Heute geht für mich ein Traum in Erfüllung: Ein exklusives Interview mit Patric Götz, dem sympathischen Chef des "Uhrwerk Verlags". Themen sind nicht nur sein rollenspielerischer Werdegang und sein Verlag, sondern es geht natürlich auch um das aktuell sehr erfolgreiche Crowdfunding (aktuell 16.000 € nach knapp über eine Woche, die Finanzierung von 9.500 € in weniger als 1,5 Tagen geschafft) für die deutsche Version des schwedischen Endzeit-Rollenspiels "Mutant: Year Zero" (Link). Hallo Patric. Für die ganz wenigen Leser da draußen, die Dich nicht kennen: Wer bist Du? Was machst Du? Und was qualifiziert Dich dafür, hier ein Interview zu bekommen?
"Hallo! Tjaaaa - also... mein Name ist Patric Götz und ich bin der Chef des "Uhrwerk Verlages" aus Köln. Wir verlegen recht viele Rollenspiele auf deutsch und mittlerweile sogar ein wenig was auf englisch. Ich habe mich damit für dieses Interview qualifiziert, in dem der "Uhrwerk Verlag" schon diverse GOLDENE STEPHAN's gewonnen hat ;)"
Dann stell doch bitte mal den Verlag vor. Und noch viel wichtiger: Wie schafft Ihr es, in der Wahrnehmung der Szene immer die Guten zu sein?
"Der Uhrwerk Verlag wurde von mir 2009 gegründet, als ich von (freundschaftlich) von "Ulisses" weg gegangen bin. Wir haben mit der DSA-Lizenz für "Myranor", "Hollow Earth Expedition" und L5R angefangen und seitdem unser Programm stetig erweitert. Ich hoffe sehr, der Grund dafür, dass wir als "die Guten" angesehen werden ist der, dass wir zum einen ganz gute Arbeit machen (mit dem ein- oder anderem Fehler, der immer mal passiert - aber es werden weniger ;)). Und WENN irgendwas falsch läuft, versuchen wir das auch sinnvoll die Gründe zu kommunizieren. Zum Beispiel hatte unser "Numenera"-Crowdfunding ja eine klitzekleine, fast nicht wahrnehmbare Verzögerung von ein paar unwichtigen, vernachlässigbaren Monaten. Die Schuld dafür lag so ziemlich bei mir persönlich, und dass habe ich dann halt auch so gesagt. Abgesehen davon sind wir selber persönlich auf echt vielen Cons unterwegs und sind immer gerne bereit direkt mit unseren Fans zu reden und Fragen zu beantworten. UND es gibt fast immer Alkohol bei uns am Stand ;)"
Wie war Dein Werdegang vom Hobby hin zum Business? Und was ich schon immer wissen wollte: Wenn man den ganzen Tag beruflich mit Rollenspielen zu tun hat, mag man dann überhaupt noch in seiner Freizeit zocken?
"Ich habe mit 12 Jahren (1984) mit D&D angefangen und seitdem nur kurze Rollenspiel-Pausen gemacht. Mein erster "Job" in der Branche war beim mittlerweile verschiedenen Großhändler "Welt der Spiele", woraus auch irgendwie die "Deadlands"-Lizenz für den "Spielzeit Verlag" erwachsen ist. Dann in einem Rollenspielladen gearbeitet, dann bei "Ulisses" angefangen... das Übliche halt ;) Ich mag durchaus noch in meiner Freizeit zocken - es ist nur weniger geworden. Derzeit spiele ich so 1-2x im Monat D&D 3.5 und demnächst wieder in einer "Splittermond"-Runde."
Nun kommt der Interview-Termin nicht von ungefähr. Gerade erst habt Ihr den Kickstarter für die deutsche Version von "Mutant: Year Zero" gelauncht. Gib doch bitte erst einmal einen kleinen Überblick über das Setting.
"Gern. "Mutant: Year Zero" ist einen recht klassischen Endzeit-Hintergrund: Die Welt in in einem nuklearen Krieg untergangen, nachdem eine Seuchenkatastrophe die Menschheit über den Rand getrieben hat. Die großen Städte der Erde sind verseucht und zerstört. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Mutanten, die nun als überlebendes Volk in vereinzelten Enklaven, den sogenannten Archen, ihr hartes Dasein fristen. Die Mutanten wissen noch nicht, warum sie ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten besitzen. Unter ihnen weilt der Älteste, der als einziger noch Geschichten der alten Welt kennt. Er erklärt ihnen, dass ihre Nahrungsmittelvorräte knapp werden und sie bald die sie umgebende, unbekannte Zone auf der Suche nach neuen Ressourcen erkunden müssen. Das Abenteuer beginnt auf einer Karte, die anfangs noch leer ist und erforscht werden soll."
