Denkt man an erfolgreiche deutsche Fantasy-Rollenspiele, dann wird zuerst zweifelsohne „Das Schwarze Auge“ genannt. Doch da gibt es noch einen Vertreter dieses Genres, der sich ausgesprochen erfolgreich in seiner Nische behaupten kann: Das in einer praktischen Box erscheinende „ABOREA“ gibt es nun mittlerweile schon in der 3. Edition und nicht wenige Spieler, gerade Anfänger, sind begeistert. Na mal schauen, ob mich das sich selbst als Tischrollenspiel bezeichnende Komplettpaket auch begeistern kann? „ABOREA“ kommt wie erwähnt als Box mit komplettem Inhalt daher, damit man sofort loslegen kann (lediglich einen Bleistift und ein paar kopierte Charakterbögen werden benötigt). Zugegeben, da war ich schon ziemlich beeindruckt was für den günstigen Preis (19,95 €, bei manchen Händlern auch gern mal 1 oder 2 € günstiger) da alles in guter Qualität drin steckt: Drei farbige Hefte mit jeweils über 50 Seiten (Spielerheft, Spielleiterheft, Spielmaterial/Abenteuer) sowie zwei große farbige Poster (Welt- und Dorfkarte) und zwei W10 (welche unnatürlich gut würfeln ;-)). Und W10 ist auch schon das Stichwort, denn darauf basieren die Proben des mit überschaubaren Regeln ausgestatteten Spiels: Die als Manöver bezeichneten Proben funktionieren folgendermaßen: Fertigkeit (13 Stück) + Attribut (5 Stück) + 1W10 gegen eine vom Spielleiter festgelegten Grund-Manöverschwierigkeit. Eine Probe ist erfolgreich, wenn man die Grund-Manöverschwierigkeit erreicht oder gar übertrifft. Diese ist in acht Stufen von „Routine“ (Zielwert 5) bis hin zu „absurd“ (18) unterteilt, wobei mir hier aber einerseits irgendwie der Zwischenschritt „herausfordernd“ oder „anspruchsvoll“ fehlt, da es direkt von „einfach“ (8) auf „schwer (10) springt. Andererseits gibt es „blanker Leichtsinn“ (16), was sich einfach richtig gut anhört :-) Ebenso überschaubar sind auch die Kampfregeln: Generell gilt, dass der Angriffswert über dem Verteidigungswert liegen muss, um Schaden (Angriffswert – Verteidigungswert + Waffenschaden) zu verursachen. Der Angriffswert setzt sich zusammen aus Würfelwurf + Offensivbonus, der Verteidigungswert besteht aus Rüstungswert + Defensivbonus. Einer besonderen Bedeutung kommt dem sich aus Attribut + Fertigkeit zusammensetzenden Kampfbonus zu, da man sich im Kampfverlauf jede Runde entscheiden kann ob man diesen ganz oder teilweise für einen Offensiv- oder Defensivbonus ausgibt. Sonderregeln für kritische Treffer, Überraschungsangriffe etc. gibt es natürlich auch, sodass sich Kämpfe trotz der einfachen Mechanik recht taktisch spielen. Für einen zünftigen Kampf braucht es aber erstmal einen Spielcharakter. Nur wenige Schritte bedarf es, um ihn zu erstellen: Erst überlegt man sich ein Charakterkonzept (Volk, Beruf etc.), dann vergibt man 35 Punkte auf die Attribute, rechnet Völker-Modifikationen hinzu und ermittelt schließlich die Attributsboni. Dann können Fertigkeiten entwickelt sowie Magie- und Trefferpunkte errechnet werden. Im Prinzip ist man dann schon fertig. Aber nur im Prinzip ;-) Denn man braucht natürlich noch etwas Startkapital (per Würfelwurf), um Ausrüstung zu kaufen. Den Namen sollte man natürlich auch nicht vergessen, und echte Profis denken sich dann noch eine detaillierte Charakterbeschreibung (“eine Narbe von linken Auge bis zum rechten Ohrläppchen“ :-P) sowie einen detaillierten Hintergrund aus. Und dann kann man die Welt auch schon als Mensch, Elf, Zwerg, Halbling oder Gnom mit dem Beruf eines Barden, Diebes, Kriegers, Priesters, Schamanen, Waldläufers oder Zauberers erkunden. Dabei fällt es auch Einsteigern zumeist recht einfach, sich in diese Welt hineinzuversetzen. Denn sie strotzt nur so vor Klischees beziehungsweise aus Filmen und Romanen bekannten Stereotypen. Was wie gesagt nicht negativ gemeint ist, da es meiner Erfahrung nach Einsteigern sehr hilft sich in solch eine „bekannte“ Welt hineinzuversetzen. Trotzdem macht sich der Autor Sebastian Witzmann die Mühe, diese stereotype Welt in verschiedensten Beschreibungen greifbar zu machen, was ihm auch zumeist gut gelingt, jedoch bleibt die Welt trotz dessen eher oberflächlich. Womit er sich auch sehr viel Mühe gibt, ist es Einsteiger und Systemneulinge generell an „ABOREA“ heranzuführen. Die