Die erfolgreiche Solo-Spielbuchreihe „Einsamer Wolf“ vom britischen Erfolgsautor Joe Dever – immerhin über 10.000.000 verkaufte Exemplare in über 30 Ländern, zudem in 18 Sprachen übersetzt - geht mittlerweile in die einundzwanzigste Runde. Wieder vom Spielbuch-Spezialisten „Mantikore Verlag“ veröffentlicht, handelt die neu gestartete Reihe „Die neuen Kai-Krieger“ vom besten Schüler des mittlerweile fast schon gottgleichen Kai-Meisters Einsamer Wolf. Worin sich die Serie aber weiterhin treu geblieben ist: Wieder mal muss das Böse aufgehalten werden… Ob das auch zum einundzwanzigsten Mal Spaß macht?
OK, zugegeben, ich kann gar nicht sagen ob es zum einundzwanzigsten Mal Spaß macht, da ich die zwanzig Vorgängerteile gar nicht gelesen habe ;-) Nadine kennt immerhin den ersten Teil und sagt, dass dieser hier besser ist. Na das ist doch mal ein guter Anfang :-) Ich kann also nur schreiben, ob die „Jagd nach dem Mondstein“ (Link) überhaupt Spaß macht. Und ohne jetzt zu viel vorzugreifen: Ja, aber...
Wie gesagt handelt die neue Reihe nicht mehr vom Titelgeber Einsamer Wolf höchstselbst, sondern von seinem Schüler Treuer Tänzer. Bescheuerter Name, oder? Bevor man das Abenteuer startet, muss man erstmal eine recht simple, aber auf 15 Seiten aufgeblasene, Charaktererschaffung absolvieren. Man würfelt mittels W10 seine Kampfstärke und seine Ausdauer aus, wählt dazu noch Großmeister-Disziplinen und Groß-Waffenmeisterschaften. Dann schnappt man sich noch etwas Ausrüstung und erwürfelt seine Waffe und das Startvermögen. Und wer, wie ich, nicht sonderlich kreativ ist, darf den W10 auch über den Namen entscheiden lassen: Treuer Tänzer war geboren ;-) Dann folgen noch 10 Seiten Regeln, wobei hier die zweieinhalb Seiten über Kämpfe besonders wichtig sind: Kommt es zu einem Kampf, verrechnet man die eigene Kampfstärke (+ eventueller Boni) mit der Kampfstärke des Gegners. Die bestimmt den Kampfquotient, welcher die Stärke eines Angriffs darstellt. Beispielsweise, wenn Treuer Tänzer gegen einen gegnerischen Handlanger einen Kampfquotient von +2 hat, dann verliert der Gegner bei einer gewürfelten 1 (dem schlechtesten Ergebnis) immerhin 4 Ausdauerpunkte, man selber aber 5. Bei einer gewürfelten 5 sieht es schon erfreulicher aus: Der Gegner verliert 8, man selber nur 2 Ausdauerpunkte. Beim bestmöglichen Ergebnis, der 10, verliert man selber nix, der Gegner aber 14 Ausdauerpunkte. Je größer der Kampfquotient ist, egal ob positiv oder negativ, umso dramatischer werden die Schäden: Bei +11 reicht schon eine gewürfelte 8 für den sofortigen Tod des Gegners, umgekehrt hat man bei -11 schon bei einem Würfelergebnis von 2 das Spielbuch vorzeitig mit dem Heldentod beendet.
