Kai Herbertz, den ich vor knapp eineinhalb Jahren zum Indie-Interview #13 (Link) gebeten habe, ist äußerst umtriebig: Nicht nur, dass er Romane schreibt und im echten Leben als Wissenschaftler arbeitet. Nein, er ist auch noch ein talentierter Kartenspiel-Erfinder. Bisher war der Erfolg zwar noch überschaubar – das spielmechanisch gut funktionierende „Das Katastrophenspiel“ (Link) scheiterte primär an seiner Spielpräsentation und der erste „Albedo“-Kickstarter (Link) hätte auch ein paar mehr Geldgeber gebraucht – doch Kai lässt sich einfach nicht unterkriegen und versucht es im Sommer erneut. Und da wünsche ich ihm alles Gute für, denn das SciFi-Kartenspiel „Albedo“ (Link) ist in meiner Testspielgruppe trotz Einstiegsschwierigkeiten zum Instant-Klassiker aufgestiegen!
Es herrscht mal wieder Krieg in der Galaxis – Diesmal greifen aber keine fiesen Aliens an, sondern separatistische Kolonie-Gouverneure (also die SpielerInnen) wollen ihren Machtbereich militärisch ausweiten. Mit Kampfraumschiffen und Bodentruppen erobern sie nach und nach alle 14 (bei 2 – 4 SpielerInnen) beziehungsweise 21 (bei 5 – 8 SpielerInnen, dann wird jedoch ein zweites Kartenset benötigt) Planeten im Universum. Dieser Rebellionskrieg dauert oft weniger als eine Stunde und ist überraschend taktisch :-) Aber wie genau funktioniert das Spiel?
In „Albedo“ wird über sieben Runden um jeweils zwei (2 – 4 SpielerInnen) beziehungsweise drei (5 – 8 SpielerInnen) Planeten gerungen. Hierzu zieht man aus seinem persönlichen Kartenstapel verdeckt sechs Einheitenkarten, welche sowohl klassische Bodentruppen wie Panzer und Kampfroboter sein können als auch Kampfraumschiffe wie Zerstörer und Minenleger. Jede dieser Einheiten verfügt über mindestens einen Weltraum- und einen Bodenkampfwert (klassische Panzer etwa haben logischerweise einen Wert 0 im Weltraum, aber gleich Wert 5 im Bodenkampf), manche besitzen auch je nach Einsatzweck doppelte Werte (Schwere Jäger verfügen als Weltraumjäger den Wert 3 im Weltraum, aber Wert 0 im Bodenkampf. Setzt man sie stattdessen als Erdkampf-Jagdbomber ein, sinkt ihr Weltraumwert auf 2, dafür steigt der Bodenkampfwert auf 1). Diese sechs Karten müssen nun auf die zwei beziehungsweise drei in dieser Runde umkämpften Planeten verteilt werden. Dies geschieht heimlich, indem man die Karten verdeckt unter die Planeten-Nummer legt (auf dem Beispielfoto sind sie nicht darunter verdeckt, damit man besser sieht, was ich meine ;-)). Haben alle SpielerInnen ihre Karten verteilt, werden die jeweiligen Werte verglichen. Erst der Weltraumkampfwert, dieser bestimmt wer im Bodenkampf die Initiative besitzt. Wer die Weltraumschlacht gewonnen hat, darf zuerst seine Bodentruppen auf dem Planeten landen und damit entweder das Primärziel besetzen (bringt Siegpunkte), das Sekundärziel besetzen (bringt eine besonders gute neue Einheit ins eigene Kartendeck) oder das Trostpflaster… ähm das Tertiärziel angreifen (bringt entweder eine schwache neue Einheit ins eigene Kartendeck oder man darf angreifende Einheiten in Siegpunkte eintauschen). Dabei darf jedes Ziel (ausgenommen das Trostpflaster) immer nur einmal besetzt werden, sodass die Initiative-GewinnerIn die größte Auswahl hat und sich die Optionen mit absteigender Initiative immer weiter verringern. Zu beachten ist beim Bodenkampf lediglich noch, dass die angreifenden Bodentruppen stark genug sein müssen, um die Abwehr des Zielobjekts zu überwinden (hat eine Planetenhauptstadt etwa Verteidigungswert 6, kann man sie nur dann besetzen, wenn der kumulierte Bodenkampfwert der eigenen Truppen mindestens 6 beträgt).
Und im Prinzip war es das dann auch schon mit den wichtigsten Regeln. Runde für Runde werden zwei bzw. drei neue Planeten zur Eroberung ausgelegt, man verteilt seine sechs Einheiten und vergleicht dann die Werte, um die Initiative zu bestimmen und dann Zielpunkte zu besetzen. Das ist vom eigentlich Spielprinzip so simpel gehalten, dass selbst der 8jährige Sohn meines Testspielgegners problemlos mitspielen und sogar gewinnen konnte (mal unabhängig davon, ob das Weltraumkriegsthema jetzt für diese Altersgruppe geeignet ist :-P). Aber trotz der simplen Regeln sind verschiedenste Taktiken möglich – Lieber einen Planeten relativ sicher mit geballter Macht erobern oder die Truppen aufteilen? Die Einheiten mit doppelten Werten lieber für die Weltraumschlacht oder den Bodenkampf ausrüsten? Rasch möglichst viele Planeten sammeln oder erst einmal die Sekundärziele besetzen, um bessere Truppen zu rekrutieren? Oder lieber das Kartendeck ausdünnen, damit die Chance auf gute Truppen steigt und man ein paar Siegpunkte generiert?
Bisher lief jedes Testspiel anders ab und das lag weniger an den moderaten Zufallselementen der Spielmechanik als vielmehr an den verschiedenen Taktiken, mit denen wir immer wieder unsere Spielweise an die Züge des Gegners anpassten :-) Regelmechanisch ist also alles gut. Auch die Präsentation von „Albedo“ ist ein großer Schritt vorwärts im Vergleich zu Kais Vorgängerspiel „Das Katastrophenspiel“. Das Layout ist einfach, aber übersichtlich geraten und stellt die gelungenen Zeichnungen in den Vordergrund. Leider sind diese doch recht klein und durch den in der Previewversion zu dunklen Druck gehen die Details (welche man etwa gut bei den Artworks auf der Kickstarter-Seite (Link) sehen kann) etwas verloren. Das sind aber nur kleine Makel gegenüber dem 48-seitigen, zweisprachigen DIN-A7-Regelheftchen. Dort werden die Regeln leider noch umständlicher erklärt als in diesem Artikel hier :-P Aber Kai hat mir schon eine Überarbeitung bis zum Start des zweiten Kickstarter-Versuchs versprochen! Die neue Regel-PDF auf der Spielwebseite (Link) ist da schon ein Schritt in die richtige Richtung! Ansonsten war das Material von guter Qualität, sodass ich durchaus bereit wäre den angepeilte Preis von unter 20 € für 110 Karten in einer schönen Pappbox zu bezahlen. Meine Testspielgruppe und ich hatten einen weit fortgeschrittenen Prototyp als Previewversion, welcher sich von der späteren finalen Kickstarter-Version lediglich leicht in Design und Layout unterscheiden wird. Zudem soll das Feedback unserer Testspielgruppe bezüglich der Strukturierung des Regelwerks umgesetzt werden – Ich denke, mit all diesen Änderungen wird man im Sommer nicht nur ein (im jetzigen Zustand) gutes, sondern dann hervorragendes Kartenspiel kickstartern können :-D
Fazit: "Albedo" (Link) hat das Potential, eine echte Indie-Perle zu werden!