Sherlock Holmes ist zwar brillant darin herauszufinden, von wem eine Person ermordet wurde – Eine Person vor der Ermordung zu schützen klappt allerdings noch nicht so gut ;-) Zumindest nicht im Auftakt des zweiten Comic-Spielbuchs „Die Moriarty-Akte“. Der erste Band „Die vier Fälle“ (Link zum Test) hatte mich ja wirklich positiv überrascht, mal schauen ob der Nachfolger das hohe Niveau halten kann... Drei Kriminalfälle, die diesmal alle während einer einzigen langen Zugfahrt stattfinden, gilt es aufzuklären: In „Der Fluss von Merseyside“ wird ein Graf in seinem Zugabteil erschossen – Offensichtlich ein Raubmord, denn der Täter stiehlt ein unglaublich wertvolles Schmuckstück. Ziemlich peinlich, waren doch Sherlock und Dr. Holmes mit dem Personenschutz des Grafen beauftragt... Aber es kommt für das Ermittlerduo noch dicker: Kaum haben sie den Fall gelöst, fällt ihnen 1. die Leiche eines Bankdirektors vor den Zug (“Der Sturz aus der Leland Bank“) und 2. wird ihnen Sherlocks Erzfeind Prof. Moriarty als „Hilfskommissar“ zur Seite gestellt. Dieser hat nämlich, nachdem er in „Die vier Fälle“ verhaftet wurde (was so ziemlich die einzige Verknüpfung mit dem Auftaktband ist, sodass man diesen nicht zuerst gelesen haben muss), einen Deal mit Scotland Yard ausgehandelt: Er hilft Sherlock bei seinen Fällen und bei der Festnahme seines nicht minder kriminellen Assistenten Sebastian Moran, dafür erhält er eine Strafminderung. Und hilfreich bei den Ermittlungen zum toten Bankdirektor ist er tatsächlich, ebenso beim dritten Fall „Die verschwundene Prinzessin“ (worum es darin geht, erklärt sich wohl von selbst ;-)). Denn er bereichert die Spielmechaniken mit seinem rabiaten Vorgehen: Wenn sie nicht gerade Tatorte untersuchen, verhören Sherlock & Dr. Watson ja die Zeugen, welche bei unangenehmen oder unhöflichen Fragen gern mal dicht machen und so die Befragung einseitig beenden. Moriarty kann, unter Einsatz von Drohungen oder Gewalt, auch aus sich verweigernden Zeugen noch ein paar wichtige Informationen herauspressen :-) Zugegeben, das war es dann aber auch schon mit der Innovation, der Rest der Spielbuchmechaniken ist wie gehabt: Man wählt, je nachdem was man machen möchte (etwa einen Tatort untersuchen, einen anderen Raum betreten oder Zeugen befragen), den entsprechenden Abschnitt und liest dann dort weiter. So findet man nach und nach wichtige Indizien heraus, mit denen man am Ende den Täter überführt – Was im ersten Moment leichter klingt, als es eigentlich ist, denn noch ein wenig mehr als der Auftaktband richtet sich „Die Moriarty-Akte“ an eher fortgeschrittene Spieler, welche mit Notizzettel bewaffnet aus einer Vielzahl an Hinweisen den Tatverlauf herleiten. Das laut „Pegasus Spiele“ (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) empfohlene Mindestalter von 8 Jahren halt ich für viel zu jung, sowohl vom Schwierigkeitsgrad als auch der Gewaltdarstellung her sollte man mindestens schon aus dem Grundschulalter raus sein! Die Eingangsfrage war ja, ob dieser zweite Band das hohe Niveau des Vorgängers halten kann. Großes „ja“, kleines „aber“! „Die Moriarty-Akte“ hat mit drei spannenden Kriminalfällen und einer gefälligen Comic-Grafik wirklich viel Spaß gemacht und das qualitative Niveau locker gehalten. (Das kleine) Aber: Dieses Comic-Spielbuch ist nicht nur fordernder, sondern auch ein wenig unfairer als der Vorgänger. Denn viel zu oft hat man hier die Option, den kleinen Streuner Wiggins an sonst unerreichbare Orte zu schicken. Dort findet er dann zumeist Edelsteine, welche am Ende wichtige Punkte bringen (wenn einem denn wichtig ist, ob man laut Punktetabelle ein mittelmäßiger, ein guter oder ein großartiger Detektiv ist ;-)) und die Lösung des Endrätsels erleichtern. Außerdem findet er im ohnehin (für mich zumindest) schwierigsten Fall „Die verschwundene Prinzessin“ einen zur Lösung entscheidenden Hinweis. Das Problem ist nun, dass man diese Wiggins-Option nur dann hat, wenn man eine auf Messen & Spieletreffen verteilte Bonuskarte besitzt. Mit Verlaub, das ist unfair und mindert leicht den ansonsten wirklich guten Gesamteindruck dieses Comic-Spielbuchs, welches mit 14,95 € für ein qualitativ gutes, 144 Seiten starkes Hardcover durchaus angemessen bepreist ist. Fazit: „Sherlock Holmes #2 Die Moriarty-Akte“ (Link) präsentiert drei fordernde Kriminalfälle in gefälliger Comic-Grafik, welche Neueinsteigern wie auch Kennern des Vorgängers eine ebenso vergnügliche wie tödliche Zugreise bietet :-D