Die Regeln verstanden? OK, dann kann es schon losgehen! Die „Jagd nach dem Mondstein“ ist das erste von zwei im Buch enthaltenen, inhaltlich zusammenhängenden Abenteuern. Es umfasst 350 Abschnitte, in denen man seinen neu erschaffenen Kai-Helden eine das Schicksal der Welt (wie immer halt) betreffende Mission bestehen lässt: Der Mondstein (ein unfassbar mächtiges, magisches Artefakt, welches dem Fantasy-Reich Sommerlund Sicherheit brachte und nebenbei auch noch das Gras grüner machte ;-)) soll zurück zu seinen Schöpfern, da dadurch das Gleichgewicht der Welt verändert wird. Außerdem haben finstere Mächte ihre Fühler danach ausgesteckt, sodass es zu gefährlich wäre den weltbekannten Einsamen Wolf mit dieser Geheimmission zu beauftragen. Stattdessen muss nun sein unbekannter Schüler Treuer Tänzer ran, während er mit einer Mondstein-Kopie ein Ablenkungsmanöver startet. Dabei ist der Protagonist allerdings schon mit einer ganzen Reihe an hervorragenden Fähigkeiten und Meisterschaften ausgestattet – Eine schöne Abwechslung zu den meisten anderen Spielbüchern, wo man als absoluter Anfänger ins Abenteuer geworfen wird :-) Natürlich geht die Reise nicht glatt, sondern Treuer Tänzer nimmt so ziemlich alles an Problemen mit, was geht :-P Beispielsweise hilft er einer zwangsverlobten Schönheit zur Flucht, um dann Ärger mit dem geprellten und dummerweise ziemlich mächtigen Gatten zu bekommen. Oder er ersticht versehentlich, auf der Suche nach Wasser, einen bekannten Gladiator. Oder er macht sich die Probleme anderer zu eigen, um sich von seiner Mission ablenken zu lassen. Oder, oder, oder… Das soll dabei gar nicht negativ gemeint sein, die vielen kleinen Episoden links und rechts am Wegesrand lockern dieses eher unspektakuläre Reiseabenteuer merklich auf. Manche dieser Ereignisse wirken aber recht gewollt, leider bemerkt man hierbei die starke Linearität der Geschichte. Außerdem – etwas weiter oben habe ich das Vorhandensein von Meisterschaften noch gelobt – geht ein wenig die Spannung verloren, wenn man durch seine Fähigkeiten schon weiß ob ein Gegenüber magisch ist oder Böses im Schilde führt. Leider machen auch manche Entscheidungen oder Proben-Ergebnisse einfach keinerlei handlungsrelevanten Unterschied. Das wohl deutlichste Beispiel hierfür ist der Angriff eines Piratenschiffs: Schießt man mit seinem Bogen am feindlichen Anführer vorbei, kommt es zum Kampf. Trifft man ihn, prallt der Pfeil vom Helm ab, und es kommt auch zum Kampf.
Das zweite Abenteuer entstammt nicht der Feder des Altmeisters, sondern von zwei talentierten deutschen Nachwuchsautoren: Eberhard Eschwe und, vermutlich der wesentlich Bekanntere der beiden, Swen Harder (welcher noch immer für das Solo-Spielbuch „Reiter der schwarzen Sonne“ und neuerdings auch für „Metal Heroes“ gerühmt wird). In dem 300 Abschnitte umfassenden Bonusabenteuer „Echos des Mondsteins“ spielt man den namensgebenden Einsamen Wolf persönlich, welcher parallel zu "Jagd nach dem Mondstein“ das oben erwähnte Ablenkungsmanöver startet. Anstatt wie sein Schüler durch das ganze Land zu reisen, verbringt er das Abenteuer jedoch zumeist auf dem Luftschiff Wolkentänzer. Natürlich verläuft der Flug nicht problemlos: Während sich Einsamer Wolf mit Diebstählen, Sabotage und Anschlägen rumärgern darf, spürt er zugleich auch die Entzugserscheinungen des Mondsteins. Mir persönlich hat dieses Bonusabenteuer dann sogar einen Tick besser gefallen: Durch die Fokussierung der Handlung auf einen einzigen Schauplatz (das Luftschiff) mit eher wenigen, dafür relevanteren, Charakteren kommt einfach viel mehr Atmosphäre auf, zudem bleibt der Spannungsfaktor durch das Rätsel um den Saboteur durchgehend hoch. Das gesamte Spielgefühl erinnert dabei ein wenig an Point&Click-Adventures, bei denen man an einem begrenzten Schauplatz immer neue kleine Aufgaben lösen muss, um in der Handlung voran zu kommen – Man merkt, dass Swen aus der Videospiel-Industrie kommt. Positiv zu erwähnen sind auch Querverweise auf die „Jagd nach dem Mondstein“-Haupthandlung, in die man zwischendurch mal springt.
Beide Abenteuer glänzen mit einer stimmigen Beschreibung der Schauplätze, wenn auch manche Abschnitt-Übergänge leicht holprig sind. Zudem gibt es ansehnliche Illustrationen und Vignetten, wobei mir persönlich der Stil Stephanie Böhms aus dem Bonus-Abenteuer mehr zusagt, aber das ist ja Geschmackssache. Die Druckqualität ist, wie vom „Mantikore Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) gewohnt, gut. Auch die Übersetzung passt und das Lektorat hat seinen Job zur vollen Zufriedenheit erledigt :-) Die 14,95 € für ein 528 Seiten starkes Taschenbuch gehen vollkommen in Ordnung.
Fazit: Gut lesbare Texte, atmosphärische Beschreibungen, abwechslungsreiche Aufgaben, schöne Illustrationen und ein interessantes Kampfsystem - Ja, der einundzwanzigste Teil macht Spaß, aber das Bonusabenteuer bockt einfach mehr! Da haben die deutschen Schüler den britischen Meister geschlagen :-P
PS: Eh ich es vergesse, wer keinen W10 hat, kann auch einfach blind Zahlen auf einer am Buchende befindlichen Zufallstabelle antippen.
PPS: Eine besondere Ehre ist es für mich, dass ich in Absprache mit Moritz von der Seifenkiste (Link) heute zeitgleich mit ihm die Rezension veröffentliche. Quasi eine Parallel-Rezension :-D