In welche Richtung geht das Spielgefühl? Mehr erzählerisch oder mehr regellastig? Gibt es vielleicht ein vergleichbares System?
"Das Setting ist atmosphärisch, und auch die Regeln unterstützen Erzählrollenspiel zur Schaffung einer postapokalyptischen Grundstimmung. Dennoch setzt "Mutant: Year Zero" nicht auf Erzählelemente als vollständigen Ersatz für funktionierende Regeln. Die Regelmechanismen sind nämlich sehr knackig und universell gehalten, so dass sich damit jede Situation sinnvoll abhandeln lässt. Weiterhin gibt es viele funktionelle Spielhilfen sowohl für Spieler und Spielleiter, welche die Handlung voranzutreiben vermögen. Man könnte sagen, das Regelsystem von "Mutant: Year Zero" spielt dem Fluff in die Hände, damit der rote Faden konzentriert weitergesponnen werden kann."
Magst Du ein paar Worte zu den Regelmechanismen sagen?
"Dieses Rollenspiel nutzt ein W6-Poolsystem, genau wie "Tales from the Loop" und "Coriolis". Wer diese nicht kennt: Die Titel stammen aus derselben Spieleschmiede wie "Mutant: Year Zero". Wie ich schon sagte, ich finde das System sehr knackig. Man kann damit jede Situation relativ schnell auflösen und kommt ohne einen großen Regelwust aus. Die Spielercharaktere haben Rollen (ein unkompliziertes Klassensystem) und darüber hinaus noch Mutationen und eine ganze Reihe wählbarer Talente und Fertigkeiten. Klar kann man sich immer noch vieles selber ausdenken, um einen einzigartigen Spielercharakter zu erschaffen, aber der Spieler wird auch an keiner Stelle allein gelassen, sondern man bekommt an allen und Ecken Vorschläge, Anregungen und Hilfestellungen, um Rollenspiel zu betreiben, sollte er es noch nie oder nur noch selten gemacht haben. Insgesamt auch spielmechanisch eine sehr runde Sache! "
Neben dem Regelbuch kann man ja eine ganze Reihe weiterer Produkte pledgen, auch gibt es Stretchgoals. Kannst Du dazu etwas sagen?
"Wir machen dieses Mal ein Bundle mit weiteren Produkten, so dass diese nicht erst durch Stretchgoals freigeschaltet werden müssen. Es besteht aus dem Grundbuch, den drei bisher erschienenen Zone Companions, zwei Zone Sectors sowie dem Map Pack und dem Spielleiterschirm. Die Stretch Goals sind zunächst nur einige nette Zusätze, wie Poster, Lesezeichen und ein Lesebändchen, aber wir haben auch ein paar substanziellere auf Lager: So könnte bald durchaus das Spielkartenset freigeschaltet werden, das optional mit dem Rollenspiel verwendet werden kann. Wir haben auch ein späteres größeres Stretch Goal geplant, zu dem ich allerdings noch nicht so viel verraten kann, außer dass es die exklusiv die deutsche Version der Reihe um neue Inhalte bereichern wird :)"
Was hat Euch überhaupt bewogen, genau dieses Spiel nach Deutschland bringen zu wollen? Ich denke dabei explizit daran, dass ihr mit "Deponia" ja bereits ein, wenn auch humoristischeres, Endzeit-/PostApo-Rollenspiel im Programm habt. Und generell, verkauft sich Fantasy nicht sowieso viel besser?
"Fantasy verkauft sich besser, stimmt. Ist das ein Grund, nur noch Fantasy zu machen? Das wäre doch ziemlich langweilig, wenn es keine anderen Genres mehr gäbe. Mit "Deponia" ging es nur sekundär in Richtung Endzeit, da das Rollenspiel wie auch die Computerspielreihe, auf der es basiert, seinen Schwerpunkt eher auf dem Humor hat. Mit "Mutant: Year Zero" liefern haben wir ein Projekt am Start, dem die waschechte, dreckige, fiese und abgefahrener Endzeit-Stimmung förmlich aus den Poren trieft. Jede Spielstunde wird ein erneuter Kampf ums nackte Überleben!"
Und um natürlich auf die übliche Kickstarter-Diskussion einzugehen: Warum gibt es für dieses Spiel einen Kickstarter als Finanzierungsmodell?
