Wenn eine Comic-Reihe gleich vier Nominierungen für die renommierten „Eisner Awards“ erhält, dann darf man da schon mit hohen Erwartungen rangehen :-) Und tatsächlich: „KILL or be KILLED“ vom vielfach preisgekrönten Comic-Autor Ed Brubaker schafft es tatsächlich, aus einem eigentlich simplen Selbstjustiz-Drama (Töten oder getötet werden – wie es der Titel schon verrät) ein spannendes Psychogramm eines depressiven Versagers und seiner unglückseligen Liebesaffäre zu machen. Schwierige Kost, aber lohnenswert! Der 28 Jahre alte, depressive Student Dylan führt ein echtes Versagerleben: Sein Studium kommt nicht recht voran, viele soziale Kontakte hat er auch nicht und seine Geliebte Kira betrügt ihren Freund nur deshalb mit ihm, weil sie Mitleid mit im hat. Also wirklich ein echtes Versagerleben, dem Dylan mit einem Sprung vom sechsten Stock seines Wohnhauses ein jähes Ende bereiten will. Aber selbst das kriegt er nicht! Statt dem erlösenden Tod wird er quicklebendig von einem Dämon erwartet, der ihm die neuen Regeln seines Lebens diktiert: Entweder tötet er ab jetzt jeden Monat eine Person oder er muss selbst dran glauben... Der erste Sammelband dieser Comic-Reihe, welcher vier Bände umfasst, erzählt den Werdegang Dylans von der Zeit vor seinem Selbstmord bis hin zu seinen ersten beiden Morden. Dabei gelingt es dem Autor Ed Brubaker überraschend gut, das Verhalten seines depressiven Protagonisten glaubwürdig darzustellen. Seine Gedankengänge sind durchaus nachvollziehbar: So denkt er anfangs noch ganz rational, dass er sich diesen dämonischen Pakt nur eingebildet hat. Und als er die Realität dann doch schweren Herzens akzeptiert (wobei nie ganz klar wird, ob er sich das nicht doch einbildet), will er nur böse Menschen töten, um die Morde vor sich selbst zu rechtfertigen. Aber mit welchem Recht entscheidet Dylan überhaupt, wer böse ist? Dem Autor charakterisiert hier in zahlreichen Graustufen einen durch und durch unscheinbare Jedermann, der in eine Extremsituation geworfen wird. Auch Dylans beste Freundin / heimliche Geliebte Kira, welche selbst psychisch angeschlagen ist, bekommt interessante charakterliche Facetten. Die Charakterentwicklung trägt dabei diesen ersten Sammelband, sie bildet sozusagen das Fundament für die spätere Entwicklung der Geschichte. Die Selbstjustiz-Action steht (von der Eröffnungsszene mal abgesehen) noch deutlich im Hintergrund, was diesem Comic sehr gut tut. Sehr gelungen ist die grafische Umsetzung: Die Atmosphäre ist dank toller Zeichnungen und stimmungsvoller Kolorierung überaus bedrückend und düster. Schon vom ersten Panel an wird man von den (in Gewaltszenen auch drastischen) Bildern in die Geschichte hineingezogen. Präsentiert wird die Geschichte wie gewohnt in einem qualitativ hochwertigem Hardcover vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte), welches 19,80 € für 128 Seiten kostet. Fazit: „KILL or be KILLED“ (Link) ist ein spannender Selbstjustiz-Sammelband, der seinen Reiz aber weniger aus den wenigen Action-Szenen, sondern vielmehr aus dem ambivalent charakterisierten Protagonisten und der bedrückenden Atmosphäre zieht. Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzungen und kann für erwachsene LeserInnen eine klare Empfehlung aussprechen.
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