Sind wir mal ehrlich: Wenn wir heutzutage einen Stromausfall haben, schauen wir spätestens am Ende des Tages voller Verzweiflung auf den langsam zur Neige gehenden Akkustand des Handys – Wie mag es da erst im durchdigitalisierten Jahr 2080 sein? Besonders, wenn der Stromausfall nicht nur ein paar Stunden, sondern ganze 30 Tage andauert? Genau diese Frage dürfen sich die SpielerInnen in der ersten Abenteuer-Kampagne „30 Nächte und 3 Tage“ für die sechste Edition des Cyberpunk-Klassikers „Shadowrun“ stellen. Kleiner Spoiler: Es wird drunter und drüber gehen!
Herbst 2080: In der kanadischen Metropole Toronto gehen die Lichter aus. Kann ja mal passieren, auch wenn der fehlende Zugriff auf die Matrix natürlich ärgerlich ist. Doch dann kommt der Strom einfach nicht wieder! Die Lage der (Meta-)Menschen, egal ob arm oder reich, wird immer verzweifelter (okay, primär die Lage der Armen ;-)), da alsbald die Vorräte knapp werden und marodierende Banden die Gunst der Stunde für allerlei kriminelle Aktivitäten nutzen – Und „kriminelle Aktivitäten“ sind dann auch schon das perfekte Stichwort, denn natürlich mischen hier auch die SpielerInnen ordentlich mit: In jeder der 30 Nächte gibt es einen mal mehr, oftmals aber weniger legalen Auftrag, der ihnen etwas Geld in die Tasche spült (nur ist das Geld in dem Chaos halt irgendwann nichts mehr wert :-P). Klar, da gibt es primär „klassische“ Runner-Aufgaben wie die Extraktion von Lohnsklaven, das Beschaffen von Informationen, den Transport oft illegaler Güter oder die Befreiung von Gefangenen. Aber diese Missionen stehen eher selten für sich, stattdessen sind sie Puzzleteile von mehreren parallel verlaufenden Geschichten. Beispielsweise versucht eine finstere Magier-Loge die Zelebrierung von schrecklichen Ritualen und allerlei Konzerne intrigieren um die Wette. Und was machen eigentlich die schwarzen Lieferwägen, welche nachts die Stadt durchkämmen? Und warum tauchen plötzlich Critter fernab ihrer Jagdgründe auf?
Fragen über Fragen, welche die SpielerInnen in 30 Nächten lösen müssen. Dabei können sie natürlich stur Nacht für Nacht abarbeiten, der Kampagnenband schlägt aber auch einzelne Handlungsfäden (also Missionsketten) vor. Grob kann man hierbei überschlagen, dass die allermeisten Aufträge (wenn man nicht zu viel Zeit mit der Run-Planung oder Gesprächsexzessen vergeudet) innerhalb einer Spielsitzung schaffbar sind. Strukturiert sind die Missionen dabei nach einem klaren Schema (Einleitung, Aufhänger, Der Job, Hauptdarsteller, Besondere Anmerkungen), der Umfang der Abenteuerbeschreibung schwankt aber stark: Gelegentlich, gerade gegen Ende hin, wird viel mit einem genauen Missionsverlauf und oft auch Kartenmaterial gearbeitet. Oft sind die Beschreibungen aber eher grob gefasst, sodass die Spielleitung hier sehr viel kreative Freiheit bekommt – Was gleichzeitig aber auch eine gewisse Erfahrung voraussetzt, sodass ich mir selbst beispielsweise nicht bei allen Missionen die Spielleitung zutrauen würde. Rund 120 Seiten umfassen diese 30 Nächte. Dazu kommt noch ein kurzer Überblick des Schauplatzes Toronto (mehr Informationen zum Stromausfall gibt es im parallel erschienenen Quellenbuch „Shadowrun: Blackout“, welches man aber nicht zwingend für diese Kampagne benötigt) , eine ganze Menge an NSCs und die drei Tag-Kurzmissionen, welche in der ADL spielen. Diese sind sogar ein wenig besser ausgearbeitet als die allermeisten Abenteuer der Kampagne. Insgesamt kommt man auf ein Hardcover mit 188 Seiten, welches „Pegasus Press“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) für konkurrenzlose 19,95 € auf den Markt wirft. Als Bonus gibt es noch eine A3-Karte von Toronto dazu. Ein prima Preis/Leistungsverhältnis :-D
Fazit: „Shadowrun: 30 Nächte und 3 Tage“ (Link) ist ein wirklich guter Kampagnen-Band, der den allermeisten Spielgruppen mindestens 33 Spielabende lang viel Freude bereiten wird. Ich schreibe hier bewusst „den allermeisten“, denn durch das stromlose Setting werden stromabhängige Charaktere (Rigger & Decker) weniger Entfaltungsmöglichkeiten haben, als sie es sonst gewohnt sind. Andererseits verstärkt das den Survival-Aspekt der Kampagne, der einen großen Teil des Reizes ausmacht :-) Um es kurz zu machen: Empfehlenswert!