Vor genau zwei Monaten habe ich René Lamotte, den kreativen Kopf hinter "STRATAK" (STRAtegie- und TAKtikspiele), zu seinem WW2-Tabletop „Panzerschlacht“ interviewt (Link). Nun hatte ich die Gelegenheit dieses würfellose System mit freiem Maßstab intensiv auszuprobieren. Und wurde gleich mit der Tatsache konfrontiert, dass wir uns trotz historischer Sherman- und Tiger-Panzer nicht im 2. Weltkrieg befinden, sondern in der apokalyptischen Endzeit. Ob das wohl die einzige Überraschung bleiben würde? Um dieses verwirrende Szenario gleich mal aufzuklären: Natürlich ist das ein WW2-Tabletop, was auch sonst? :-P Aber der Autor erklärte mir auf Nachfrage, dass gerade aus dem familienorientierten Brettspielbereich harsche Kritik an der historischen Kriegsthematik kam. Also wurde das Szenario einfach in die Endzeit nach dem 4. Weltkrieg versetzt, hier verteidigen nun Clans ihr Revier mit aus Museen erbeuteten Ausstellungspanzern. Und damit auch ja niemand getötet wird, wurden die umgebaut, damit sie Säure verschießen welche lediglich die Panzerung wegätzt ;-) OK, ehrlich, das klingt schon ein wenig abstrus und es macht mich durchaus traurig, dass sich historische Tabletop-Spieler immer noch das Kriegsspiel-Todschlagargument um die Ohren hauen lassen müssen :-( Aber unabhängig davon, und ohne dem Text vorzugreifen, ziehen sich aus der Säure-Endzeit zwei große spielerische Vorteile: Erstens, da die Clans nicht wählerisch beim Diebstahl der Panzer sind, darf man problemlos verschiedene historische Fraktionen mischen. Und zweitens, und ich finde diesen Vorteil tatsächlich großartig, ätzen sich mit der Zeit auch kleine „Säure-Kaliber“ durch die dickste Panzerung :-) Nun aber zum eigentlichen Regelwerk: Dieses wurde von René entwickelt, um mit Modellbau-Panzern losspielen zu können. So ist es auch maßstabsfrei, das Regelwerk selbst empfiehlt 1/72 bis 1/700 (logischerweise sollten die teilnehmenden Panzer aber alle den gleichen Maßstab haben :-P). Jeder beteiligte Panzer bekommt eine eigene Einheitenkarte, welche übersichtlich die Angriffsstärke und Reichweite der Bewaffnung, die Bewegungsreichweite sowie die Panzerung angibt. Außerdem, ganz wichtig, den Kaufpreis, da man sich seine Armee frei bis zu einem vorher festgelegten Maximalpunktwert zusammenstellt. Solche, optisch ziemlich schlichten, Einheitenkarten gibt es mittlerweile für über 100 Panzermodelle. Die Basisregeln sind überaus einfach und sollten selbst absoluten Tabletop-Anfängern leicht von der Hand gehen: Nach dem Aufbau des Schlachtfeldes (inkl. Missionszielen), der Wahl der Armee (abwechselnd aus einem gemeinsamen Einheitenpool) und der Armeeaufstellung geht es schon los. Abwechselnd wird jeweils eine Einheit gezogen, die sich entweder bewegen darf oder aber schießen. Ist ein Ziel in Reichweite, wird der Schaden (welcher sich beispielsweise durch Deckung oder auch Turmdrehungen vermindert) von der getroffenen Sektion (Front, Seite, Heck) abgezogen. Mittels Schadensmarker, die jeweils an die entsprechende Seite der Einheitenkarte abgelegt werden, wird dieser Schaden visualisiert. So, und das waren die Basisregeln eigentlich schon im Schnellverfahren :-D Taktisch anspruchsvoller wird das Spiel natürlich erst durch zahlreiche Fortgeschrittenen- und Alternativregeln. Beispielsweise kann man dem Spiel einen Glücksfaktor durch die Nutzung von Würfeln geben (und dies dann auch noch optional verkomplizieren, indem man für unterschiedliche Reichweiten eine unterschiedliche Menge an Angriffswürfeln nutzen darf). Möglich sind auch unterschiedliche Bewegungskosten für verschiedene Geländetypen, differenziertere Deckungsarten (mehr Deckung = weniger Schaden) und indirekte Angriffe. Denen allen gemein ist, dass sie durchaus Rechenarbeit verlangen, bei der auch der Autor höchstselbst auf einen Taschenrechner zurückgreift :-P Zur Steigerung der Komplexität finden sich im Regelwerk weitere Optionen wie beispielsweise Erfahrungsstufen, Spionageabwehr, Trefferauswirkungen, Spezialgelände, Sonderereignisse und Fliegerregeln. Da René immer weiter fleißig dran werkelt und aktualisiert (ich schreibe hier über die 2016er Version 1.11), kommt da sicher noch mehr :-) Nun natürlich die Frage: Wie spielt sich das System denn? Um es kurz zu machen: Genau so, wie es der Autor geplant hat ;-) In der Basisversion sind die Spielregeln unglaublich rasch gelernt (ich zweifle nicht daran, dass man es – Moral mal beiseite – problemlos mit Grundschülern spielen könnte). Ein Spiel mit der Standard-Punktgröße von einer Million (entspricht ca. 3 schweren Elite-Panzern oder ca. 8 leichten bis mittleren Kanonenfutter-Panzern) ist in einer Stunde gut machbar. Die fortgeschrittene Variante mit vielen optionalen Regeln verlängert die Spielzeit, meiner Erfahrung nach, um gut und gerne das Dreifache. Spielerisch geht es generell eher gemächlich-taktisch zur Sache: Dadurch, dass man sich immer zwischen Angriff und Bewegung entscheiden muss, belauert man sich auch gern mal einige Runden lang in vermeintlich sicherer Deckung – Auch deshalb, weil die Kämpfe arg tödlich sind. Generell als gelungen habe ich das Balancing der Einheiten empfunden - wie im echten Leben auch schlagen Schussreichweite und Panzerung eine Übermacht an Kanonenfutter - lediglich offene Panzer (z.B. Sd.Kfz. 164 Jagdpanzer "Nashorn) wirken Aufgrund einer Sonderregel über spritzende Säure arg benachteiligt.. Die wichtigste Frage möchte ich im Fazit beantworten: Macht es Spaß? Kürzest mögliche Antwort: Ja! Und überraschenderweise gleichermaßen sowohl in der würfellosen Einsteigervariante (das erinnert, dank des fehlenden Glücksfaktors, irgendwie an Schach) als auch mit den komplexeren Optionalregeln. Man muss sich allerdings mit dem bedächtigen Spielgefühl anfreunden können. PS: Kaufen kann man das Regelwerk bisher nur im "STRATAK"-Verlagsshop (Link). Dort gibt es auch gute Beispiel- und Erklärvideos (Link).