Universalrollenspiele erfreuen sich ja einer ungebrochenen Beliebtheit, wenn man etwa den Crowdfunding-Erfolg der neusten „Savage Worlds“-Edition oder den ungebrochenen (Verlags-)Output an „PbtA“- & „Fate“-Variationen anschaut. Zwischen diese großen Namen zwängt sich nun ein kleines, aber feines Universalsystem aus Deutschland: „FUK!“ – Das steht für frei & flexibel, universell & unkonventionell, kreativ & kartenbasiert. Ob es mit der Konkurrenz mithalten kann?
Spielerisch ist es erst einmal recht einfach gehalten: Proben werden mit einem W6-Würfelpool gewürfelt, welcher sich aus Eigenschaft 1 + Eigenschaft 2 + Fertigkeitsbonus zusammen setzt. Jede gewürfelte 5 oder 6 zählt als Erfolg, dessen Anzahl man mit den von der Spielleitung vorgegebenen Misserfolgen (also dem Schwierigkeitsgrad) vergleicht. Eine Aktion gelingt, wenn man mehr Erfolge als Misserfolge hat – Logisch, oder? Die Chance auf eine gelingende Aktion kann man mit der Nutzung von FUK!-Punkten verbessern, welche vor der Probe die Erfolgsschwelle auf 4+ senken oder hinterher für einen Misserfolg-ReRoll verwendet werden dürfen.
Ähnlich einfach sind die Kämpfe gehalten: Nach dem Auswürfeln der Initiative (Wahrnehmung + Willenskraft + Fertigkeit) dürfen die SpielerInnen jeweils eine Aktion durchführen. Entscheidet man sich für einen Angriff, der mit einer Waffe übrigens stets effektiver ist als ohne (was ja logisch ist :-P), kommt es zu einer vergleichenden Würfelpool-Probe zwischen Angriff (Angriffswert + Fertigkeitsbonus + Angriffsbonus) und Verteidigung (Verteidigungswert + Fertigkeitsbonus + Verteidigungsbonus). Sollte der Angriff gelingen, wird die Erfolgsdifferenz + eventueller Waffenbonus vom Gesundheitswert des Verteidigers abgezogen. Je nachdem, wie viel Gesundheit schon eingebüßt wurde, gilt der Charakter als (schwer) verletzt und erleidet auf jede Probe zusätzliche Misserfolge. Bei 0 Gesundheit geht er K.O., bei einem negativen Gesundheitswert in Höhe der doppelten Konstitution ist er tot... Das ist also auch alles recht einfach, selbst mit einigen Sonderregeln für Trefferzonen, Nahkampfgegenangriffen und Rüstungsmodifikatoren sollte eigentlich niemand überfordert sein. Zumal sich die Kämpfe trotz der Sonderregeln eben nicht im taktischen Kleinklein verlieren (z.B. wird die Magie sehr frei gehandhabt und es gibt auch keine genau definierten Bewegungsregeln, also nix für Battlemap-StrategInnen wie mich ;-)), sondern man das Ganze rasch & erzählerisch abhandelt.
