Nachdem ich in der Brettspiel-Sektion des Blogs schon eine ganze Reihe verschiedener Genres besprochen habe – vom simplen Zombie-Würfelspiel über Familienspiele und Brettspiel-RPGs bis hin zu Konfliktsimulationen – wage ich mich nun auf neues Gebiet: „Medieval Conspiracy“ ist eine aus deutscher Feder stammende, komplexe Simulation. Im mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen versuchen hier bis zu sechs Spieler, sich durch Intrigen, Krieg und nicht zuletzt auch Familienplanung zum Kaiser wählen zu lassen. Mit 352 Spielsteinen, 161 Spielkarten und weit über 100 Spielmarkern gehört diese Mittelalter-Simulation zweifelsohne zu den komplexeren Spielen und fordert von den Nachwuchsherrschschern eine ganze Menge Einarbeitung – Lohnt sich die Mühe? Hinter der komplexen Fassade verbirgt sich eigentlich ein recht eingängiges Spielprinzip (auf der Verpackung wird die Komplexität mit 4/10 und damit grad so mittelschwer angegeben). Jede Runde – welche 10 Jahre im Spiel repräsentiert - besteht aus sechs verschiedenen Phasen:
1. In der Einkommensphase sammelt man Dukaten ein, mindestens 60 Stück, gerne auch mal ein Vielfaches davon. Die bekommt man beispielsweise für besetzte Gebiete (10 für weltliche Fürstentümer, 20 für geistliche Fürstentümer und sogar 50 für Kurfürstentümer) und für gebaute Burgen, Klöster und Reliquien (jeweils 10). Soweit, so simpel. Etwas komplizierter wird es durch die Handelsrouten: Für eine Verbindung zwischen zwei angrenzenden, eigenen Territorien gibt es jeweils 10 Dukaten, für jede Reichsstadt verdoppeln sich die Einnahmen. 2. Nun folgt die Ereignisphase. Je teilnehmendem Spieler wird eine Ereigniskarte gezogen und an den Meistbietenden versteigert. Sie gewähren dem jeweiligen Besitzer verschiedene Rechte wie beispielsweise ein Ritterheer auszuheben, ein Kloster zu bauen, eine Reichsstadt zu entwickelt oder (meine Lieblingskarte ;-)) gegen einen Mitspieler die Reichsacht zu verhängen. 3. Der Schicksalsphase kommt im weiteren Spielverlauf eine der wichtigsten Funktionen zu: Hier ermittelt man, ob man in dieser Runde Nachkommen zeugt oder ob jemand stirbt (das können auch neutrale Fürsten sein, deren Gebiet man sich einverleiben will). Das ist deshalb wichtig, weil jedes besetzte Gebiet von einem Familienmitglied regiert werden muss. Dem Nachwuchs kann man dabei sowohl eine weltliche als auch eine geistliche Karriere zuweisen, um die entsprechenden Fürstentümer besetzen zu können. Stirbt ein weltlicher Fürst, wird das Gebiet weitervererbt (wenn es Nachkommen gibt). Da geistliche Fürsten (also Bischöfe) keine legitimen Nachfahren haben dürfen, fällt ein solches Gebiet wieder dem Papst zu und wird dann unter allen Spielern versteigert. 4. In der Bewegungsphase dürfen Truppen, Reliquien und Wanderprediger in jeweils andere eigene Gebiete gezogen werden. 5. Die Aktionskartenphase lässt jeden Spieler eine Aktionskarte ziehen, von denen er insgesamt bis zu fünf Stück auf der Hand haben darf. Diese darf er jederzeit spielen, gerne auch mal alle fünf am Stück (bringt Gegenspieler nachweislich zur Verzweiflung :-P). 6. Zu guter Letzt dann die Zug-End-Phase, in der man über gefangene Ritter verhandelt und überprüft, ob schon jemand gewonnen hat.
