Gleich vorneweg eine Warnung, um Enttäuschungen vorzubeugen: Groß prangt „Die Vorlage für den Film Atomic Blonde“ auf dem Cover. Ja, der Film übernimmt die Grundprämisse und die Charaktere – Doch setzt er die Geschichte publikumswirksam als Actionfilm um. Wer dann vom Film zum Comic wechselt, könnte enttäuscht werden: Hier gibt es fast keine Action, sondern einen durch und durch klassischen, ruhigen (Doppel- & Dreifach-)Agenten-Plot. Der ist dafür aber durchaus tiefgründiger und vor allem spannender als der Actionfilm ;-) Berlin, wenige Tage vor dem Fall der Mauer: Die britische Agentin Lorraine Broughton soll den Mord an einem hochrangigen Undercover-Agenten untersuchen. Denn dieser war im Besitz einer streng geheimen Liste mit den Identitäten ALLER Geheimdienst-Offiziere in Berlin – Logisch, dass jeder Spion diese Liste unbedingt haben will. Zwischen Lorraine und der Wahrheit stehen nicht nur Agenten verschiedener Nationen, sondern auch ihr Berliner Vorgesetzter David Perceval, der sich so gar nicht mit ihren Alleingängen anfreunden kann... Mehr möchte ich eigentlich gar nicht über die Handlung schreiben, denn jedes weitere Wort wäre vermutlich ein großer Spoiler ;-) Aber ich verrate sicher nicht zu viel, wenn ich sage, dass die Geschichte gerade durch den häufigen Wechsel der Zeitebene durchgehend die Spannung hoch hält: Da gibt es zum Einen das Verhör nach den Ereignissen, in welchem Lorraines Vorgesetzte bohrende Fragen stellen und auch ab und zu mal mit ein paar Hintergrundinformationen herausrücken. Und dann gibt es Lorraines Erzählungen über die eigentlichen Geschehnisse in Berlin. Das ist ein wirklich sehr cooles Erzählkonzept :-) Im Fokus der Geschichte steht eindeutig Lorraine (logisch, denn sie erzählt ja ihre Erlebnisse). Diese wird als pflichtbewusste und durchaus resolute Spionin dargestellt, welche es jedoch schwer hat, sich in einem von konservativen Männern dominierten Berufsumfeld durchzusetzen. Ein insgesamt glaubwürdiger Charakter. Die Nebenfiguren müssen dagegen mit ein paar wenigen Charakterzügen auskommen, etwa der notorisch mies gelaunte, irgendwie an der Grenze zur Misogynie porträtierte Perceval, der natürlich die Liebesmasche ausprobierende Franzosen-Agent Pierre Lasalle und der abgebrühte Schwarzmarkt-Schieber Merkel. „The Coldest City“ besticht einerseits durch ihre ruhige, erst ganz langsam die Wahrheit offenbarende Agentenstory und andererseits durch ihre harten, groben schwarz/weiß-Zeichnungen. Diese geben der Geschichte genau die eiskalt-düstere Atmosphäre, die sie verdient hat :-D Gedruckt wurden diese stylischen Zeichnungen in einem 172 Seiten starken Hardcover, welches in bewährter „Cross Cult“-Qualität (welche mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zu Verfügung stellten) produziert wurde. Der Preis von glatten 25 € scheint da angemessen. Fazit: Wer die Action aus der Verfilmung sucht, ist hier trotz einiger Leichen eindeutig falsch. „The Coldest City“ (Link) ist ein sehr ruhig erzählter, aber ungemein spannender Agenten-Thriller!
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