Okay, das war bisher doch eigentlich gar nicht schwer :-) Vielleicht denken sich manche LeserInnen, gerade wenn sie beispielsweise schon mal mit „Ubiquity“-Regeln gespielt haben (z.B. „Space 1889“ & „Hollow Earth Expedition“), nun aber „Aber was ist denn jetzt die herausragende Besonderheit?“. Da ist wohl die kartenbasierte Charaktererschaffung/-verwaltung zu nennen: Anstatt eines klassischen, gern auch mal mehrseitigen Charakterbogens nutzt „FUK!“ pro SpielerIn jeweils 13 Karteikarten. Aber wie genau geht so eine Charaktergenerierung nun vor sich? Interessanterweise beginnt man nicht wie sonst mit der Verteilung von Punkten, sondern mit der Vergabe von zwölf Fertigkeiten, von denen man jeweils eine auf eine Karteikarte schreibt. Hier gibt es keine Beschränkung - Erlaubt ist, was für das jeweilige Charakterkonzept sinnvoll erscheint. Jeder Fertigkeit ordnet man dann eine der acht Eigenschaften (Intelligenz, Willenskraft, Wahrnehmung, Charisma, Geschick, Beweglichkeit, Stärke, Konstitution) zu und verknüpft sie auch noch mit einem begründenden Satz. Beispielsweise könnte man sich die Fertigkeit „Muskelprotz“ ausdenken, welche man mit der Eigenschaft Kraft verknüpft und mit den Satz „Der Charakter hat sich pausenlos Anabolika eingeworfen“ begründet. Dieser begründende Satz ist natürlich toll für Fluff-SpielerInnen, er hat aber auch noch einen spielmechanischen Sinn: Aus ihm leiten sich die Fertigkeitsboni ab. Je nachdem, wie passend man der Spielleitung diesen begründenden Satz verkauft, kann man dem Würfelpool bis zu fünf W6 hinzufügen. Um mal ein konkretes Beispiel zu nennen: Der Muskelprotz will eine Apothekerin mit seinem Fachwissen bezirzen. Die Spielleitung würde nun bestimmen, dass er dafür die Eigenschaften Intelligenz und Charisma nutzen müsste. Nun könnte sich der Muskelprotz vielleicht ein paar Bonuswürfel holen, indem er begründet „Ich kenne mich wegen meiner Anabolika-Nutzung mit ein paar Markennamen und Wirkstoffen aus, das lasse ich beiläufig in das Flirtgespräch einfließen!“. Die Spielleitung würde diesen Vorschlag jetzt vermutlich gar nicht dumm finden und drei Bonuswürfel gestatten... Auf die 13. Karte schreibt man dann die kumulierten Eigenschaftswerte (1 – 5), die abgeleiteten Werte (Angriff, Verteidigung, Fernkampf, Gesundheit und optional Zauber) und die Erfahrung. Letztere kann man später ausgeben, um neue Fertigkeitenkarten zu kaufen. Wichtige Notizen und die Ausrüstung werden dagegen auf einem profanen Schmierzettel dokumentiert.
Das „FUK!“-Regelbuch ist 60 Seiten dick und kommt als Hardcover mit zwei Lesebändchen. Der Aufbau ist recht klassisch: Nach vier Seiten Vorwort und sechs Seiten Charaktererschaffung (eigentlich nur vier Seiten, weil es zwei Seiten Beispiele gibt) folgen zehn Seiten zur Spielmechanik (inkl. vier Seiten Beispiele), acht Seiten zum Kampfsystem sowie jeweils zwei Seiten zu Schaden, Magie und Charakterentwicklung. Auf 14 weiteren Seiten werden Beispielwaffen & -Gegenstände unterschiedlichster Art & Epochen vorgestellt, bevor der Rest des Büchleins das Beispielsetting „Unicorn Police Department“ vorstellt... Das alles ist übersichtlich gelayoutet und mit einigen Zeichnungen aufgelockert, wobei gerade auch das „FUK!“-Maskottchen Jamie (der prototypsemantischen Variante eines Manic Pixie Dream Girls – ich glaub, ich bin so ein wenig verliebt :-D) wirklich nett anzuschauen ist. Die in einem lockeren Ton geschriebenen Texte sind gut und flüssig lesbar, nur für meinen Geschmack in einigen wenigen Fällen etwas rumpelig formuliert. Trotzdessen sind sie immer verständlich: Mehr als zweimal muss man einen Abschnitt wirklich nicht lesen, um den Inhalt zu kapieren. Insgesamt liefert „Mannifest Games“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) also gut ab, sodass man die 17,95 € für das Hardcover oder die 0,00 € für das eBook (eigentlich PWYW, Link) mit gutem Gewissen zahlen kann ;-) Wer es besonders stilsicher mag, kann sich für 2,50 € noch 100 „FUK!“-Charakterkarten (Link) dazukaufen.
Fazit: Frei & flexibel, universell & unkonventionell, kreativ & kartenbasiert – Und tatsächlich wird dieses Versprechen auch eingehalten: Hinter der Bonbon-bunten Comic-Fassade versteckt sich ein gut funktionierendes, eher erzählerisch orientiertes Universalrollenspiel. Von seinem spielmechanischen Anspruch her liegt es so ziemlich genau zwischen „Fate Core“ und „Ubiquity“, sodass damit auch Rollenspiel-EinsteigerInnen sehr gut zurecht kommen sollten, solange die Spielleitung weiß, was sie da tut ;-) Letztlich ist „FUK! Das System“ (Link) für mich damit eine der positivsten Rollenspiel-Überraschungen des Jahres!