Zu den besten Comic-Serien, die der kleine Augsburger Verlag „Bunte Dimensionen“ im Programm hat, gehört zweifelsohne die Cyberpunk-Reihe „Travis“. Also zumindest der 1. Zyklus „Die Cybernetiker“ (Link), der mich vor ziemlich genau zwei Jahren begeistern konnte ;-) Nun also habe ich den 2. Zyklus vor mir, der die Bände 6.1, 6.2 und 7 umfasst und eine dystopische Gentrifizierungsgeschichte erzählt. Na mal schauen, ich wieder so begeistert sein werde...
6.1 Der mittlerweile schon betagte Weltraumveteran Terry Flint nimmt seinen altersbedingten Abschied von der internationalen Weltraumstation Nobel. Travis erklärt sich freimütig bereit, ihn zur Erde zu fliegen – Nicht ohne Hintergedanken, will er Terry doch mit seinem Vater versöhnen. Sie schaffen es aber gerade mal bis zum Raumflughafen, da fällt ihnen schon die junge Hausbesetzerin Mary-Kate vor die Füße, die gerade von einem Privatdetektiv nebst Cyborg-Sidekick verfolgt wird. Denn sie ist die Rädelsführerin einer ganzen Gruppe widerspenstiger HausbesetzerInnen – darunter auch Terrys Vater – welche Die Eichenhain-Siedlung (Link) besetzt haben. Nicht, dass es sich dabei eh um abrissreife Bruchbuden handeln würde, aber schon aus Prinzip ist man gegen das illegale Abriss- und Neubebauungsvorhaben des Vitruvia-Konzerns, der auch vor dem Einsatz schwer bewaffneter Spezialeinheiten nicht zurück schreckt...
6.2 Zeitgleich (deswegen die seltsame Nummerierung in 6.1 und 6.2.) haben der ehemalige Terrorist Vlad Nyrki (Antagonist im 1. Zyklus) und der kriminelle Hacker Pacman ganz eigene Probleme: Einerseits leiden sie beide unter einer Sucht nach sehr teuren Nanomaschinen (deren Entzug den Tod bedeuten würde), andererseits werden sie plötzlich von einem Killerkommando durch das von einem schweren Erdbeben gezeichnete Istanbul gehetzt... Vlad versucht die Hintergründe herauszufinden – Es scheint irgendetwas mit dem Vitruvia-Konzern zu tun zu haben, der im Topkapi (Link) residiert.
7. Während die baufällige Eichenhain-Siedlung immer noch von Vitruvias Spezialeinheiten belagert wird und Travis den Widerstand organisiert, reist ihm sein ehemaliger Erzfeind Vlad hinterher. Von einem gemeinsamen Feind wird er dazu erpresst, einen hochrangigen Politiker umzubringen, welcher dem Siedlungsabriss durch einen neuen Bauroboter-Prototypen namens Tarantula (Link) beiwohnen will. Nur leider lässt dieser sich ziemlich leicht hacken und für andere Dinge missbrauchen ;-)Auch mit dem zweiten Zyklus hat der Autor Fred Duval es wieder geschafft, mich zum „Binge Reading“ zu motivieren :-) Daher, ich wollte die drei Bände eigentlich nach und nach lesen, doch letztlich musste ich sie am Stück durchsuchten. Denn die dystopische Geschichte rund um die Gentrifizierung durch machtbesessene Großkonzerne ist mal wieder ziemlich spannend – Auch wenn es diesmal wesentlich weniger episch zugeht als im 1. Zyklus. Denn klar, eine baufällige Siedlung abzureißen ist halt wesentlich unspektakulärer als der globale Krieg zweier Großkonzerne, bei dem eine verrückt gewordene KI mitmischt ;-) Aber das soll keinesfalls eine Kritik sein, ich mochte dieses geerdete Szenario sehr gern. Und Duval teasert hier eine zweite, typisch cyberpunkige Plot-Ebene an, welche man fast schon als Metapher auf die tagesaktuelle Politik interpretieren muss (wenn die Reihe nicht schon einige Jahre auf den Buckel hätte :-P). Ich vermute mal, dass diese als Ausgangspunkt für den dritten Zyklus „Vitruvia“ dienen wird, welchen ich in absehbarer Zeit rezensieren werde. Mir kam beim Lesen der Eindruck, als wäre der zweite Zyklus ein typischer Mittelteil, der das dystopische Szenario auf den dritten Zyklus vorbereiten soll (insbesonders im Sinne von neuen Figurenkonstellationen, aber auch durch die Fortführung des Meta-Plots). Nichtsdestotrotz funktionieren diese drei Comic-Bände, die „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten) erneut als 48-seitige Hardcover für je 14 € publizierte, auch relativ problemlos als alleinstehender Zyklus (wenn man auch zumindest grob „Die Cybernetiker“ kennen sollte). Fazit: Die Bände 6.1, 6.2 & 7 der „Travis“-Reihe (Link) haben ein ganz anderes, wesentlich bodenständigeres Feeling – Zumindest, wenn man den zweiten Zyklus nicht als Mittelteil betrachtet, sondern für sich genommen als alleinstehend. Nichtsdestotrotz hatte ich wieder viel Lesefreude, sodass ich jedem Cyberpunk-Fans gerne ans Herz legen möchte, mal in die Serie hineinzuschnuppern :-) Achtung, „Binge Reading“-Gefahr ;-)