Und schon beginnt die nächste Runde. War gar nicht so schwer, oder? Aber halt! Ich hab doch was von Krieg erzählt, aber gar nichts von einer Militärphase? Das hat seine Richtigkeit :-) Historisch korrekt kann man in „Medieval Conspiracy“ nicht einfach mal so seinen Nachbarn überfallen, sondern muss sich an gängiges Reichsrecht halten. Daher kommt es nur zu Kämpfen, wenn man einen gerechtfertigten Anspruch hat in den Krieg zu ziehen. Beispielsweise, wenn gegen einen Mitspieler die Reichsacht verhängt wurde, sodass er vogelfrei ist. Auch wenn ein Fürst gestorben ist und man sich sein Herrschaftsgebiet sichern will, ist ein Waffengang legitim. Und nicht zuletzt, wenn der Kaiser höchstselbst dahingeschieden ist, darf man die kurze Zeit der Anarchie dazu nutzen um ein paar alte Rechnungen zu begleichen ;-) Die Schlachten an sich laufen dann von der Spielmechanik her recht simpel ab, sind aber trotz der nur zwei Einheitentypen (Ritter und Söldner) verhältnismäßig taktisch: Auf einem speziellen Schlachtfeldbogen (siehe Bild hier rechts) können bis zu sechs Einheiten nebeneinander gestellt werden – Ritter immer vor Söldner, sonst wäre es nicht ehrenhaft! Es müssen sich immer Einheiten gegenüber stehen, wenn dann noch welche ohne Gegner übrig sind geben diese in der zweiten und dritten Reihe einen Bonus. Dann wird mit 2W6 gewürfelt, jedes Ergebnis (plus eventuellen Bonus, wie beispielsweise durch Unterstützungseinheiten oder Malus, wenn man eine Burg angreift) gleich oder größer 7 zählt als Treffer, 12 als Doppeltreffer. Söldner halten zwei Treffer aus, dann werden sie entfernt. Ritter ertragen dank dicker Panzerung sogar drei Treffer, bei einem weiteren Treffer gehen sie dann in Gefangenschaft, lediglich Doppeltreffer sind für sie tödlich. Nach jeder Schlachtrunde kann man fliehen oder aber seine Truppen neu ordnen, sodass beispielsweise frische Söldnereinheiten ihre angeschlagenen Kameraden an der Front ersetzen. Die Spielmechanik ist also eigentlich gar nicht so kompliziert. Leider ist das 16-seitige, englischsprachige Regelheft aber nicht ganz optimal aufgebaut, sodass man sich schon einige Zeit in das Spiel hineinfuchsen muss. Da ist es leider auch nicht hilfreich, dass es in mittelalterlicher Gotik-Schrift gedruckt wurde. Klar, das sorgt für Atmosphäre, aber wer außer dem kleinen Geschichtsnerd Philipp kann diese Schrift problemlos lesen? ;-) Zum Glück gibt es nicht nur eine stets auf den aktuellsten Stand gehaltene Onlineregel-PDF in moderner Schrift, sondern sogar eine deutsche Übersetzung (Link). Löblich :-) Die Druckqualität der einzelnen Komponenten ist durchaus in Ordnung, lediglich die optische Aufbereitung gerade der Spielsteine und -marker ist ein wenig simpel. Dem gegenüber können das mittelalterliche Spielfeld und auch die Spielkarten mit ihren historischen Zeichnungen überzeugen. Und wo ich gerade das Thema Spielsteine anspreche: So lange, wie ein Spiel mit einer eingespielten Gruppen gehen soll (ca. 4 Stunden), habe ich auch für die Spielvorbereitung gebraucht. Immerhin wollen 352 Aufkleber passgenau auf 352 Spielsteinchen geklebt werden, was eine echte Geduldsarbeit ist ;-) Der Preis von „Medieval Conspiracy“ beträgt 59 €, dafür bekommt man 352 bunte Spielsteinchen aus Holz, zwei Aufkleber-Bögen, eine faltbares, 86 x 61 cm großes Pappspielfeld (dessen Schnittqualität leider nicht ganz optimal war), 161 Spielkarten, ein farbiges Regelheft, vier W6, zwei Holzfigürchen und weit über 100 Pappspielmarker. Im Vergleich zu anderen Vertretern dieses Nischenmarktes ist dieser Preis im gängigen Rahmen, gerade auch wenn man bedenkt dass „Udo Grebe Gamedesign“ (Danke für das Rezensionsexemplar!) ein Kleinverlag ist. Fazit: Die historische Simulation „Medieval Conspiracy“ (Link) macht bei aller Komplexität wirklich viel Spaß. Man muss sich zwar durch das nicht ganz optimal aufgebaute Regelheft kämpfen und darf sich nicht von den vielen Spielsteinen und -markern abschrecken lassen. Hat man es aber erst begriffen, erwartet den motivierten Spieler ein hochspannendes und dabei gar nicht mal so kompliziertes Goldstück. Wer sich für das Genre und das Szenario interessiert, kann hier also bedenkenlos zugreifen :-D