Die „Androiden“-Anthologieserie war für mich in den letzten Jahren die maßgebliche Comic-Reihe, wenn es um die Genres Science-Fiction und Cyberpunk ging. Vier Kreativteams schufen vier ganz unterschiedliche Geschichten (von Psychokrimi bis Endzeit-Survival war alles dabei), welche sich rund um die drei Asimovschen Robotergesetze drehten. Tatsächlich war mir damals, als ich mich für immerhin drei der vier Bände absolut begeistern konnte, noch gar nicht bewusst, dass es sich hier lediglich um einen ersten Zyklus handelte. Denn plötzlich bringt der „Splitter Verlag“ einfach so einen zweiten Zyklus auf den Markt, dessen Auftaktband „Synn“ die ganz großen Fragen des Transhumanismus aufwirft!
Die Androidin Synn, welche auf einer Erkundungsmission nach neuem Lebensraum durch die Galaxie ist, muss auf dem erdähnlichen Planeten TS-234589 notlanden. Ihr Schiff wird dabei zerstört, doch sie ist aufgrund ihrer hochentwickelten Technologie unsterblich. Schnell kommt sie in Kontakt mit den BewohnerInnen, die ihr zwar feindlich gesinnt sind, letztlich aber keinerlei Chance haben. Rasch wird sie, ihrer Unsterblichkeit wegen, als Göttin verehrt – Aber was für einen Menschen vielleicht sogar eine interessante „Karriere“ wäre, ist für eine Androidin natürlich totlangweilig. Also bastelt sie sich aus den Wrackteilen den Roboter Krit, der sie bei ihren Entdeckungen unterstützt. Die Jahrhunderte gehen ins Land und Synn macht ihre ganz eigene, digitale Evolution durch: Sie versucht erst immer wieder (erfolglos, weil selbstreparierend) zu sterben, um dem Geheimnis des Jenseits auf die Spur zu kommen. Dann entwickeln sie und Krit romantische Gefühle füreinander, was in dem Wunsch mündet, sich in Menschen aus Fleisch und Blut zu degenerieren. Doch so eine Rückentwicklung ist gar nicht so einfach...
Die Idee des Transhumanismus findet in vielen SciFi-Geschichten ihren Platz: Menschen, die sich durch die technologischen Möglichkeiten weiterentwickeln – Vielleicht sogar soweit, dass ihr Geist in einen unsterblichen Maschinenkörper transferiert wird. Genau das passiert auch in der Vorgeschichte von „Synn“, doch führt ausgerechnet dieser Zenit der menschlichen Leistungsfähigkeit letztlich zur Auslöschung der Menschheit. Darum ist es ein umso cleverer Story-Twist, dass ausgerechnet der Transandroidismus (zumindest meine Google-Suche ergab, dass dieses Wort extra für diesen Comic erfunden wurde ;-)), also die Transferierung der Androiden/Roboter-Software in eine Lebensform, die Rettung beziehungsweise Neuerschaffung der Menschheit darstellen soll! Man merkt, der Autor/Zeichner Stéphane Louis hat sich hier wirklich philosophische Gedanken gemacht. Und so bietet „Synn“ tatsächlich eine überaus intelligente SciFi-Geschichte, die trotz gelegentlicher Action-Einsprengsel jedoch ein klein wenig verkopft wirkt – Der Auftaktband des 2. „Androiden“-Zyklus lässt sich für den Aufbau seiner Geschichte viel Zeit und wird damit wohl so ziemlich alle KritikerInnen, aber kaum die breite Masse begeistern. Schade eigentlich, denn neben der wirklich interessanten, deutlich nachwirkenden Geschichte bietet der 56 Seiten starke Hardcover-Band auch noch sehr ansprechende Zeichnungen. Genre-Fans, die sich für solche transhumanistischen beziehungsweise transandroidistischen Gedankenspiele begeistern können, dürfen hier ohne mit der Wimper zu zucken die 16 € ausgeben, welche der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) verlangt.
Fazit: „Synn“, der Auftaktband des 2. „Androiden“-Zyklus (Link), knüpft qualitativ an die bisherigen Bände an :-) Darum muss ich hier eine eindeutige Empfehlung geben, jedoch gleichzeitig auch eine Warnung: Durch seine leichte Verkopftheit und die ruhige Erzählweise ist er für die breite Leserschaft der bisher am schwierigsten zugängliche Comic der gesamten Anthologie-Reihe. Trotzdem, noch einmal in aller Deutlichkeit: Empfehlenswert!