Solo-Spielbücher sind ja, wenn sie nicht gerade super-innovative Spielmechaniken haben, auch immer eine emotionale Reise in die Vergangenheit. Vielleicht werden deshalb immer mal wieder Klassiker neu aufgelegt? So wie beispielsweise „Allein gegen den Frost“, welches als „Alone Against the Wendigo“ bereits 1984 erschien und nun mit neuem Titel und kultursensiblen & spielmechanischen Anpassungen neu veröffentlicht wurde. Die grundlegende Geschichte ist jedoch noch immer gleich: Als Prof. Dr. Nadelmann, wahlweise männlich oder weiblich, soll man im Auftrag der Miskatonic-Universität das sagenumwobene Tal der Nordhanninah in der kanadischen Wildnis erforschen. Gemeinsam mit drei besonders begabten Studierenden sowie einer indigenen Führerin erlebt man bei der Suche nach anthropologischem Ruhm allerlei schreckliche Abenteuer, die viel zu häufig mit Tod oder Wahnsinn enden... Was soll ich sonst noch groß über die Geschichte schreiben? Es ist halt eine Mythos-Expedition, logisch dass das kein Spaziergang wird ;-) Auch die grundlegende Spielmechanik ist altbekannt, am Ende der allermeisten Spielbuchabschnitte (insgesamt stattliche 655) bekommt man mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Auswahl. Die Handlung, die man dann auswählt, führt zum nächsten Abschnitt, an welchem man dann erneut eine Entscheidung treffen muss. Gelegentlich bedarf es stattdessen Würfelproben der Charaktere oder einfache Zufallswürfe, um den nächsten Abschnitt auszuwählen. Spielerisch interessant ist dabei, dass man zwar Prof. Dr. Nadelmann verkörpert, man jedoch bei bestimmten Fähigkeitsproben oder auch der Schadensverteilung auf die Expeditionsgruppe zugreifen darf. So kommt die Wildnisführerin Charlie etwa besonders gut in der Wildnis zurecht, während der Student Norman der beste Nahkämpfer ist. Auch wenn die Charaktertiefe eher gering ist, schmerzt es letztlich sehr, wenn man im Verlauf der vielen kleinen Abenteuer ein oder mehrere Gruppenmitglieder verliert. Und das passiert ziemlich häufig, denn es gibt schon zahlreiche überaus fiese (ich möchte fast schreiben „zufällig wirkende“, "arg willkürliche" oder „nicht vorhersehbare“) Abschnitte: Einmal schlecht gewürfelt, zack hat irgendwer den Kopf verloren. Einmal zu mutig oder neugierig gewesen, zack ist jemand verschwunden oder wahnsinnig. Einmal zu vorsichtig agiert, zack ist man durch und hat nichts erlebt... Denn ja, man kann mit guten Würfelwürfen und sehr vorsichtigem Vorgehen tatsächlich lebend und geistig stabil aus dem Abenteuer herauskommen, aber dann hat man irgendwie kein Abenteuer erlebt :-P Denn „Allein gegen den Frost“ wirkt weniger wie eine durchkomponierte Geschichte als vielmehr wie eine Aneinanderreihung von Zufallsereignissen mit Mythos-Bezug. Man KANN ein Menschenopfer verhindern, man KANN ein prähistorisches Tal finden, man KANN von Außerirdischen entführt werden, man KANN zur Königin der Puk-Woogie werden – Aber letztlich sind das für sich alleinstehende Ereignisse, die (wenn man dadurch nicht gestorben ist) spielmechanisch nach zwei, drei weiteren Abschnitten bereits wieder vergessen sind, wenn das nächste Ereignis startet :-( Wirklich relevant ist am Ende lediglich, wie viele bedeutende Entdeckungen man gemacht hat und wie viele Gruppenmitglieder noch übrig sind. Davon hängt letztlich die Bewertung der Expedition ab, man kann im besten Fall etwa ein Wissenschaftsweltstar werden und im schlechtesten Fall als Mythos-Spinner im Knast landen. Nichtsdestotrotz hat „Allein gegen den Frost“, für welches man neben Stift, Papier & Würfel auch das Grundregelwerk benötigt, natürlich seine Daseinsberechtigung. Besser als vergleichbare Mythos-Spielbücher (z.B. die „Choose Cthulhu“-Reihe (Link)) ist es allemal :-) Und bei dem grandiosen Preis-/Leistungsverhältnis von 9,95 €, welches „Pegasus Press“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) für 108 Seiten beziehungsweise 655 Abschnitte verlangt, kann man als Mythos-Fan auch echt nix falsch machen! Fazit: „Cthulhu: Allein gegen den Frost“ (Link) bietet einen unterhaltsamen, aber teils arg zufällig und willkürlich wirkenden Ausflug in die nordamerikanische Mythos-Welt.