Vor knapp einer Woche habe ich den nagelneuen Comic "Zombies in der großen Hoffnung" (Link) von Renatus Töpke rezensiert. Der ist nicht nur Comic-Autor, sondern schreibt auch Drehbücher. Wie ähnlich oder verschieden die Arbeit an Comics und Drehbüchern ist, verrät er exklusiv im Interview. Zudem berichtet er, wie lang und steinig der Weg war, bevor der das fertige Buch in seinen Händen halten konnte. Hallo Renatus, stell Dich doch bitte erst einmal den Bloglesenden .
"Hi Philipp, ich bin 46 und arbeite als Drehbuchautor, Texter, Creativ Producer und Konzepter von Wiesbaden aus. Außerdem betreue ich bei einem Marketingunternehmen die Videoproduktionen. In den letzten Jahren kamen von mir die Heavy Metal-Malbücher beim Andreas Reiffer Verlag raus. Nächstes Jahr wird das Buch ‚Rock.Musik.Filme‘ erscheinen."
Nun bist Du ja hier, um über Deinen Comic „Zombies in der Großen Hoffnung“ zu sprechen. Ich will Dir in dem Zusammenhang aber auch ein paar allgemeine Fragen zu Zombies stellen. Daher natürlich die erste Frage: Kannst Du uns mal durch die Geschichte des Zombies führen? Oder noch grundlegender: Was sind Zombies überhaupt?
"Gehört das mittlerweile nicht zum Basiswissen, gerade bei Nerds? Hahaha :-D Ich find es ja faszinierend, dass der Zombie so im Mainstream angekommen ist. Mal ehrlich; hättest Du George A. Romero, also dem Zombie-Erfinder, in den 80ern oder 90ern erzählt, dass mal Genrefilme produziert werden, die hunderte Millionen kosten, wie "World War Z" oder "Army of the Dead", hätte er laut gelacht. Vor allem, weil er für seine Projekte ja immer Klinken putzen musste. Zur Frage: Ich beschränke mich auf die Filme. Die Geschichte hier geht wohl auf "Ich folgte einem Zombie" von Anfang der 40er zurück. Früher wurden ja Zombies noch durch Voodoo gesteuert. Erst mit Romero und seinen Dead-Filmen, also "Night Of The Living Dead" und "Dawn Of The Dead", wurde der Zombie so, wie wir ihn heute kennen. Damit meine ich jetzt nicht die ‚Infizierten‘ wie aus "28 Days later" oder "The Crazies", die ja eher krank sind. Was Zombies sind, hängt wohl vom jeweiligen Film ab. Also bei den klassischen Filmen wie etwa "Dawn Of The Dead" sind es Tote, die zum Leben erwachen und die Lebenden fressen wollen. Wirst Du gebissen, wirst Du zu einem von ihnen. Wie bei den Borg in "Star Trek", nur anders, haha. Bei den Infizierten ist es so, dass sie beißen, aber nicht zwangsläufig fressen. Sie wollen infizieren. Meist sind das auch die Schnellen, während der klassische Zombie schlurft ist."
Wir hatten ja in den letzten zwei Jahrzehnten eine kleinen Zombie-Hype mit etwa der wahnsinnig erfolgreichen Comic-Reihe „The Walking Dead“ und deren Verfilmung; selbst in diesem Jahr gab es mit „Army of the Dead“ einen millionenschweren Netflix-Blockbuster, obwohl der Hype mittlerweile wieder etwas abgeflacht ist.
"Abgeflacht ist eher die Qualität von „The Walking Dead“. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie man so eine starke Marke so rigoros an die Wand fahren kann. Sie hätten Frank Darabont nicht vom Platz jagen sollen. Egal, ich finde, der Hype existiert nach wie vor, hat sich nur beruhigt. Allein von „The Walking Dead“ wurden mehrere Filme und Nebenserien angekündigt."
Was macht eigentlich den Reiz von Zombies aus?
"Den Reiz von Zombieszenarios macht wohl aus, dass man dieses komplette Was-würde-ich-tun-Szenario durchexerzieren kann. Darin gehen viele Fans auf, glaub ich. Dann der pure Eskapismus, wie bei jeder Serie oder jedem Film. Und ganz wichtig: die Idee eines Resets."
