Nachdem ich zuletzt ja vom Märchen-Manga-Mischmasch „Märchenkrieger, LOS!“ (Link) für das Universalsystem „Fate Core“ schwer begeistert war, ist mir gleich das nächste kreative Setting ins Haus geflattert. In „Barbaricum“, welches ebenfalls aus dem gleichen Kreativwettbewerb & Kickstarter (Link) entsprang, geht es um eine Steampunk-Version der Völkerwanderung. Na mal schauen, ob ich hier ebenfalls begeistert sein werde... Die Völkerwanderung war eines der einschneidendsten Ereignisse in der europäischen Geschichte: Zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert wanderten germanische Völkerschaften und Stammesverbände, gejagt von den expandierenden Hunnen, in Richtung Süd- und Westeuropa. Die kläglichen Rest des Römischen Reiches, geschwächt von der Teilung in Ost- & Westrom, konnten den Eindringlingen nicht mehr viel entgegensetzen... So viel anders verläuft die Alternativgeschichte in „Barbaricum“ eigentlich gar nicht, nur sind die verschiedenen Völker hier mit allerlei Steampunk-Technologie aufgerüstet: Während die Hunnen ihre Gegner etwa mit feuerspeienden Dampfpanzern vor sich herjagen, durchziehen römische U-Boote das Mittelmeer. Und die verschiedenen Barbarenstämme schlagen sich zwar noch ganz traditionell mit Schwertern und Äxten die Köpfe ein, ziehen auf der Distanz dann aber doch die Schießpulverwaffen dem Wurfspeer vor... Wie in der realen Geschichte verschwimmen die Grenzen der einzelnen Freund- & Feindschaften zusehends, sodass sich so ziemlich jeder mit jedem überwirft und letztendlich eine diplomatisches Kuddelmuddel entsteht, welches mit seinen ganzen Intrigen an eine europäische Version von „Game of Thrones“ erinnert ;-) Das Settingbüchlein erinnert, was den Aufbau, den Umfang und die Struktur angeht, an vergleichbare „Fate Core“-Abenteuerwelten: Nach einer eher knappen Einführung in das Szenario wird Grundlegendes zur Nutzung von „Fate Core“ erklärt, beispielsweise, wie man seinen Charakter erstellt, welche besonderen Fertigkeiten & Stunts man hier nutzen kann und wie man soziale Konflikte bespielt. Soweit, so althergebracht. Aber dann kommt ein Kapitel zu dem Feature, dass „Barbaricum“ zu einem besonderen Settingband macht: Große Schlachten! Die Regeln ermöglichen es, dass man, innerhalb des noch immer sehr erzählerischen „Fate Core“-Regelsystems, taktische Massenschlachten mit zehntausenden Soldaten unterschiedlichster Truppengattungen ausfechten kann. Dabei spielt man aber natürlich nicht jeden einzelnen Soldaten selber, sondern man fasst die Truppen in Kontingente von bis zu 1000 Mann zusammen. Diese bekommen dann jeweils eigene Charaktereigenschaften (jede Kohorte oder Legion ist also regelmechanisch ein NSC). In der eigentlichen Schlacht werden taktische Manöver (z.B. Flankenangriffe und Hinterhalte) über entsprechende Stunts dargestellt. So kann man epische, hin und her wogende Massenschlachten dann tatsächlich erzählerisch darstellen :-) Anschließend wird kurz auf die Nutzung von Feuerwaffen eingegangen, eh die Beispielvölker (Römer, Hunnen und die Germanen mit ihren verschiedenen Stämmen: Alamannen, Burgunden, Franken, Vandalen, Goten) mit ihrer Gesellschaft, ihren Persönlichkeiten (Beispiel-NSC) und ihrem Militär vorgestellt werden. Die Beschreibungen bleiben zwar ein wenig grob, man kann sich aber doch halbwegs vorstellen, wie sich so ein Volk im Spiel verhält. Und das war es dann auch schon... Was mir so oft bei den „Fate Core“-Abenteuerwelten fehlt, fehlt auch hier: Ein Beispielabenteuer, welches den unerfahrenen Spiel(leit)erInnen verdeutlicht, wohin die Reise gehen soll. Klar, das ist immer noch ein kreatives Erzählspiel, bei dem sich die Abenteuer von ganz alleine entwickeln, aber „Barbaricum“ bleibt mir hier einfach zu unscharf. Bei der wohl thematisch naheliegendsten Abenteuerwelt „Eagle Eyes“ (Link) weiß ich auf Anhieb, dass ich einen römischen Geheimbund-Spion verkörpere, aber hier? Aber das sind wohl eher Philipp-Probleme, denn echte „Fate“-LiebhaberInnen begreifen diese Offenheit als Chance und nicht, wie ich, als Einschüchterung ;-) Bei der Präsentation gibt es wenig zu meckern: Das Design des 100 Seiten umfassenden Softcovers ist klar und übersichtlich, die Zeichnungen sind atmosphärisch und die gut lektorierten Texte sind flüssig lesbar. Ich habe zwei vernachlässigbare Layout-Fehler gefunden, aber das ist eigentlich auch schon der einzige Kritikpunkt an der Präsentation, sodass ich die 14,95 €, die der „Uhrwerk Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) haben möchte, für akzeptabel halte. Fazit: Wieder einmal zeigt sich, dass beim Weltenbau-Kreativwettbewerb echte Szenario-Perlen gewonnen haben! „Barbaricum“ (Link) bietet ein unverbrauchtes, spannendes Alternativgeschichtssetting und dürfte SpielerInnen, die ein europäisches „Game of Thrones“ nachspielen wollen, sehr viel Freude bereiten :-D PS: Aber glaubt nicht nur mir, glaubt gern auch den Würfelheld-KollegInnen (Link) :-)