Ich bin zwar bekanntermaßen kein großer Kenner des DSA-Settings, einen spielerischen Ausflug in die deutscheste aller Fantasy-Welten mach ich aber doch gerne – Wenn es sich lohnt! Und da haben wir doch schon die perfekte Überleitung zu „Der letzte Tyrann“ ;-) Nach Demelion geht es in diesem 96 Seiten starken Solo-Spielbuch, in der man eine durch und durch klassische, absolut lohnenswerte Heldenreise erlebt. Plötzlich und vollkommen unvorbereitet König eines ganzen Fantasyreiches – Nein, das ist keine so gute Idee, denn mit allerlei dummen Entscheidungen und einer egoistischen Herrschaft ist es bis zur umstürzenden Intrige nicht weit... Und so findet man sich dem Tode überlassen plötzlich im tiefsten Verlies der Hauptstand wieder. Aber der Geschmack der Macht ist süß, sodass man sich nun durch das 383 Abschnitte umfangreiche Solo-Spielbuch „Der letzte Tyrann“ zurück auf den Thron kämpfen muss. Dabei verkörpert man entweder den bäuerlichen Streuner Tychenes oder aber man nutzt seinen selbst erstellten, „normalen“ DSA-Charakter. Wobei letztere Option die schlechtere Wahl ist, da die Texte (beispielsweise Gedankengänge) allesamt auf Tychenes zugeschnitten sind – Der ist übrigens ein echter Lauch, was zwar die Identifizierung mit der Spielfigur erschwert, dank der ironisch distanzierten Texte des Autors Martin John aber für treffsicheren Humor genutzt wird. Jedenfalls muss man zu Beginn einfach nur heil aus dem Verlies freikommen, dann gilt es die Heldentaten des Herkules ähhhmm natürlich Herakulon nachzustellen (Labyrinthe durchstreifen, Sagengestalten töten etc. – Die griechische Sage wurde sozusagen einfach nach Myranor verlagert, was ich persönlich aber keinesfalls despektierlich meine, sondern ziemlich cool finde :-)), um sich für die erneute Thronbesteigung als würdig zu erweisen. Die Spielbuchmechanik ist recht unspektakulär, das kennt man schon aus vergleichbaren Produkten: Am Ende vieler Textabschnitte kann man sich für mehrere Handlungsoptionen oder Wegrichtungen entscheiden, je nach Wahl liest man dann in einem anderen Abschnitt weiter. Ab und an sammelt man Gegenstände und Geld, welche dann zusätzliche Wahlmöglichkeiten bringen oder aber die aus DSA bekannten W20-Proben vereinfachen. Was man (okay, zumindest ich ;-)) noch nicht aus anderen Solo-Spielbüchern kannte war der einmalige, feinsinnig-humoristisch-intellektuelle Schreibstil des Autors. Allein für die großartigen Texte, welche übrigens ungewöhnlicherweise (im Anbetracht, dass man ein König ist, aber passenderweise) in gesiezter Form geschrieben sind, lohnt sich schon einen längeren Blick in „Der letzte Tyrann“. Eigentlich grinst man die ganze Zeit vor sich hin, was ein wenig über die spielerischen Schwächen hinwegtröstet: So gibt es zwar öfters mehrere funktionierende Herangehensweisen an ein Problem, doch letztendlich sind nicht alle erfolgreichen Problemlösungen auch der richtige Weg. Man hat hier schon das Gefühl, als werden möglichst eigenwillige Ansätze bevorzugt, was dem ganzen Abenteuer bei aller simulierter Freiheit (ist man erst einmal aus dem Verlies raus, kann man frei entscheiden was und wie man weiter vorgeht) doch eine überraschend starke Railroad-Komponente gibt, die man bis zur tödlichen Konsequenz so nicht gesehen hat. Tödlich ist auch das passende Stichwort für die Kämpfe, die – wenn man sie auch meist umgehen oder wenigstens erleichtern kann – gerade mit dem vorgefertigten Charakter Tychenes ziemlich fordernd geraten sind. Mein letzter Kritikpunk ist, dass zu viele Abschnitte keine Wahlmöglichkeit lassen, sondern einfach mit „lies weiter bei XY“ enden – Klar, das erhöht die Anzahl der Abschnitte, aber von der Lesbarkeit her wäre es schöner gewesen die Texte nicht so zu zerstückeln. Aber wenn man dann wieder die wundervollen Texte von Martin John gelesen hat, gerade auch wenn er ein wenig Meta-Humor oder elfenbeintürmene Spitzfindigkeiten einstreut (die Spielabschnitte der Hydra-Kunstdebatte sind die besten Spielbuchtexte, die ich je gelesen habe :-D), ist jegliche Kritik vergessen! Optisch aufgelockert wird das Buch durch ein wenig zu dunkle, aber nett anzusehende Illustrationen. Gedruckt in einem qualitativ guten Hardcover, muss man für die 96 Seiten etwas teure 25 € zahlen. Wobei, durch den „DSA: Myranor“-Lizenzverlust haut der Verlag dieses Spielbuch nun für absolut faire 15 € (Link) raus. Für den günstigeren Restposten-Preis gebe ich daher eine dringende Kaufempfehlung. Fazit: Spielerisch mag „Das Schwarze Auge: Myranor: Der letzte Tyrann“ (Link) nur guter Durchschnitt sein, von der erzählerischen Qualität her ist es jedoch überaus gelungen. In meinem Leben habe ich bisher mehr als 30 Solo-Spielbücher gelesen, dieses hier gehört definitiv zu meinen persönlichen Top5 :-D