gut erklärenden Texte bauen logisch aufeinander auf und sind in eine kleine Rahmenhandlung eingebettet: Zu Beginn liest man eine kurze Geschichte, in deren Verlauf man seine ersten, beispielhaften Charakterwerte eintragen kann. Hat man dies geschafft, geht dieser Einführungstext (Klischee: Troll entführt Herzdame des Helden) in ein kleines Solo-Abenteuer über. Und wer dann angefixt ist, kann sich nun seinen Charakter erschaffen, weitere Regeln erlernen und etwas über die Spielwelt erfahren. Am Ende des Spielerheftes sollte man dann wirklich gerüstet sein um auf Spielerseite „ABOREA“ zu erkunden. Sollte man doch etwas nachschlagen, muss man zwar trotz Inhaltsverzeichnis gelegentlich suchen, aber so groß ist das Spielerheft ja nun nicht :-P Das Spielleiterheft bietet dann alles Notwendige für Spielleiter (Beispielabenteuer, Tipps, Gegner, mehr Regeln, mehr Hintergrundwissen) und das Spielmaterial-Heft noch mehr Abenteuer (teilweise mit Bodenplänen, die dank Raster auch gut mit Miniaturen bespielbar sein sollten), die als zusammenhängende Kampagne gespielt werden können. Außerdem vier vorgefertigte Charaktere und vorgefertigte NSC. Ich weiß, ich hab schon am Anfang drüber geschrieben, aber: Für unter 20 € bekommt man eine komplette Rollenspiel-Box mit genügend Spielmaterial für viele vergnügliche Abende. Und dann ist das Teil auch noch so einsteigerfreundlich und günstig, dass man es bedenkenlos der unerfahrenen Schwester oder dem Kumpel schenken kann. Denn trotz des günstigen Preises bleibt auch die Qualität nicht auf der Strecke: Gut, eventuell hätte ich einige Sätze anders formuliert, aber ansonsten haben Lektorat und Layout solide gearbeitet. Zwar gibt es recht wenige Bilder, diese sind dann jedoch wirklich stimmungsvoll. Gerade die Titelbilder der jeweiligen Hefte, allen voran die epische Belagerung auf dem Cover des Spielleiterheftes, rocken gewaltig :-D Die Druckqualität an sich ist auch in Ordnung, lediglich auf den Rückseiten aller drei Hefte finden sich noch Farbreste oder Verschmutzungen (?) welche zwar nicht tragisch, aber unschön sind. Fazit: Der Preis-/Leistungssieger. Ein Rollenspiel-Komplettpaket, welches gerade Einsteiger und Gelegenheitsspieler dank übersichtlicher Regeln und einer sehr klassischen Spielwelt ansprechen dürfte. Perfekt, um es noch schnell zu Ostern zu verschenken ;-) PS: Da sicher die Frage aufkommen wird, wie sich „ABOREA“ wohl gegen andere Einsteigerboxen schlägt? Zurzeit werden bei mir gerade zwei andere Einsteigerboxen bespielt: „Star Wars: Zeitalter der Rebellion“, welches zwar ebenso gut (vielleicht sogar einen Tick besser) Einsteigern die Regeln erklärt und die beste Lizenz der Welt hat. Aber nach vielleicht vier Stunden ist der Spaß schon vorbei, wenn man sich nicht gerade noch die nach unverschämt langer Wartezeit endlich übersetzte Erweiterung herunterlädt. Aber selbst dann ist die Preis/Leistung wesentlich schlechter im Vergleich. Außerdem gerade getestet wird das „Iron Kingdoms: Entfesselt“-Abenteuerset, welches gleich mal doppelt so teuer wie „ABOREA“ ist, aber bis auf coole Miniaturen absolut in jeglicher Hinsicht abstinkt. PPS: Danke an den „13Mann Verlag“ (Link) für das Rezensionsexemplar :-D Nachtrag: Mittlerweile ist die 5. Edition (Link) erschienen! Es gab wieder mal einige Änderungen, die man hier (Link) vollständig & kostenlos nachlesen kann. Die wichtigsten Updates sind:
- Einige der Änderungen im Überblick: Es wurden in allen Heften einige Rechtschreibfehler verbessert, die sich in die letzte Auflage geschlichen haben. - Das Spielerheft: Es gibt nun 4 neue Übersichtsseiten. Dort finden sich Tabellen zur Charaktererschaffung und den Aufstieg sowie eine schematische Erläuterung der Generierung von Spielfiguren. Außerdem wurde eine hilfreiche Zu­sammenfassung für das Absolvieren von Manövern hinzugefügt. - Das Spielleiterheft: Das alternative und optionale Erfahrungspunktemodell „Die Schnelle Vari­ante“ wurde hinzugefügt. Außerdem wurde im Spielleiterheft die Beschreibung von Padova berichtigt. - Das Spielmaterialheft: Der Wahrnehmungsrang von Indara Evete wurde berichtigt und Finn´s, Elathaliel´s und Gerol´s Verbesserungen wurden nun auch mit konkreten Zahlen versehen.