Es ist mitunter eine ziemlich heikle Angelegenheit, wenn man das 3. Reich in Comics thematisieren möchte. Zumindest, wenn man fernab von pädagogischen Werken oder Biografien agiert. „Bunte Dimensionen“ bietet hier vielfältige Reihen, die sich diesem Thema auf unterschiedlichste Art und Weise nähern: Von einer quasi nüchternen, wertneutralen Betrachtung des Soldatenlebens (“Die verlorene Armee“ (Link)) über trashigen, aber humorvollen Spionage-Pulp (“Spynest“ (Link)) bis hin zu patriotischem Zynismus (“Die Eisendivisionen“ (Link), „Das Erbe des Teufels“ (Link)) ist nahezu jede Geschmacksrichtung im Portfolio des kleinen Augsburger Verlags enthalten. All diesen Comic-Serien ist gemein, dass sie doch halbwegs eindeutig einer Genre-Richtung zugeordnet werden können. Deshalb sticht die seltsam uneindeutige Trilogie „Im Auge des Dobermanns“ aus der Masse heraus – Positiv oder negativ?
1. Oktober 1918: Der mit einer schicksalshaften Vorahnung gesegnete Soldat Arno Ixks rettet seinem Vorgesetzten das Leben. Eine eigentlich noble Tat, die jedoch katastrophale Auswirkungen haben wird: Denn der Gerettete ist Adolf Hitler. 20 Jahre später annektieren dessen Truppen Österreich. Dorthin hatte sich Ixks, mittlerweile ein renommierter Archäologie-Professor, zurückgezogen. Nun muss er sich dem neuen Machthaber unterwerfen, der sogleich einen streng geheimen Auftrag für ihn hat: Zu Ehren des Teufels (Link) soll er mit der NS-Organisation „Ahnenerbe“ in den Himalaya reisen, um dort Beweise für die Überlegenheit der arischen Rasse zu finden.
2. Im Mittelteil Der Schatten des Hundes (Link) setzen der Archäologe Arno Ixks und seine SS-Aufpasserin Palden ihre abenteuerliche Reise fort. Dabei erleben sie immer neue Abenteuer, in denen sie gegen blutrünstige Beduinen, britische Spione und magische Katzen kämpfen müssen. Letztlich machen sie die alles entscheidende Entdeckung – Die Hitler und seinen Schergen aber nicht gefallen dürfte...
3. Im Abschlussband Die Fratze des alten Affen (Link) versuchen Ixks und Palden ihr neu entdecktes Geheimnis vor den Nazis zu verbergen. Das klappt nicht wirklich, aber immerhin kann Ixks in die USA fliehen. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer, soll er doch für einen diplomatischen Auftrag zurück in 3. Reich reisen, um Hitler eine kriegsentscheidende Nachricht zu überbringen...
Ich habe es ja schon in der Einleitung geschrieben: Ich tue mich ein wenig schwer damit, die „Im Auge des Dobermanns“-Trilogie irgendwie einzuordnen. Denn wir haben hier von jedem Genre so ein paar Zutaten, aber wirklich hervor sticht nix. Da gibt es etwa klassische Kriegsszenen, aber auch Spionage & Intrigen, politischen Terror (gerade die KZ-Szenen im dritten Band sind verstörend), heldenhafte „Indiana Jones“-Elemente, ganz viel Esoterik-Geschwafel und Mystik-Elemente sowie einen dicken Batzen Trash & Pulp... Nun könnte ich hier mit der altbackenen Formulierung „Viele Köche verderben den Brei“ kommen, wobei Köche hier eine Metapher für Genre-Elemente sind, aber stattdessen denke ich zurück an meine Jugend. Da gab es nach jeder Party die sogenannte „Quintessenz“: Alles, was am Ende irgendwo noch rumstand, wurde miteinander vermischt. Das Ergebnis war dann entweder ganz und gar großartig, oder aber total abartig... Ich habe das Gefühl, ich tendiere hier eher zu negativeren Auslegung. Und ich möchte auch gern begründen, wie ich dazu komme: Wir verfolgen in dieser Trilogie die Abenteuer des übernatürlich begabten Archäologie-Professors Ixks, der von Hitler gezwungen wird, die Überlegenheit der Herrenrasse zu beweisen. Das findet er als überzeugter Antifaschist zwar gar nicht gut, aber die Druckmittel sind doch erheblich. Soweit, so gut. Doch dann irrt Ixks trotz übernatürlicher Vorahnung und einem offensichtlich hohem Intelligenzquotient so überraschend naiv und rumpelig durch die rasch von Ort zu Ort springende Handlung, dass man sich durchaus fragt, wie er im Terrorregime des 3. Reichs so lange frei herumlaufen kann... Das ist dann auch tatsächlich das große Pfund des Auftaktbandes: Die düstere, hoffnungslose Atmosphäre und die ständige Repression im frisch annektierten Wien und später im SS-Ausbildungslager sind quasi mit den Händen greifbar... Ganz im Gegensatz zur zweiten Hauptfigur Palden, einer ebenfalls übernatürlich begabten SS-Tibeterin, welche sich auf quasi unerklärliche Weise von der Schurkin zum Love-Interest der Hauptfigur wandelt. Ihre Figur ist einfach nicht greifbar, der fast schon an schlechte Wrestling-Storylines erinnernde Wandel von der fiesen SS-Domina zur Tibet-Tempelverteidigerin wirkt vom Autorenduo Cothias & Ordas zu sehr gewollt. Auch wirkt die Erzählgeschwindigkeit uneinheitlich: Nach einem noch wirklich guten Auftaktband, der sich für die Etablierung des Settings die notwendige Zeit nimmt, kommt ein stark gehetzter Mittelteil, der quasi von Ereignis zu Ereignis springt. Das eigentliche Finale kommt dann bereits in der ersten Hälfte des Abschlussbandes, bevor die Autoren nochmal ein rührseliges „Held rettet fast im Alleingang KZ-Insassen aus Feindesland“-Miniabenteuer dranpappen... Vielleicht hätte es tatsächlich als OneShot-SpinOff getaugt, aber eben nicht als quasi Bonusgeschichte, die eher eher mittelprächtig mit der Hauptstory verbunden ist. Zudem gibt es teils offensichtliche Logiklöcher und historische Ungenauigkeiten – Andererseits ist das eine Comic-Trilogie mit magisch begabten ProtagonistInnen, da fällt das nicht so stark ins Gewicht ;-) Im Endeffekt ärgere ich mich wirklich sehr über die vielen kleinen, manchmal auch großen Schwächen der Reihe. Gerade dank der technisch guten Zeichnungen kam hier eine oft dichte, düstere Atmosphäre auf; und eigentlich ist die Grundidee der Geschichte gar nicht mal so übel – Daraus hätte man ne tolle Comic-Serie machen können... Immerhin passt wieder mal die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt haben), welche für jeweils 48 Seiten im Hardcover je 14 € verlangen. Fazit: „Im Auge des Dobermanns“ (Link) verfügt über zahlreiche Zutaten, die für sich genommen alle ganz gut funktionieren – In ihrer Gesamtheit kommt aber nur ein mittelprächtiger Mischmasch heraus. Wirklich schade, denn der atmosphärisch dichte, sehr bedrückende Auftaktband versprach spannende Genre-Kost :-(
Tags