Auch wenn es meine Podcast-Partnerin Elea (Link) oder meine gute Freundin Jasmin (Link) anders sehen, ist für mich persönlich das Vampir-Thema irgendwie durchgespielt. Blutsaugende Monster, gern mal in Menschengestalt, mit gelegentlichen Anflügen von Kinkyness und Queerness – Alles schon gesehen, teils sogar alles schon gespielt, etwa im legendären WoD-Erzählrollenspiel „Vampire: The Masquerade“...
 

Und doch finden Kunstschaffende, in diesem Fall das Kreativ-Duo Amy Chu & Soo Lee, immer wieder neue Ansätze, um das altbekannte Thema eine interessante Wendung nehmen zu lassen. So etwa hier beim Grusel-Comic „Carmilla: Die erste Vampirin“, welcher die 1872 erschienene Gothic-Novelle in die 1990er Jahre verfrachtet und das alles mit asiatisch-amerikanischer Selbstfindung verknüpft – Eine spannende Mischung, die allerdings nicht zu 100 % aufgeht.
 

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Das New York der 90er Jahre ist, gerade in den Armenvierteln, kein schöner Ort. Obdachlosigkeit, Verbrechen, die noch lange nicht in den Griff bekommene AIDS-Epidemie – Es gibt viel zu tun für die chinesischstämmige Sozialarbeiterin Athena. Als dann auch noch eine Mordserie an einer ganzen Reihe queerer Frauen die Christopher Street erschüttert und die Polizei scheinbar nichts tut, macht sie sich selbst auf die Suche nach dem Mörder. Viele der Opfer befanden sich im Umfeld eines Underground-Clubs, in welchem Athena das erste Mal mit der scheinbar drogenabhängigen und obdachlosen, vor allem aber wunderschönen Violet in Kontakt kommt. Rasch darf diese bei ihr einziehen, fast ebenso rasch wird es intim, weshalb dann auch Athenas Lebenspartnerin Morgan ganz schnell von ihr abgeschossen wird...

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Alles könnte perfekt sein, doch einerseits entwickelt die junge Liebe zu Violet rasch toxische Züge, andererseits geht die Mordserie immer weiter... 112 Seiten dick ist diese vom „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) publizierte Gothic Graphic Novel, aber ehrlicherweise hätte sie noch viel dicker sein dürfen! Und zwar nicht, weil sie so gut ist, sondern weil sie mit mehr Seiten bestimmt richtig gut hätte sein können! Denn Amy Chu packt hier einfach viel zu viele Handlungsfäden in viel zu wenige Seiten: Es geht um die eigentliche Mordserie, um die toxische Beziehung, um chinesische Mythologie, um verlorene Eltern inklusive Familiengeheimnisse, um Rassismus und in vielfacher Hinsicht um verschiedene Aspekte von Queerness. Achja, und es geht natürlich um Vampire 😉 
 

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Schade, mit mehr Seiten hätte man so viel mehr rausholen können, denn dann wäre eventuell der große Story-Twist nicht so dermaßen offensichtlich gewesen. Und man hätte vielleicht besser verstanden, warum Athena ihre stabile Langzeitbeziehung gegen die offensichtlich ziemlich kaputte, wenn auch ziemlich heiße Violet eintauscht. Und vor allem wäre es unnötig gewesen, am Ende ein „deus ex machina“-Finale aus dem Hut zu zaubern...

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Fazit: Ja, ich hab jetzt viel gemeckert, und das wollte ich eigentlich gar nicht. Denn irgendwie ist mir „Carmila: Die erste Vampirin“ (Link) trotzdem ungemein sympathisch. Und ich glaube, dass er mit seinem Themenmix den Kaufreiz von so ziemlich allen „Vampire: The Masquerade“-Fans triggert, weshalb ich für entsprechende Rollenspiel-Fans hier eine ganz klare Empfehlung aussprechen kann. Alle anderen bekommen hier immerhin einen netten kleinen, ziemlich atmosphärischen queeren Vampir-Thriller, den man sicherlich mit Freude lesen kann, aber eben auch keinesfalls muss. 

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