Das eigene Hobby zum Beruf machen - Diesen Traum haben nicht wenige Spieler. Nur wenige setzen ihren Traum dann aber so erfolgreich in die Tat um wie Benjamin Richter, der nicht nur eine erfolgreiche CoSim entwickeltete (2. Auflage nach einem Jahr), sondern auch noch einen eigenen Spielehandel betreibt. Klar, dass ich ihn da mal zum Interview bitten musste :-) Hallo Benny, stell Dich doch bitte erst einmal den Lesern vor.
"Ich bin gerade 40 geworden und habe mich aus diesem Anlass neu erfunden, um einer Midlife Crisis vorzubeugen :-) Nach vielen Jahren im Journalismus arbeite ich nun gemeinsam mit meiner Frau in der Baumschule ihrer Eltern, um diese demnächst zu übernehmen. Nebenbei habe ich mein eigenes kleines Unternehmen gegründet, die "Dr. Richter Konfliktsimulationen" (www.richter-kosim.de). Nur eines ist gleich geblieben: das leidenschaftliche Interesse an Geschichte, dem mit Büchern (lesen und auch schon welche geschrieben!) und Kosims gefrönt wird."
Wie kamst Du zum Hobby und ganz speziell zur CoSim-Nische?
"In der Oberstufe – vor langer, langer Zeit… – hat ein Freund aus dem Leistungskurs Geschichte mich auf das Spiel „Rise and Decline of the Third Reich“ von "Avalon Hill" aufmerksam gemacht – nicht gerade leichte Kost für den Einstieg. Dementsprechend habe ich es als Oberbefehlshaber der Wehrmacht erstmal gründlich vermasselt! Aber die Leidenschaft war geweckt und von da an gab es kein Halten mehr."
Was macht für Dich den Reiz einer CoSim aus, auch in Abgrenzung sowohl zu Brett- und Videospielen sowie Tabletops, welche ja thematisch oft nicht unähnlich sind?
"Video- bzw. Computerspiele reizen mich nicht. Ich verbringe wirklich auch so schon genug Zeit vor diversen Bildschirmen! Brettspiele – wozu Kosims ja auch zählen – haben eine ganz andere Atmosphäre. Das Besondere an Kosims ist, dass sie einen sehr starken Bezug zur – meist historischen – Realität aufweisen. Das finde ich faszinierend. Als Geschichtsinteressierter fragt man sich immer: „Was wäre gewesen, wenn…?“ Kosims geben Antworten darauf. Wie realistisch die sind, darüber lässt sich dann trefflich diskutieren. Das ist eine viel lebendigere Art der Auseinandersetzung mit Geschichte als beispielsweise durch Bücher, die meines Erachtens noch viel Potenzial hat und allgemein unterschätzt wird. Tabletops wiederum haben zusätzlich einen ästhetisch-künstlerischen Anspruch, gegen den nichts einzuwenden ist, der mir persönlich aber nicht so liegt, weshalb ich auf Figuren verzichten kann"
Und wie kam es, dass Du eine eigene CoSim entwickeln wolltest?
"Beim Lesen bekam ich Lust, selber zu schreiben – und habe es einfach getan. Beim Spielen bekam ich Lust auf Designen. Allerdings ist ein Buch viel leichter geschrieben als ein Spiel designt! Der Autor hat maximale Kontrolle über sein Werk, der Designer hingegen stellt Spielregeln auf, in deren Rahmen das Kosim ein Eigenleben entwickelt. Jede Regelkorrektur muss getestet werden, wobei wiederum ganz andere Ergebnisse als beabsichtigt herauskommen können. Es ist, als ringe man mit einem lebendigen Wesen!"
Letztes Jahr hast Du mit "Kido Butai: Japan's Carriers at Midway" (Link) die erste eigene CoSim auf den Markt gebracht. Magst Du diese bitte kurz den Lesern vorstellen?
"Gern. „Kido Butai“ ist ein kleines Solitärspiel über die Seeschlacht von Midway im Zweiten Weltkrieg zwischen Japanern und Amerikanern. Klein heißt, dass man es in bis zu einer Stunde gespielt hat und es sehr wenig Platz beansprucht. Zum Beispiel lässt es sich gut auf Reisen mitnehmen. Man schlüpft in die Rolle des Admirals, der die japanische Flugzeugträgergruppe („Kido Butai“) kommandierte und muss den US-Stützpunkt Midway durch Luftangriff ausschalten. Dabei ist jederzeit mit einem Eingreifen der amerikanischen Flugzeugträger zu rechnen, die den Japanern historisch eine böse Überraschung bereiteten. Das Spiel liegt bereits in der zweiten Auflage vor und kostet 16,99 Euro plus Versand (zwei Euro innerhalb Deutschlands)."
Mit welchen anderen Spielen, egal ob klassisches Brettspiel oder CoSim, kann man "Kido Butai: Japan's Carriers at Midway" am ehesten vergleichen?
"Wer Kosims noch nicht kennt, dem sage ich immer: „Stell’ dir ‚Risiko‘ mit einem konkreten historischen Bezug vor.“ Innerhalb seiner Kategorie könnte man „Kido Butai“ vorsichtig mit dem relativ populären „W1815“ vergleichen, wobei mein Design ein Stück komplexer und – wie gesagt – für Solitärspieler ist."
Und die Folgefrage: Was hebt Dein Spiel dann von der Konkurrenz ab?