Was meinst du mit Reset?
"Die Vorstellung, dass sich alle Deine Sorgen und Probleme mit einem Schlag in Luft auflösen. Scheißjob, Schulden, Scheidung; alles spielt plötzlich keine Rolle mehr. Du hast nur noch ein Problem: überleben. Was Du mal warst, welchen Status Du hattest, ist egal."
Und da es so viele verschiedene Zombie-Werke gibt: Lieber schnelle oder langsame Zombies?
"Kommt auf die Geschichte an. Solange es zur Story passt, kann ich beidem was abgewinnen. Der originale "Dawn Of The Dead" gefällt mir sehr gut. Allein die Musik von Goblin… Das schnelle Remake gefällt mir auch. Beides hat seine Berechtigung. Bei langsamen Zombies hast du halt die Gefahr der Masse und des ständigen Nachrücken. Das wird schön im "World War Z"-Buch deutlich, wenn es um die Schlacht von Yonkers geht. Man, daraus könnten sie so eine geile Serie machen… Das Buch ist wirklich gut. Der Film hat dann ja eher wenig mit langsamen Zombies zu tun, haha. Klar, viele hassen den Film, aber ich freu mich einfach über das epische Dicke-Hose-Spektakel."
Und der Vorwurf, dass es da zu wenig Blut gab?
"Ein Film wie "World War Z" muss ja auch seine Kohle wieder reinholen. Das schaffst Du nicht mit ein paar Zombiefans. Da musst Du die Masse erreichen und das geht nicht mit Splatter. Aber ich brauch keine literweise Blut und Eingeweide, um mich zu unterhalten. Bei einem Peter Jackson und seinem "Braindead" ist das Teil des Konzepts das Ausmaß an absurder Gewalt und hunderten Litern Blut."
In die Reihe der Zombie-Titel reiht sich ja nun auch dein neuer Comic „Zombies in der Großen Hoffnung“ ein. Worum geht’s überhaupt?
"Die Geschichte spielt in einer Nacht und es geht es um eine Jugendgang, die in ihrem Block oder Ghetto Leute ausraubt und Drogen vertickt. Sonderlich beliebt sind sie auch nicht, weil sie halt Unruhestifter sind. Als sie versuchen, die Nachbarn zu warnen, werden sie ignoriert oder weggescheucht, weil man von ihnen eh nix Gutes erwartet. Plötzlich strömen unzählige Zombies aus der Stadt in Richtung ihres Hochhauses und die Jungs müssen um ihr Leben kämpfen. In einer Zweckgemeinschaft mit ihrem letzten Überfallopfer Mel versuchen sie dann zu überleben. Im Grunde geht es um Zusammenhalt und Freundschaft. Und Zombies."
Und wie kamst Du auf die Idee?
"Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich die Optik von solchen Betonklötzen mag und Lust hatte, eine Genregeschichte in so einem begrenzten Raum zu erzählen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass es bei vielen Comics immer wieder Leerlauf gibt. Also Seiten, auf denen nur geredet wird. Viele werden dass anders sehen, was auch ok ist. Aber ich ertappe mich bei solch seitenlangen Dialogen oft dabei, wie ich vorblätter. Und ich wollte eine schnelle Genregeschichte erzählen, die auf den Punkt kommt. Du hast in Deiner Kritik ja geschrieben, dass die Charaktere für Dich austauschbare Opfer sind. Das sehe ich natürlich etwas anders, muss Dir aber auch gleichzeitig recht geben. Bei der Gang um Riaz hat ja jeder seinen Moment bekommen und das reicht für die Geschichte. Und wie gesagt: Es sollte schnell auf den Punkt sein. Ohne viel Palaver, von Seite 1 an. Bei Mel ist dieser Moment etwas untergegangen, obwohl das Buch mit ihr beginnt. Aber irgendwann muss man zum Ende kommen. Ich konnte meinem tollen Zeichner Roland auch nicht kurz Schluss noch mehr Seiten abverlangen. Du darfst nicht vergessen, was das für ne Arbeit ist, über 90 Seiten zu scribbeln und dann auch zu inken. Dann muss ja auch noch gelettert werden, also Sprechblasen anpassen und mit Text versehen."
