Wenn irgendwo in Europa wieder mal ein schweres Verbrechen oder ein Anschlag passiert, dauert es nicht lang bis irgendwer eine bessere europäische Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung fordert. Wie so etwas im Endeffekt aussehen könnte zeigt die fünfteilige Comic-Serie „Al`Togo“: Hier kämpfen die EU-Spezialeinheit „Eurocops“ gegen grenzübergreifende Entführungen, Bio-Terrorismus und Terror-Gurus – Und zwar, wie so viele von Kompetenzgerangel geprägte EU-Projekte, überraschend ineffektiv ;-) Die Handlung der Serie dreht sich um den französischen Inspektor Albertus M’Natago, von allen nur Al’Togo genannt, welcher zum Eurocops-Einsatzteam EO-6 nach Brüssel versetzt wird. Der Startschuss zu einem spannenden Polizei-Thriller, denn…
1. Schon im Auftaktband „297 km“ (Link) schafft er es nicht bis zu seinem neuen Job, ohne in Schwierigkeiten zu kommen. Denn der schwedische Kulturminister, der seine Exfrau getötet und die gemeinsamen Kinder mitgenommen hat, nimmt bei seiner Flucht quer durch Europa Al’Togo als Geisel. Glücklicherweise sind seine neuen Eurocops-Kollegen zur Stelle, um ihn rauszuhauen – Was sich schwieriger gestaltet als gedacht, denn Al’Togo entwickelt Verständnis und Mitgefühl für den Geiselnehmer und setzt damit das Leben aller Beteiligten aufs Spiel.
2. War er im Vorgängerband also noch eher im Alleingang unterwegs, muss sich Al’Togo nun in seinem neuen Einsatzteam EO-6 beweisen. Dies passiert rascher als er denkt, denn ein Geiselnehmer hat an der Brüsseler „Endstation Südbahnhof“ (Link) einen Zug gekapert. Eigentlich keine große Sache, würde er nicht damit drohen mit einem Koffer voller Giftgas die halbe Stadt auszulöschen... Die Zugbefreiung gelingt letztendlich, doch hatte der Geiselnehmer offensichtlich zahlreiche Mittäter, die den Giftgas-Koffer kapern und sich mit EO-6 ein stundenlanges Katz-und-Maus-Spiel im Brüsseler Bahnhof liefern. Zu allem Überfluss werden sie bei ihrer gefährlichen Mission auch noch von einen hartnäckigem Kamerateam begleitet, welches gern mal im Weg rumsteht.
3. Eine skrupellose Räuberbande hält Europa in Atem. Der EO-6-Teamleiter Zloty, der hier seine dunkle Vergangenheit im kommunistischen Polen offenbart, wird daraufhin von einem alten Freund um Hilfe gebeten. Denn die Eurocops sollen gegen die kriminelle „Anarchie in Polen“ (Link) vorgehen, werden dabei jedoch bald selbst zum Spielball rivalisierender Verbrecherbanden.