"In aller Bescheidenheit wage ich behaupten zu dürfen, dass „Kido Butai“ mit relativ einfachem Regelwerk eine glaubwürdige Simulation der Schlacht von Midway hinbekommt, welche die wesentlichen Aspekte des historischen Geschehens berücksichtigt."
Welchen Detailgrad haben die Regeln und für welches Spieler-Niveau ist es geeignet?
"Die Regeln umfassen netto sechs DIN-A5-Seiten. Für ein Kosim ist das sehr wenig. Daher würde ich „Kido Butai“ als einsteigerfreundlich bezeichnen, zumal die Regeln in deutscher Übersetzung erhältlich sind (einfach formlose Anfrage an info@richter-kosim.de). Erfahrenen Wargamern sollte es auch etwas zu bieten haben, indem verschiedene Strategievarianten durchgespielt werden können."
Bei einem Spiel mit dem Thema muss ich natürlich auch zwei Fragen zum Setting stellen: Warum 2. Weltkrieg? Und warum genau dieser Zeitraum?
"Ganz banal: persönliche Präferenz! Ich finde den Pazifikkrieg faszinierend und habe mich intensiv damit beschäftigt. Mein erstes Design sollte einen historischen Hintergrund haben, vor dem ich mich sicher fühle."
Nun ist die CoSim ja rund ein Jahr auf dem Markt: Wie war das Feedback der Spieler? Und würdest Du rückblickend etwas anders machen?
"Ein Videorezensent hat „Kido Butai“ verrissen. Davon abgesehen war das Feedback weit überwiegend sehr positiv. Die erste Auflage war nach einem Jahr ausverkauft. In die zweite haben wir ein paar Verbesserungen aufgenommen: Die Spielsteine („Counter“) wurden redesignt, um die Lesbarkeit zu erhöhen, optionale Regeln wurden ergänzt und die Karte ist jetzt aus dickerer Pappe. Damit ist auch schon gesagt, was ich besser von vornherein anders gemacht hätte…"
Gerade entwickelst Du ja schon die nächste CoSim namens "Hindenburg's Hour". Kannst Du auch dieses kurz vorstellen?
"Gern. „Hindenburg’s Hour“ wird die gleiche Ausstattung haben wie „Kido Butai“: Druckverschlussbeutel, achtseitiges Regelheft, DIN-A5-Karte und Counter. Auch ist es ein Solitärspiel, diesmal über den Tannenberg-Feldzug 1914. Ich habe es gemeinsam mit der Gesellschaft für historische Simulationen (Link), dem Verein deutscher Kosim-Spieler, entwickelt, die damit Interessenten an das Hobby heranführen möchte. Aus diesem Grund haben viele klassische Design-Konzepte von Kosims Eingang in „Hindenburg“ gefunden, beispielsweise die hexagonale Einteilung der Karte. Der Spieler schlüpft in die Rolle des Oberbefehlshabers der deutschen 8. Armee, die Ostpreußen gegen zwei russische Armeen verteidigen soll. Seine einzige Chance besteht darin, sie einzeln nacheinander zu schlagen, ehe sie sich vereinigen können."
Hierbei handelt es sich ja wieder um ein Solitaire-Spiel. Was muss man als Entwickler bei einem Spiel für einen einzelnen Spieler beachten und ist es letztendlich einfacher oder schwerer als ein Spiel für mehrere Personen?
"Solitär-Spiele zu designen gilt als anspruchsvoller. Immerhin müssen die Regeln, die nicht ausufernd sein sollten, das Kunststück fertigbringen, die Handlungen eines hochintelligenten Wesens zu simulieren. Allerdings habe ich noch kein Spiel für mehr als einen Spieler entwickelt. Das bringt sicher ganz eigene Herausforderungen mit sich."
Lass die Leser mal über die Schulter schauen: Wie geht man vor, wenn man so ein Spiel entwickeln will? Irgendwelche Tipps für Nachwuchsdesigner?
"Bei einem Kosim ist die erste Frage, was man eigentlich darstellen möchte. Aus einer faktischen Ausgangslage werden relevante Aspekte gewählt und gewichtet. Als Zweites muss ein Spielsystem gefunden werden, das diese Aspekte integriert und dessen Mechanismen sowohl spielbar sind als auch zu glaubwürdigen Ergebnissen führen. Teil drei ist dann ein beliebig verlängerbares testen und neu justieren, testen und neu justieren, testen und neu justieren etc."
Was macht "Dr. Richter Konfliktsimulationen" sonst noch?
"Außer dem Designen eigener Spiele handle ich auch mit Kosims anderer Hersteller, vor allem über meinen Webshop. Diesen Herbst kommt die Europa-Repräsentanz von Australian Design Group hinzu, die mit „World in Flames“ einen Dauerbrenner auf den Markt gebracht haben. Darüber hinaus habe ich ein paar Ideen, die noch nicht spruchreif sind und in den nächsten Jahren sukzessive ausprobiert werden sollen. Es ist ein lebendiges, spannendes Projekt, von dem ich selbst nicht sagen kann, wohin es sich in einigen Jahren entwickelt haben wird! Wer auf dem Laufenden gehalten werden möchte, kann sich am Fuß des Webshops (Link) in meinen Newsletter eintragen oder mir auf Facebook (Link) folgen."
Ich danke für das interessante Interview und das Bildmaterial. Viel Erfolg weiterhin :-)
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