Und die naheliegende Folgefrage: Oft wird die deutsche Comic-Szene ja als wirtschaftlich eher schwachbrünstig wahrgenommen. Wie schwer war es, einen Verlag zu finden und wie lief die Zusammenarbeit?
"Das Schwierigste war, einen Künstler zu finden, der Zeit, Lust und Ausdauer hat. Erst mit Roland ging es voran. Wir haben ja schon 2017 miteinander an der Geschichte gearbeitet. Dann musste er aussteigen, weil er es mit dem day job nicht mehr unter einen Hut bringen konnte. Ich hab dann mit einem anderen Künstler von vorne begonnen. Dann stieg der irgendwann aus – auch aus Zeitgründen. Über ein anderes Projekt kam ich wieder mit Roland zusammen und daraus wurde das überarbeitete „Zombies in der Großen Hoffnung“."
Im „echten“ Leben bist Du ja Drehbuchautor: Hat der Verlag Dir oder dem Zeichner reingeredet oder konntest Du Deine Vision 1:1 umsetzen?
"Der Verlag hat nicht reingeredet. Das wäre aber auch ok gewesen, wenn was gekommen wäre. Ich bin da sehr offen und höre mir alles gern an. Das Entscheidende ist wohl, was man daraus macht. Hier hab ich auch Roland machen lassen und nur bei bestimmten Ereignissen detailliert Vorgaben gemacht. Manchmal habe ich eine Skizze gezeichnet, um was zu veranschaulichen. Da war aber von vorneherein klar: Du bist der Zeichner, ich bin der Mann des Wortes, hahaha. Rolands Arbeit hat das Projekt noch mal auf ein neues Niveau gehoben! Am Schluss gab es dann zwei, drei Korrekturrunden und das Lektorat vom Verlag. Eine bessere Zusammenarbeit hätte ich mir nicht wünschen können und Roland hoffentlich auch nicht."
Comics genauso wie Filme sind ein eher visuelles Medium, fiel es Dir als Drehbuchautor daher eher leicht oder schwer einen Comic zu entwerfen?
"Ein Drehbuch ist viel komplexer als ein Comic. Beim Comic schreibt man ökonomischer und komprimierter. Du hast ja nur ein paar Seiten und die sind schnell voll. Und Du kannst der Phantasie freien Lauf lassen; eine Massenszene kostet auf dem Papier nicht mehr als ein Szene in einem Zimmer. Beim Film ist das ne andere Hausnummer. Wenn Du da sagst, dass es in der Szene regnen soll, kostet das gleich mal 30.000 Euro pro Drehtag"
Nun habe ich ja bereits eine Rezension zu „Zombies in der Großen Hoffnung“ geschrieben, in der ich mich durchaus angetan zeigte, aber auch Kritikpunkte hatte. Jetzt darfst Du hier exklusiv die Möglichkeit nutzen um mir zu sagen, was ich alles komplett falsch verstanden hab ;-)
"Hahaha, wie gesagt soll „Zombies in der Großen Hoffnung“ Popcorn-Unterhaltung sein. Kein Leerlauf, immer vorwärts. Ich habe jetzt mit einigem Abstand noch mal durchgeblättert – seit der Abgabe der Druckdaten ist ja auch etwas Zeit vergangen – und muss sagen, dass ich das alles noch immer sehr mag. Natürlich findet man immer was, was man ändern würde. Das geht, glaub ich, den meisten so, die schreiben oder zeichnen oder Filme machen. Deswegen Deadlines! Ohne würde ich jeden Tag etwas ändern. Eine Deadline zwingt Dich, zum Ende zu kommen und finale Entscheidungen zu treffen."
Wie wird es denn nun weitergehen? Das Ende des Comics hat zwar keinen Cliffhanger, lässt aber die Möglichkeit für eine Fortsetzung offen.
"Geplant ist nichts. Es endet ja auch eher konsequent, haha. Aber wenn Bedarf besteht, gern. Auf unserer Facebook-Seite (Link) bleibt jeder auf dem Laufenden. Auch was andere Comicprojekte angeht."
Vielen Dank für das Interview :-)
"Darf ich noch was sagen? Support your local Dealer! Kauft wenn möglich eure Comics im Comicshop vor Ort oder bestellt sie im Buchladen. "
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