Es ist noch gar nicht so lange her, da schieb ich in der Rezension (Link) zum preisgekrönten „Arcanes #5 Der Zirkel von Patmos 2/2“ (Link) folgende Worte: „Stärker als noch in den vorherigen Bänden wird hier, um die Handlung vollkommen zu verstehen, auch Bezug genommen auf die ebenfalls bei „Bunte Dimensionen“ erschienene Comic-Reihe „Die Macht der Archonten“.“ – Nun hatte ich über die Weihnachtstage die Gelegenheit, mir alle sieben auf Deutsch erschienenen Bände (entspricht dem kompletten 1. Zyklus, im französischen Original gibt es bereits 34 Bände (Link)) zu Gemüte zu führen. „Die Macht der Archonten“ bietet eine sich über Jahrtausende erstreckende Alternativ-Geschichte, bei der die vier Geschwister Dyo (Kelch), Reka (Lanze), Aker (Schwert) und Erlin (Schild) mittels mächtiger Magietafeln das Weltgeschehen beeinflussen.
1. Naja, manchmal scheinen die Tafeln aber Ladehemmung zu haben, sonst würde es eine Bande Neandertaler wohl kaum schaffen, im Auftaktband Genesis (Link) das jungsteinzeitliche Dorf der Protagonisten zu verwüsten. Dabei kommt der Dorfschamane zu Tode, vorher schafft er es aber noch jedem seiner vier Enkel eine seiner vier Tafeln zu überreichen mit der dringlichen Warnung, sie niemals zusammen zu nutzen. Denn damit könnte die Welt vernichtet werden – Na und nun ratet mal, was die vier Kinder gleich mal ausprobieren ;-) Die Erde wird verwüstet, die Neandertaler sterben aus, aber die dank den Tafeln fast schon gottgleichen vier Archonten überleben und haben mehr als genug Zeit, um sich zu zerstreiten :-P Nach fast zwei Jahrtausenden stehen sich die Geschwister nun beim großen Konflikt zwischen Moses und dem Pharao gegenüber…
2. Über zwei Jahrtausende später geht die Geschichte in Der Palast der Djinn (Link) mit den Kreuzzügen weiter. Irgendwo im Heiligen Land soll sich der Heilige Gral befinden, welcher nichts anderes ist als die im Auftaktband von Dyo verlorene und von Moses für seine Wunder eingesetzte Tafel. Die Kreuzritter, hier stellvertretend der gerade aus seiner Gefangenschaft freigekaufte Rainald von Châtillon, wollen den Gral finden, geraten dabei aber zwischen die Fronten der verfeindeten Archonten-Geschwister.
3. Tja, da lagen die Kreuzritter wohl falsch, denn Der Gral von Montségur (Link) befindet sich stattdessen in einem verzauberten französischen Wald. Reka gründet die Heilige Inquisition, um sich mit ihrer des Grals zu bemächtigen. Währenddessen müssen die anderen Archonten neue Zweckbündnisse schließen, als ein fünfter Archont auftaucht, der den Tafeln ebenbürtige Karten herstellt.
4. Mittlerweile sind wir im 15. Jahrhundert angelangt. Reka ist mit dem Papst im Bunde und scheint über ihre Geschwister zu triumphieren, während Aker Nachforschungen über den fünften Archonten anstellt. Der Kampf um die Engelsburg (Link) bringt die Geschwister dabei näher, als ihnen lieb ist.
5. 1666 (Link) sind die Archonten und ihre Fähigkeiten gar nicht mehr so geheim, ihre Anhänger kämpfen mehr oder weniger offen gegeneinander. Beispielsweise auch der junge Isaac Newton, der für Erlin und seine Getreuen ein Strahlengewehr entwickelt. Und das braucht man auch, denn in London treiben unheimliche Kreaturen ihr Unwesen. Logisch, dass es sich nicht um eine simple Mordserie handelt – Und logisch, dass die wieder mal Zweckbündnisse schließenden Archonten dabei die halbe Stadt in Schutt und Asche legen ;-)
6. Im Zeitalter der Aufklärung sind die Archonten ziemlich in Vergessenheit geraten. Napoleon Bonaparte führt seine Truppen in Der Adler und die Sphinx (Link) von Sieg zu Sieg, doch wird rasch klar, dass sein Erfolg lediglich auf einem unheilvollen Bündnis beruht.
7. Der Zyklus-Abschlussband Unsere Liebe Frau der Finsternis (Link) macht noch einmal einen knapp 100jährigen Zeitsprung mitten in den 1. Weltkrieg. Wieder müssen sich Aker, Erlin und Reka verbünden, um nicht unterzugehen. Denn natürlich ist dieser Weltkrieg Teil eines großen Plans von Dyo und finsterer Okkultismus-Mächte…
Vielleicht mal das Positive vorweg: Die oft dynamischen Zeichnungen sind trotz wechselnder Illustratoren und Koloristen gut gelungen, außerdem kommt trotz teils großer Textmengen wenig Leerlauf auf. Und man merkt durchaus, dass der Autor Jean-Pierre Pécau viel recherchiert hat, um dann die Weltgeschichte im Rahmen der künstlerischen Freiheit zurechtzubiegen. So, mehr Positives will mir einfach nicht einfallen, denn um ehrlich zu sein finde ich „Die Macht der Archonten“ bestenfalls mittelmäßig, tendenziell sogar eher mau. Das liegt zum einen an den vier Hauptfiguren, die selbst nach sieben Bänden kaum charakterisiert wurden. Eigentlich sind sie sogar irgendwie austauschbar, weil sie sich auch komplett ähnlich verhalten und nur wenig Individualität aufweisen. Was treibt sie an? Warum sind sie so geworden? Warum handeln sie so, wie sie handeln? Haben sie überhaupt eine Agenda oder sind sie einfach nur opportunistisch? Und wie soll ich mit einer oder mehreren Figuren mitfiebern, wenn sie mir so dermaßen egal sind? Der 1. Zyklus hat zudem auch noch die üblichen, ja fast schon als typisch zu bezeichnenden Probleme einer über lange Zeitspannen handelnden Alternativgeschichts-Reihe, wie sie beispielsweise auch „Roma“ (Link) hat: Jeder einzelne Band verfügt über eigene Geschichten mit eigenen Figuren, welche sich aufgrund des geringen Umfangs (jeweils 48 Seiten) kaum entfalten können – Wobei das sicherlich eh verlorene Liebesmüh wär, denn spätestens zu Beginn des nächsten Bandes sind eh alle Nebenfiguren an Altersschwäche gestorben ;-) Zudem hat man mehrfach das Gefühl, als wolle der Autor möglichst viele historische Ereignisse und Figuren in die Geschichte hineinzwängen, was dem Erzählfluss und generell dem Verständnis nicht immer guttut. Fazit: Ich bin also nicht vom 1. „Die Macht der Archonten“-Zyklus (Link) überzeugt, kann mir aber doch vorstellen, dass Genre-Fans (gerade auch wegen der gefälligen Zeichnungen) ihre Freude daran haben könnten. Wer sich die Comics vom renommierten Kleinverlag "Bunte Dimensionen" (welcher mir dankenswerterweise z.T. Rezensionsmuster zur Verfügung stellte) also zulegen möchte, muss für jeweils 48 Seiten in qualitativ gut gedruckten Hardcovern faire 13 – 14 € ausgeben.
Tags