Hätte mir mal jemand gesagt, dass ich eine Comic-Reihe über einen psychisch kranken und/oder von einem Dämonen besessenen Serienmörder als einen Meilenstein der Comic-Kunst feiern würde (z.B. in der aktuellen Podcast-Folge, Link), dann hätte ich ihm vermutlich den Vogel gezeigt ;-) Aber jetzt kann ich mich nur immer wieder wiederholen: Ich hab selten eine Reihe erlebt, die durch das Psycho-Serienmörder-Thema so viel falsch machen könnte, aber einfach alles richtig macht – Zumindest galt das für die bisherigen drei Sammelbände. Nun also ist der finale Abschlussband erschienen und ich war mehr als gespannt, wie der Autor Ed Brubaker die Geschichte auflösen würde und ob er es denn schafft, im Finale das hohe Niveau zu halten?
Wie immer aber erst ein kleiner Rückblick auf die vorherigen Sammelbände: Der depressive Student Dylan ist ein echter Versager. Er versagt sogar dabei, sich nach einer missglückten romantischen Eskapade das Leben zu nehmen. Stattdessen trifft er auf einen Dämon, der ihm ein moralisch äußerst fragwürdiges Angebot macht: Wenn er nicht jeden Monat einen Menschen tötet, wird er sterben. Nun könnte er dieses Angebot natürlich dazu nutzen, um doch endlich den herbeigesehnten Tod zu finden, aber stattdessen lässt er sich schweren Herzens auf diesen Deal ein... Um seine Taten vor sich selbst zu rechtfertigen, will er in einem Akt der Selbstjustiz nur schuldige Personen töten; beispielsweise einen Bordellbetreiber der russischen Mafia. Und so ballert er sich nun mal mehr, mal weniger gut vorbereitet durch die Unterwelt von New York, während er sich gleichzeitig mit privaten Problemen (vor allem Liebeleien) herumschlagen muss…
Nun ist es nicht so, dass Dylan sich seine Serienmörder-Karriere leicht macht. Im Gegenteil, er reflektiert seine Handlungen und seine Vergangenheit. Dabei findet er heraus, dass er den Dämon schon einmal als Kind gesehen hat, da sein Vater diesen gezeichnet hat. So schlussfolgert er, dass er sich den Dämonen-Deal vielleicht doch nur eingebildet hat, und beendet seine Tötungsserie. Tatsächlich lässt das Interesse der Cops und der Medien nach einiger Zeit nach, doch die russische Mafia vergisst nicht – Selbst, als Dylan endlich in eine Psychiatrie eingeliefert wird. Dabei könnte die Geschichte hier ein so versöhnliches Ende finden: In langwierigen Therapiestunden lernt Dylan endlich, dass ihn kein ominöser Dämon zu solch schrecklichen Taten zwingt, sondern dass er „nur“ eine sehr extremistische Vorstellung von Gerechtigkeit hat. Und als dann auch noch ein Nachahmungstäter auf frischer Tat ertappt und erschossen wird, stellt sogar die Polizei die Nachforschungen ein. Naja, nicht die ganze Polizei, denn die junge Ermittlerin Lily Sharpe kann den Fall einfach nicht loslassen und lockt damit die russische Mafia auf Dylans Spuren...
Ed Brubaker gibt den Fans der Reihe noch einmal genau das, was sie wollen und was sie an dieser Reihe so sehr lieben: Dylan entwickelt seinen bereits sehr ambivalent gezeichneten Charakter in neuerlichen depressiv-düsteren Selbstgesprächen weiter – Was ihn aber nicht davon abhält, weiterhin Selbstjustiz zu üben. Nur, dass er sich jetzt nicht mehr damit herausredet, dass er von einem Dämon dazu gezwungen wird ;-) Aber auch dieser hat nochmal seine großen Momente, ebenso wie seine Freundin Kira. Und natürlich gibt es noch einmal ordentlich brachiale Action, immerhin muss Dylan ja noch seine Russenmafia-Mission beenden... Das klingt jetzt doch recht erwartbar. Aber die Reihe wäre nicht so großartig, wenn sie den LeserInnen nicht final noch einmal einen ordentlichen WTF?-Moment spendieren würde. Ganz ehrlich, als Brubaker diesen Storytwist brachte, war mein erster Gedanke „Ed, was tust du deiner Geschichte so kurz vor Schluss an???“ und nach einigen Seiten dann „Ed, du bist ein so unfassbar genialer Autor!“ – Echt jetzt, wenn ihr diese Reihe noch nicht angefangen habt, dann lest sie jetzt sofort!
Wie immer wird der Comic von Sean Phillips und Elizabeth Breitweiser grafisch sehr düster-atmosphärisch in Szene gesetzt. Dazu hat der „Splitter Verlag“ (der mir dankenswerterweise ein Rezensionsmuster zur Verfügung stellte) wieder ein hervorragend verarbeitetes Hardcover gedruckt, dass den Preis von 24,80 € für 168 Seiten rechtfertigt.
Fazit: Der abschließende Sammelband „KILL or be KILLED #4“ (Link) beweist noch einmal eindrucksvoll, warum diese Reihe ein moderner Klassiker der Comic-Kunst ist! Und ein letztes Mal möchte ich es in die Welt hinausschreien: Ich hab selten eine Reihe erlebt, die durch das Psycho-Serienmörder-Thema so viel falsch machen könnte, aber einfach alles richtig macht!