Starke historische Frauenfiguren finden sich in Comics ja doch eher selten. Und wenn, dann meistens in eher trockenen, mehrere hundert Seiten dicken Graphic Novels mit Bildungsanspruch ;-) Dass dies auch anders geht, zeigt einmal mehr der renommierte „Splitter Verlag“. Mit dem Auftaktband der dreiteiligen Comic-Reihe „Auf die Barrikaden“ wird dem Leser das Leben und Wirken der zwanzigjährigen, russischen Aristokratin Elisabeth Dmitrieff während der Pariser Kommune (Diktatur des Proletariats vom 18.3. – 28.5.1871) auf gerade mal 56 Seiten bildgewaltig nähergebracht. Über die geschichtlichen Hintergründe will ich mich gar nicht auslassen, daher wird mal wieder frech Wikipedia (Link) zitiert ;-)
Als Pariser Kommune (französisch La Commune de Paris) wird der während des Deutsch-Französischen Krieges spontan gebildete, revolutionäre Pariser Stadtrat vom 18. März 1871 bis 28. Mai 1871 bezeichnet, der gegen den Willen der konservativen Zentralregierung versuchte, Paris nach sozialistischen Vorstellungen zu verwalten […] Die Pariser Kommune gilt als Beispiel für die Diktatur des Proletariats und Vorbild der Rätedemokratie […] Während der Pariser Kommune entstand die erste feministische Massenorganisation mit der Union des femmes pour la défense de Paris et les soins aux blessés unter dem Einfluss der russischen Aristokratin Elisabeth Dmitrieff […]
„Auf die Barrikaden! #1: Die geheimnisvolle Gräfin“ (welcher unter diesem Titel u.a. auf der Verlagshomepage beworben wird, auch wenn auf meinem Exemplar „Der Aufstand der Frauen“ drauf steht? :-P) begleitet Elisabeth (Link) nun durch die Unruhen dieser Revolution bis zu ihrem blutigen Ende. Sie organisiert, agitiert, argumentiert – Und muss sich dabei weniger mit den konterrevolutionären Feinden herumschlagen, als vielmehr mit Neidern innerhalb der Frauenorganisation und zögernden Revolutionären, denen ihre Pläne und Reden zu radikal und kompromisslos sind. Dabei bleibt die Geschichte recht eng an der sich mit der Zeit immer mehr radikalisierenden Hauptfigur. Nur gelegentlich werden sehr kurze Schlenker zu anderen, ebenfalls historischen, Nebenfiguren gemacht. Einzige längere Ausnahme bleibt der gelungene Einstieg, in welchem Marx und Engels (diese Beiden muss ich jetzt nicht vorstellen, oder?) über Elisabeth diskutieren und somit die Protagonistin mitsamt des Handlungsschauplatzes charakterisiert und eingeordnet wird. Alle historischen Persönlichkeiten zu kennen ist für den Lesegenuss nicht zwingend Voraussetzung, aber doch ungemein hilfreich beim Verstehen der Zusammenhänge – Man merkt halt, dass der Comic ursprünglich aus Frankreich stammt, wo man dieses Thema in der Schule wesentlich umfangreicher behandelt als hier ;-) Während der Geschichte wechseln sich immer wieder sehr dialoglastige, dabei selten langatmige, Szenen mit reinen Bilderstrecken ab. Gerade letztere sind besonders eindrucksvoll – Manchmal sagen Bilder eben mehr als tausend Worte ;-) Dabei werden die Pariser Kommune und das, mindestens als „kontrovers“ zu bezeichnende, Handeln von Elisabeth ziemlich wohlwollend dargestellt. Nur selten wird die Protagonistin mit einiger, teils auch versteckter, Kritik bedacht. Beispielsweise kokettiert sie immer wieder mit ihren Waffen und hält aufputschende Reden, in denen sie den Krieg lobpreist – Nur um dann in ihrem gemütlichen Luxuszimmer zu sitzen, während draußen die Revolutionäre, auch Frauen (Link), im von ihr verherrlichten Kampf fallen. Zum Ende hin findet dann jedoch eine nachvollziehbare Charakterentwicklung statt, in welcher Elisabeth vom Autor Wilfried Lupano (schrieb unter anderem die beste Graphic Novel des Jahres: „Ein Ozean der Liebe" (Link), ebenfalls im „Splitter Verlag“ (Link) erschienen) endgültig zur Heldin hochstilisiert wird. Verpackt ist diese Revolutionsgeschichte in sehr ansprechende Zeichnungen, für die ich nichts als Lob übrig habe. Bildgewaltig, dynamisch, atmosphärisch – Ich komm aus dem Lob für den Zeichner Anthony Jean gar nicht mehr raus :-) Der historische Hardcover-Comic wurde vom „Splitter Verlag“ (welcher mit dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) wieder in gewohnt hochwertiger Qualität gedruckt. Der Preis von 14,80 € ist daher absolut gerechtfertigt. Fazit: In „Auf die Barrikaden! #1: Die geheimnisvolle Gräfin“ (Link) wird ein Meilenstein der feministischen und sozialistischen Geschichtsschreibung optisch opulent präsentiert. Daher kann ich hier, trotz des schwierigen Themas und den wenigen Kritikpunkte, bedenkenlos eine Kaufempfehlung aussprechen.
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