragenden und qualitativ hervorragenden Lesestoff! Aktuell gibt es das E-Book (welches mir von Felix zur Verfügung gestellt wurde, danke dafür!) für gerade mal 1,99 €. Ein wirklich hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis :-) Fazit: Ja, „Exil“ ist ein typischer Mittelteil: Es spinnt die Handlung des ersten Teils weiter und bringt die Figuren und Handlungsfäden für das Finale in Stellung. Aber was für einen Mittelteil eher untypisch ist: Er hält nicht einfach nur das qualitative Niveau, sondern steigert es sogar leicht! Nach dem Amazon-Wertungssystem bekam „Kaisersturz“ gute 4,2 (von 5 Sternen), „Exil“ legt noch eine Schippe drauf und landet bei 4,3! Das lässt mich auf den abschließenden dritten Teil hoffen, der noch dieses Jahr im August erscheinen soll. PS: Wer mit einigen Eigennamen und Bezeichnungen nichts anfangen konnte, dem sei die Westrin-Wiki (Link) empfohlen :-)
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