"Ganz einfach: "Mutant: Year Zero" ist eine Reihe, die in Skandinavien und auf den englischsprachigen Märkten schon recht fortgeschritten ist. Das Spiel läuft erfolgreich und es gibt schon viele Produkte. Wir möchten die deutschen Fans nicht lange warten lassen, deswegen kickstartern wir dieses Projekt mit dem Ziel, alle bisher dazu erschienenen Bücher gleichzeitig herauszubringen."
Mit einem kleinen Seitenhieb ;-) Warum laufen Eure Kickstarter verhältnismäßig reibungslos? Höre ich zu diesem Thema Klagen, höre ich seltenst den Namen Uhrwerk!
"Naja – wie oben schon erwähnt, hatten wir bei "Numenera" schon eine gewisse Verzögerung. Wenn man die Rollenspielszene so betrachtet, ist das allerdings nicht wirklich ungewöhnlich. Es kann immer mal zu Verzögerungen kommen, man sollte die dann nur sinnvoll kommunizieren. Als Verlag der jeden Monat so 2-3 Bücher herausbringt, wissen wir aber generell schon so circa, was wir da tun und die Produktion eines Rollenspiel das über Crowdfunding finanziert wurde und der Produktion eines „normal“ finanzierten Buches unterscheidet sich ja nicht voneinander. Ich verstehe aber auch jeden, der seine Sachen lieber doch evtl. mal pünktlich haben möchte. Ich selber vergesse ein Projekt das ich unterstützte fast sofort wieder und freue mich dann „irgendwann“ auf ein Überraschungspaket. Ist allerdings nur meine persönliche Herangehensweise – das kann man natürlich als Verlag keinem Unterstützer vorschreiben ;)"
Wie lange geht der Kickstarter? Und, was ich nicht hoffe, wenn die Finanzierung scheitert, wird es dann irgendwann trotzdem "Mutant: Year Zero" in Deutschland geben?
"Wie es aussieht hat die Zukunft uns bereits eingeholt. Zum Zeitpunkt dieses Interviews ist der Kickstarter in seiner Grundfinanzierung bereits gefundet worden. Und das nach… äh, anderthalb Tagen? Naja, wenn er nicht erfolgreich gewesen wäre, hätten wir die Bücher natürlich one-by-one (also nacheinander) rausgebracht. Es hätte einfach wesentlich länger gedauert. Der Kickstarter geht übrigens bis Anfang Juni, genauer gesagt bis eine Woche nach der RPC, so das wir dort noch die Werbetrommel rühren können. Wer Bock drauf hat, sollte ihn backen, damit noch ein paar schöne Stretch Goals zusammenkommen."
Zuletzt wurde ich noch dringend gebeten, Dir zwei Fragen zu stellen. Die erste ist etwas länger: Da ihr ja eng mit Modipheus verbandelt seid und auch schon das tolle "Achtung! Cthulhu" übersetzt habt, wie sieht es aus mit "Star Trek Adventures"?
"Kein Kommentar. Ich verweigere die Aussage. Es gibt hier nichts zu sehen – gehen sie weiter."
Und die letzte Frage: Neben erwartbaren Selbstläufern wie "Splittermond" und "Numenera" habt ihr auch immer wieder großartige Exoten im Programm, ich denke da etwa an das oben erwähnte "Deponia" und auch das sehr nischige "Contact". Wie stehen die Veröffentlichungschancen für Nachwuchsautoren, wenn sie Dir ihre eigenentwickelten Nischensysteme vorstellen würden?
"Die standen in der Vergangenheit recht gut. Immerhin sind neben "Contact" auch "Dungeon-" und "Gammaslayers" sowie "Malmsturm" und "Eis & Dampf" so ähnlich zu uns gekommen. Allerdings haben wir gerade schon unsere Kapazitätsgrenzen erreicht bzw. schon überschritten und müssen SEHR genau überlegen was wir machen. Man kann uns gerne sein System oder seine Ideen vorstellen, aber ein Garantie dsas wir das machen gibt es natürlich nicht. Kleiner Tipp dazu – es ist immer besser eine Email mit Infos zu schicken anstatt mich auf einer Con oder gar der Spielemesse auf sowas anzusprechen. Gerade Sonntagsnachmittags ist meine Aufnahmefähigkeit für Neues eher begrenzt und es kann sein, dass ich alles nach 5 Minuten wieder vergessen habe (und das hat NICHTS mit Alkohol am Stand zu tun!)".
Lieber Patric, vielen Dank für Deine Zeit und das Interview. Gerne verweise ich nochmal auf den "Mutant: Year Zero"-Kickstarter (Link) :-)
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