Ich rezensiere gerne und vor allem rezensiere ich viel. Primär in meiner Komfortzone (mit epischen Weltraumschlachten kann man mich immer locken ;-)), aber manchmal wage ich mich auch ganz weit auf unbekanntes Genre-Terrain vor. Vielleicht manchmal zu weit? Denn da gab es so einen Fantasy-Sexcomic, den hab ich im Vergleich zum Rest der Welt ziemlich niedergemacht (Link). Und zwar so sehr, dass ich im Podcast (Link, ab Min. 45) nochmal extra draufgehauen habe. Und dann kam meine Freundin und die so voll begeistert „Ich will wissen wie es weitergeht, das ist ja voll romantisch!“ :-P Naja, und jetzt gibt es hier meine Rezension der der beiden letzten Bände, also hat sie mich wohl überzeugt, dass ich weiterlese ;-) Kleine Auffrischung, was für einen Quatsch wir hier vor uns haben: Ein fiktives New York wird von Engeln, Teufeln und Dämonen bevölkert. Die junge Teufelin Paprika ist eine von ihnen und noch dazu eine große Nummer in der Kulturszene: Als Kreativdirektorin eines der größten Verlage der Welt hat sie sich vom Job einer einfachen Lektorin bis ganz an die Spitze gekämpft. Dafür brauchte sie eiserne Disziplin und auch ordentlich Ellenbogeneinsatz, sodass sie weder im beruflichen noch im privaten Umfeld irgendwelche Freundschaften hat. Auch an eine Beziehung ist nur schwer zu denken, denn schon beim kleinsten romantischen oder sexuellen Gedanken kommt Paprika ihr dominanter Vater in den Sinn, der nicht nur Strebsamkeit predigte, sondern auch Züchtigkeit. Also keine idealen Voraussetzungen in einer Welt, deren Fokus so stark auf offen thematisierter Sexualität liegt ;-) Paprika stürzt sich daher umso mehr in Arbeit, doch bringen sie mehrere einschneidende familiäre Erlebnisse aus ihrem altbewährten Handlungsmustern, sodass sie sich auf „den perfekten Freund“ einlassen will. Dummerweise zweifelt sie aber an ihren Qualitäten als Liebhaberin, sodass sie beim dauergeilen Lieferjungen Dill-Do in die Sex-Lehre geht...
2. Im zweiten Band (Link) geht der Sex-Unterricht so richtig los. Paprika ist endlich glücklich, auch wenn es mit dem prekär aufgewachsenen Dill-Do immer mal ein paar Cultureclash-Momente gibt. Zwischen dem ungleichen Duo entstehen romantische Gefühle, doch beide wollen sich nicht darauf einlassen – Dill-Do, weil er Paprikas Wunsch nach reiner Körperlichkeit akzeptiert; Paprika, weil niemand von ihrem Sex-Unterricht erfahren darf, da sie ja eigentlich ihren Traummann bereits auserkoren hat.
3. Es hat schon einen gewissen Meta-Humor, dass sich Paprika an einer Stelle in der Geschichte über typische Romance-Dramaturgien lustig macht, denn den altbekannten Verlauf erlebt sie im dritten Band (Link): Haters Gonna Hate – Das potentielle Liebespärchen ist getrennt, es wird ganz viel rumgeheult, aber Paprikas Liebesglück scheint zum Greifen nahe... Aber ist ihr Traummann wirklich ihr Traummann oder wird ein kitschiges Finale doch noch mit der Rückkehr zu Dill-Do enden?
Ich will jetzt nicht spoilern, aber alle Comic-Fans, die nur einen Hauch von Ahnung haben, wie so eine Romance-Dramaturgie funktioniert, können sich ja denken welcher der beiden ganz unterschiedlichen Traumtypen letztlich das Rennen macht :-P Aber das ist fast schon egal, denn tatsächlich steht die Liebesgeschichte hier gar nicht im Vordergrund. Und Überraschung, auch nicht der Fantasy-Sex – Obwohl die ganzen Schmutzfinken da draußen genau deshalb die Comics kaufen ;-) Nein, eigentlich geht es – und zwar besonders im abschließenden dritten Band – um Selbstliebe, Selbstüberwindung und Selbstemanzipation. Denn Paprika bricht, auch wenn sie in einer sexpositiven Fantasywelt lebt, aus einem selbst auferlegten Korsett der anerzogenen Züchtigkeit und des leistungsorientierten Anti-Hedonismus aus. Das ist, wie ich in meiner Rezension des ersten Bandes schon erwähnte, zwar eher Küchenpsychologie, welche die ambivalent dargestellte Protagonistin nicht immer ganz glaubwürdig erscheinen lässt. Aber es sieht dafür ziemlich nett aus, denn die Künstlerin & Autorin Mirka Andolfos zeichnet farbenfrohe, fast schon an Karikaturen erinnernde Blickfänge. Kein Wunder also, dass der „Splitter Verlag“ (der mir trotz meinem Podcast-Spott mutigerweise Rezensionsexemplare zur Verfügung stellte) die 112 bzw. 120 Seiten dicken Hardcover nicht nur als hier besprochene „Sweet Paprika“-Version publizierte, sondern auch in der freizügigeren „Hot Paprika“-Variante. Fazit: Egal ob Sweet oder Hot, Paprika (Link) und ich werden sicher keine Freunde mehr. Ich muss aber zugestehen, dass mir die Geschichte – gerade im mittleren Band der Trilogie – bei aller Quatschigkeit und aller Kitsch-Dramaturgie doch überraschend viel Freude bereitet hat.
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