Wieder einmal führt uns der preisgekrönte Rollenspiel-Autor Karl-Heinz Zapf (Link zum Interview) in sein systemunabhängiges Dark Fantasy-Dörfchen Schnutenbach (Link). Mit „Die Tränen der Gorgone“ erschien der sehnlichst erwartete nächste Abenteuerband, welcher an dem auf drei Säulen stehenden Erfolgsrezept festhält: Erstens Schnutenbach als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte mit seinen mittlerweile liebgewonnen Bewohnern. Zweitens die gleichzeitige, sukzessive Erweiterung der sich harmonisch in das Setting einfügenden Spielwelt. Und drittens natürlich spannende Abenteuer ;-) Auch sein neustes Werk steht ganz in dieser Tradition, bläst sich dabei aber größer auf, als es eigentlich sein müsste…
Schnutenbach ist in heller Aufregung! Nicht etwa, weil ein fieses Monster das kleine Provinzdörfchen bedroht. Nein, zwei Gäste aus dem fernöstlichen Quin-Di sind auf der Suche nach einer Gorgonen-Träne. Und zwei Fantasy-Chinesen können dem gemeinen Provinzler, dessen Geisteshorizont nur bis zum nächsten Feldweg reicht, schon mal mächtig verunsichern ;-) Nun ist so eine Gorgone nicht einfach nur ein unfassbar tödliches Monster, es wohnt auch noch im sagenumwobenen „Weinenden Wald“. Aber die beiden mandeläugigen Fremden zahlen gut, also ist so eine Expedition genau der richtige Auftrag für abenteuerlustige Spieler :-D „Die Tränen der Gorgone“ ist ein durch und durch klassisches Abenteuer: Man wird für die Expedition angeworben, bereitet sich dann auf die Reise vor (Zeugs kaufen, Infos einholen), erlebt auf dem Weg zum Ziel verschiedenste Begegnungen mit NSCs & Monstern (neben „festen“ Episoden gibt es viele mögliche Zufallsbegegnungen) und kämpft sich schließlich durch eine Höhle bis zum Endgegner vor. Immerhin, dort wartet eine Überraschung und man kann hier auch eine kreative Lösung finden :-) Das Abenteuer ist von der Konzeption her also ziemlich unspektakulär mit einem recht übersichtlichen Plot. Woher kommen dann die 60 Seiten?
Karl-Heinz Zapf, der ja ein passionierter Schreiber ist, füllt diese Seiten zum einen mit detailverliebten, sehr atmosphärischen Beschreibungen zu den verschiedenen Örtlichkeiten und zum anderen mit teils sehr tiefgehenden, aber für den durchschnittlichen Spieler oft nicht zwingend wichtigen Hintergrundinformationen zu den Nichtspielercharakteren – Allein die beiden Quin-Dinesen bekommen zur Einführung jeweils drei Seiten, dazu weitere Informationen im Abenteuerverlauf. Selbst 08/15-Gegner wie die Schlangenkrieger kommen auf eine ganze Seite. Dies alles in einem fast schon an Romane erinnernden Fließtext, der sich sehr gut und flüssig wegliest. Aber, und da ist wieder das alte Problem aller „Schnutenbach“-Publikationen, damit wird auch das gezielte Finden von Informationen erschwert. Immerhin helfen hier das Inhaltsverzeichnis sowie eine fünfseitige Begriffserklärung. Aber wo ich beim Stichwort „alte Probleme“ bin: Die Wahl von schwarzem Text auf grauem Grund ist bei dunkler Raumausleuchtung (wer spielt Rollenspiel schon bei voller Festbeleuchtung? ;-)) nicht optimal, zudem ist die Druckqualität wieder mittel und es könnte auch alles einen Tick heller sein. Bei den letzten Bänden habe ich mich das im Stillen gefragt, jetzt frage ich ganz laut: „Wann wechselt der „Mantikore Verlag“ endlich mal die Druckerei???“ Es ist ja nicht so, als würde das nur mir auffallen :-( Diese Probleme sind gerade deshalb ärgerlich, weil so auch die eigentlich gelungenen Illustrationen nicht vollends zur Geltung kommen. Aber der nächste Band ist ja schon angekündigt, vielleicht wird’s da ja besser ;-) Trotz dessen sind 60 Seiten im Softcover für 9,95 € vollkommen akzeptabel.
Fazit: Wie sehr man „Schnutenbach: Die Tränen der Gorgone“ (Link) mag hängt vollkommen davon ab, wie man zur altbekannten Abenteuerpräsentation von Autor Karl-Heinz Zapf (Link) steht. Wenn man sich an den lesenswerten, aber teils halt übermotiviert-ausufernd wirkenden Beschreibungen erfreuen kann, wird man das Büchlein in einem Rutsch durchlesen und sich sofort daran machen, die nächste Rollenspielrunde zu planen. Genau so ging es nämlich mir ;-) Ich kann aber auch jeden Leser verstehen, dem das für einen funktionierenden, aber im Prinzip recht übersichtlichen Plot einfach viel zu viel Beschreibung drumherum ist.