Für welches Rollenspiel habe ich bisher auf so ziemlich jeder Convention zwei, drei Spielrunden ausgehangen gesehen? Vermutlich werden die Szene-KennerInnen jetzt sofort „Natürlich DSA!“ rufen, aber mindestens gleichauf liegt meiner Erfahrung nach das Erzählspiel „Fiasko“, welches verdächtig oft als kleiner „Mitternachtssnack“ zum Einschlafen angeboten wurde. Und das ist durchaus verständlich, denn mit wenigen Regeln kann man hier ziemlich dramatische Geschichten über das Scheitern erzählen. Der „Pro Indie“-Verlag hat nun, nach fast einem Jahrzehnt, eine reine Kartenspiel-Version herausgebracht, welche in dieser Form auch Brettspiel-Fans vom erzählorientierten Rollenspiel begeistern soll. Brauchte man für die klassische 144 Seiten starke Buchversion noch Würfel, wird diesmal alles über Spielkarten abgehandelt. Davon gibt es 221 Stück, welche sich aufteilen in ein 54 Karten starkes Regeldeck, drei ebenfalls je 54 Karten starke Kulissendecks (Geschichten aus der Vorstadt, Poppleton Mall & Drachentöter) und fünf Referenzkarten (mit „X-Karte“ auf der Rückseite). Dazu gibt es noch das kleine Papp-Spielbrettchen und die kurze, aber verständliche Anleitung. Und damit kann man dann ein komplett schiefgehendes Abenteuer erleben :-) Die Vorbereitung geht, ebenso wie eine normale Spielsession (um die 2 Stunden, je nach Anzahl der SpielerInnen auch mal etwas kürzer oder länger), recht zügig: Man legt das Spielbrett aus und teilt das Regeldeck auf in Nachspiel-, Ereignis- und Bitte nicht!-Karten, anschließend legt man diese auf die entsprechenden Spielbrettfelder. Dann wählt man eines der drei Kulissendecks und mischt die darin enthaltenen Beziehungen, Antriebe, Gegenstände und Orte gut durch. Die Karten werden gleichmäßig verteilt, hiernach werden im Uhrzeigersinn die Beziehungskarten ausgelegt (so man denn welche besitzt) und anschließend mindestens eine, maximal zwei Antriebe, Gegenstände und Orte. Damit ist das grundlegende Szenario bereits mit wenigen Spielkarten etabliert, aber auch die übriggebliebenen sind nicht unnütz. Denn auf deren Rückseite befinden sich Namen, mit denen man seinen Charakter komplettiert. Und dann kann es schon losgehen :-D „Fiasko“ wird in zwei Akten gespielt, in welchen jeder Charakter je zwei Spotlight-Szenen bekommt. Dabei kann man entscheiden, ob man eine Szene eröffnet (man ist quasi die Regie und entscheidet, wer wo wie was macht) oder deren Ausgang entscheidet (gut oder schlecht). Die Mitspielenden übernehmen dann jeweils die anderen Part (also wenn man beispielsweise die Szene eröffnet, entscheiden die Mitspielenden irgendwann, wie sie ausgeht). Ist der erste Akt vorbei, also haben alle Spielenden jeweils zwei Szenen erhalten, folgt der Wendepunkt. Hier kommen die Ergebniskarten ins Spiel, welche Inspirationen für dramatische Ereignisse bieten und zudem mit einem positiven oder negativen Zahlenwert versehen sind, welcher in der Nachspiel-Phase den jeweiligen Epilog des Figurenschicksals bestimmt – Zugegeben, das war jetzt ganz schön verkürzt wiedergegeben, aber dank der verständlich geschriebenen Texte und den guten Spielbeispielen sollte man nach der Lektüre des 24 Seiten dünnen Regelheftchens eigentlich gut verstehen, was man hier eigentlich machen soll ;-) Schön ist, dass auch Optionalregeln enthalten sind, damit man das eigentlich für 3 – 5 Spielende gedachte „Fiasko“ sogar mit bis zu acht SpielerInnen nutzen kann. Zudem, und das möchte ich einfach mal lobend erwähnen, wird hier sehr auf inklusive Sprache geachtet. Das gibt ein Lob! „Fiasko“, damals noch in der alten Buch-Variante, in der man auch noch Würfel nutzte, hat nicht wenige Rollenspiel-Preise abgeräumt. Verständlich, denn es macht schon wirklich Spaß, wenn man sich denn auf diese Art des erzählorientierten, spielleitungslosen Rollenspiels einlassen kann. Ich persönlich hab mich am Anfang etwas gewunden, aber meine Podcast-Partnerin Elea (ein riesiger „Fiasko“-Fan) konnte mich letztlich dann begeistern. Es ist halt wie mit allen (Rollen-)Spielen: Wenn man eine oder mehrere MitspielerInnen hat, die einen für ein System begeistern, dann ist man viel schneller in den Regelmechaniken drin und zum Ausprobieren motiviert, als wenn man nur das (aber wie gesagt gut geschriebene) Regelheftchen durchliest. Und da schließt sich dann wieder der Kreis zu meiner Einleitung über Conventions: Denn da dort sehr häufig „Fiasko“-Runden angeboten werden, kann man sich einfach mal dazugesellen und schauen, ob das nicht auch was für einen selbst ist. Da man nur um die zwei Stunden für eine Runde benötigt, kann man so eine Proberunde immer mal in den eng getackteten Conspielrunden-Terminplan reinquetschen ;-) Von mir also an dieser Stelle einen dicken Daumen nach oben! Mit einem Preis von 24,95 € für eine Rollenspiel-Box, in der wirklich alles drin ist, was man zum Spielen braucht, kann man eigentlich wenig verkehrt machen. Also Daumen hoch an den „Pro Indie“-Verlag (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), der diese neue „Fiasko“-Edition qualitativ gut lokalisiert hat. Fazit: „Fiasko: Das Kartenspiel“ (Link) ist ein kurzweiliges Erzählspiel, welches Fans von schnellen und spielleitungslosen System viel Freude bereiten wird. PS: Mein Blogger-Kollege Würfelheld (Link) zeigte sich sogar noch ein Eckchen begeisterter als ich.