4. Nach dem Desaster in Polen ist die Stimmung gedämpft, doch schon wartet der nächste Einsatz: Ein Terror-Guru motiviert seine europaweiten Anhänger mittels Handykurznachrichten zu Anschlägen auf die Medien, vom kleinen Zeitungskiosk bis hin zum großen Nachrichtensender. Schnell wird er in Griechenland lokalisiert, doch die EO-6 scheint der „SMS-Republik“ (Link) immer einen Schritt hinterher zu hinken. Nebenbei gibt es noch ein paar emotionale Verwirrungen ;-)
5. Im letzten Band „Cissié M’Natago“ (Link) geht es um die Aufdeckung der letzten Geheimnisse des die Reihe übergreifenden Handlungsbogens. Hier will ich gar nichts zu schreiben, weil eigentlich schon jedes Wort ein Spoiler wäre, aber es ist teilweise schon ziemlich abgedreht und geht in Richtung Polit-Thriller :-)
Politthriller ist letztlich auch das passende Wort, denn beginnend mit dem dritten Band verschiebt sich der Genre-Fokus der Reihe von klassischer Polizei-Action hin zu eben jenem. Das tut der Reihe gut, weil gerade die „typischen“ Polizei-Spezialeinsatz-Geschichten – hier sei als reinster Genre-Vertreter explizit der zweite Band genannt – überraschend unbefriedigend wirken. Denn die Eurocops, die ja so etwas wie die Elite der Elite darstellen sollen, wirken wie eine arg arrogante, aber inkompetente Gurkentruppe. Sicherlich stellt die „Al’Togo“-Reihe an sich selbst nicht den Anspruch, eine superrealistische Abbildung des Spezialeinheitenalltags zu sein, aber wenn die Jungs & Mädels lieber ihrem Kollegen mittels einer verstecken Kamera beim Duschen zugucken, anstatt zu trainieren, und es generell mit der Einhaltung von Befehlen nicht ganz so genau nehmen, dann muss man sich nicht wundern :-P Wundern muss sich der Leser dafür über das Verhalten und die mangelnde Kompetenz vom Superpolizisten Al’Togo. Immerhin, das wird im abschließenden fünften Band nachvollziehbar erklärt. Hier bekommt der Protagonist den finalen charakterlichen Schliff, welcher für einen actionreichen Polizei-Thriller vollkommen ausreichend ist. Leider war es das dann schon mit der charakterlichen Tiefe, denn alle anderen Figuren bleiben kaum mehr als stereotype Stichwortgeber und Statisten, welche kaum mehr als eine handlungsrelevante Charaktereigenschaft zugesprochen bekommen. Es gibt die gern Risiken eingehende Notgeile, den schwulen Technikfreak, die verheiratete Kollegin (ohne Quatsch, deren einziges Merkmal), den Muskelprotz und den grummeligen Teamleiter (okay, der bekommt immerhin noch die düstere Kommunistenvergangenheit) – Eigentlich ist es schon mehr als bezeichnend, dass die zweit-komplexeste Figur der gesamten Reihe der Geiselnehmer des Auftaktbandes ist. Letztendlich sind gerade die ganz objektiv fehlende Charaktertiefe und die subjektiv fehlende Spezialeinheitenkompetenz der Eurocops der deutliche Schwachpunkt der Serie, deren erzählerischen Qualitäten mehr im leider recht spät einsetzenden, übergeordneten Politthriller-Handlungsbogen liegen. Zu den Qualitäten der Bände zähle ich auch die atmosphärischen Zeichnungen, welche an die klare Linie erinnern. Die Details und die Dynamik der Zeichnungen sind vollkommen in Ordnung. Und gerade die flächige, kalte Kolorierung passt hervorragend zum Setting der Reihe :-) Die Druckqualität von „Bunte Dimensionen“ (welche mir dankenswerterweise Rezensionsmuster zur Verfügung stellten) ist auf gewohntem Niveau, sodass der Preis von je 14 € für die 52 Seiten starken Hardcover vollkommen in Ordnung geht. Fazit: Irgendwie wirkt die gesamte „Al’Togo“-Reihe (Link), aber auch die dort thematisierte Spezialeinheit EO-6, wie eine Parabel auf die Europäische Union: In der Theorie eine super Idee, letztendlich aber mit Schwächen in der Praxis. Trotz dessen ist sie aber unterhaltsam, weil spannend (besonders die Bände mit ungerader Nummer, ganz wie bei den „Star Trek“-Filmen :-P), welche sich Fans von Polizei- und besonders auch Politthrillern unbedingt mal anschauen sollten. PS: Von seiner ganzen Konzeption her erinnerte die „Al’Togo“-Reihe mich stark an den sehenswerten deutschen Spezialeinheiten-Thriller „Wir waren Könige“ (Link) :-D Welcher nebenbei bemerkt buchstäblich vor meiner früheren Haustür gedreht wurde, da kann jeder mal gucken aus welchem Ghetto ich komme ;-)
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