James Bond, der Superspion aus Ian Flemings Feder, hat alle Feinde meisterlich besiegt – Zumindest beim Blog-Leserpreis GOLDENER STEPHAN 2016 (Link), bei dem der hervorragende erste Band „Vargr“ vollkommen verdient, mit mehr als der doppelten Stimmanzahl (29 % zu 13 %), seine Sammelband-Mitbewerber auf die Plätze verwies. Nun ist der zweite Band „Eidolon“ erschienen, welcher den eingeschlagenen Weg der Neuinterpretation kompromisslos weiterführt. Aber bedeutet kompromissloser auch besser? Die Geheimdienstmitarbeiterin Cadence Birdwhistle, welche im türkischen Konsulat in Los Angeles arbeitet, wurde enttarnt. 007 soll sie einfach nur heil heim bringen – Ein langweiliger Routineauftrag für den Superspion. Doch schon in die Kontaktaufnahme platzt ein Killerkommando des türkischen Geheimdienstes – Denn Miss Birdwhistle (auf diese Nennung besteht sie ;-)) ist bei ihrer Finanzbuchhaltung auf illegale Geldtransaktionen aufmerksam geworden, welche die Rückkehr der Terrorgruppe SPECTRE finanzieren soll. Pikanterweise ergeben sich auch Verbindungen zum britischen Inlandsgeheimdienst MI5, welcher alles daran setzt, 007 sowie seine MI6-Kollegen von den Fall fernzuhalten... Wie schon der Vorgänger bietet auch „James Bond 007: Eidolon“ eine typische 007-Story, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Oberflächlich betrachtet sind alle Elemente, die in so einen Plot hineingehören, auch enthalten: Bekannte Nebendarsteller wie Q und M, fiese Schurken mit einer großen Bedrohung für das Königreich, actionreiche Kämpfe, schnelle Autos und natürlich schöne Frauen – Wobei 007 hier seinen Liebesentzug aus „Vargr“ nachholen darf ;-) Wie gesagt, das ist jedoch alles oberflächlich, denn im Prinzip ist das 007-Label nur ein wenig Lizenz-Dekoration für eine im Grunde vollkommen generische Agentengeschichte. Abgesehen von den Namen der handelnden Figuren erinnert nicht mehr viel an den Superagenten, selbst bei Q bekommt 007 anstatt irgendwelcher kultiger Spielereien nur einen alten Revolver in die Hand gedrückt... Alles ist so generisch und ohne Eigenständigkeit, bei einer Namensumbenennung würde es auch problemlos mit Hitman 47, Jack Bauer, Jason Bourne oder wem auch immer funktionieren... ...ABER das ist in diesem Fall absolut nachrangig! Denn die Story, auch wenn deren Handlungsverlauf schon recht früh vorhersehbar wird, funktioniert trotzdem sehr gut :-) Schon vom ersten der sechs Kapitel an ist man von der Handlung gefesselt. Ruhige Dialogpassagen, in denen kein Wort zu viel gesprochen wird, wechseln sich mit brachialen Action-Sequenzen ab. 007 ist dabei natürlich wieder der Held, auf den sich die Handlung bis auf ganz wenige Ausnahmen konzentriert. Wobei sich das Wort „Held“ in dieser Geschichte irgendwie falsch anfühlt, denn die 007-Neuinterpretation erinnert kaum noch an die strahlenden Kino-Supermänner, sondern nähert sich viel mehr an das literarische Vorbild an. Der Comic-James Bond ist eiskalt, kompromiss- und gnadenlos, brutal – Eine perfekte Tötungsmaschine, ein emotionsloses Werkzeug. 007 erschießt auch mal ohne Notwendigkeit wehrlose Gegner und foltert einen Gefangenen mit zynischen Sprüchen – Mir persönlich fiel es unglaublich schwer, für diesen Sadisten irgendeine Sympathie zu entwickeln. Aber diese 007-Variante passt wohl einfach gut in die aktuelle Zeit, in welcher der Zweck die Mittel heiligt... Natürlich braucht die Geschichte auch einen ordentlichen Antagonisten. „Eidolon“ bietet da gleich zwei fanatische SPECTRE-Anhänger auf, wobei aber der Ex-Elitesoldat Mr. Hawkwood mit seinem markanten Äußeren und seinem brutalen Finishing-Move noch eher im Gedächtnis bleibt. Ansonsten ist diese Figur aber, genau wie der Rest der Figurenriege, recht blass – Man vergisst sie rasch wieder... Nicht so rasch vergisst man dagegen den markanten Grafikstil (was für eine grandiose Überleitung :-P), welcher wohl wieder in die Kategorie „Geschmackssache“ fällt. Mittlerweile habe ich mich aber doch daran gewöhnt und kann mich besonders wieder für die dynamischen, cineastischen Actionsequenzen begeistern. Besonders in ruhigen Dialogszenen wirken die Zeichnungen aber doch recht fade. Präsentiert werden die Zeichnungen vom „Splitter Verlag“ (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) in einem 152 Seiten umfassenden Hardcover. Die Druckqualität ist auf gewohntem Niveau, da geht der Preis von 19,80 € vollkommen in Ordnung. Wie gehabt gibt es auch noch eine auf 1007 Exemplare limitierte Ausgabe (Link) für 34,80 €, welche dank Bonusmaterial auf 176 Seiten angewachsen ist. Fazit: Wer, so wie ich, 007 bisher nur aus den Kinofilmen kennt, wird mit „James Bond 007: Eidolon“ (Link) einen echten Kulturschock erleben. Denn die eiskalte Neuinterpretation ist, genau wie der Zeichenstil, absolute Geschmackssache. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase war ich dann jedoch von der zwar generischen, aber wirklich unterhaltsamen, in einem hervorragenden Erzähltempo präsentierten Agentengeschichte begeistert. Insgesamt also empfehlenswert :-)
Tags