Die „Star Wars“-Rollenspielfamilie hat noch einmal Nachwuchs bekommen: Zuerst kam „Am Rande des Imperiums“ (Link), bei dem man als Schmuggler zwielichtigen Geschäften nachgehen konnte. Dann folgte das „Zeitalter der Rebellion“ (Link), bei dem man sich dem rebellischen Widerstand anschloss. Und nun also „Macht und Schicksal“, welches den Spielern endlich ermöglicht, als Jedi-Ritter in die Fußstapfen von Yoda, Luke Skywalker und Obi Wan Kenobi zu treten. Zu den mehrere hundert Seiten dicken Grundregelwerken wurden vorab auch noch spezielle Einsteigersets veröffentlicht, welche den interessierten Laien an das Hobby Rollenspiel im Allgemeinen und das eigentümliche FFG-Regelsystem im Speziellen heranführen sollten. Mal schauen, ob ich bei der Jedi-Box genauso enttäuscht bin wie bei dem Rebellen-Set...
Worum geht es jetzt aber genau: Die Spieler übernehmen die Rollen von machtsensitiven Bewohnern des „Star Wars“-Universums (teilweise haben sie sogar schon ein eigenes Lichtschwert), welche von der Gelehrten Herthan Romund in die Geheimnisse der Macht eingeweiht werden sollten. Dummerweise wurde diese nun aber von Malefax entführt, der sie zwingen will, ihm das uralte Wissen eines vergessenen Tempels zugänglich zu machen. Zum Glück konnte sie noch schnell einen Hilferuf absetzen, sodass die Spieler nun zu ihrer Rettung eilen können... Im Verlauf dieses Abenteuers, welches aus sieben verschiedenen Begegnungen besteht, erlernen die Spieler nach und nach die Grundlagen des Regelsystems und des Rollenspiels. Beispielsweise müssen sie in der ersten Begegnung einen eisigen Abhang hinaufklettern und lernen dabei, wie man Fertigkeitsproben ablegt und wie man die verschiedenen Würfel richtig einsetzt. In der zweiten Begegnung darf man dann ein wenig soziales Spiel probieren, um die Hintergründe des Jedi-Tempels zu ergründen. In der dritten Begegnung erlernt man den Kampf, in der vierten den Einsatz der Machtfähigkeiten usw. :-) Nach den sieben Begegnungen sollte man dann die Grundlagen des Regelsystems intus haben (ausgenommen dem Raum- bzw. Fahrzeugkampf, welchen man, anders als in den vorherigen Einsteigersets, diesmal nicht im Abenteuer erlernt).
Wobei das Regelsystem zugegebenermaßen, außer dass man sich erst einmal in die Auswertung der Würfelsysteme einarbeiten muss, recht einfach ist. Wer schon die Vorgänger-Einsteigersets beziehungsweise eines der Geschwister-Systeme (Link) kennt, muss sich gar nicht umstellen – Daher kopiere ich einfach mal frech meinen Text aus einer vorherigen Rezension ;-) Dem actionreichen Setting der Filme entsprechend sind die Regeln auch auf spektakuläre Ergebnisse ausgerichtet: So werden Resultate gewürfelt mit Begabungs- und Schwierigkeitswürfeln sowie Trainings- und Herausforderungswürfeln, deren Ergebnisse sich jeweils aufheben können. Um das Ergebnis zu den eigenen Gunsten zu variieren, kann man zusätzlich mit hilfreichen Verstärkungswürfeln und noch hilfreicheren, aber nur selten einsetzbaren Machtwürfeln die eigenen Chancen erhöhen. Oder man macht den Spielern als Spielleiter mit Komplikationswürfeln das Leben schwer…
Besonders an diesem Spielsystem ist, dass selbst verpatzte Proben (mehr erwürfelte Fehlschläge als Erfolge) dank erwürfelter Vorteile (Triumph- oder Vorteilsymbole) noch eine nahezu cineastische Wendung hervorbringen können. Beispielsweise kann der Held zwar daneben schießen (verpatzte Probe), dank des erwürfelten Triumphsymbols jedoch anstatt des verfehlten Gegners den Kronleuchter treffen, der dem armen Stormtrooper dann auf den Kopf fällt.
Konkurrierende Proben, beispielsweise das Feilschen mit einem Händler, werden direkt gegeneinander ausgewürfelt, wobei der NSC-Verhandlungsgegner statt Begabungs- die Schwierigkeitswürfel und statt Trainings- die Herausforderungswürfel bekommt. Ist die Anzahl der Würfel bei konkurrierenden Proben gegen Nichtspielercharaktere also immer fest, wird der Schwierigkeitsgrad von Fertigkeitsproben wie z.B. Medizin flexibel über die Anzahl der negativen Schwierigkeitswürfeln bestimmt. Beispielsweise gibt es für das Kleben eines Pflasters auf eine Schürfwunde nur ein oder zwei Schwierigkeitswürfel, während eine komplizierte Operation schon vier Schwierigkeitswürfel erfordert. Ebenso ist es mit den Kämpfen: Ein Schuss auf kurze Entfernung erfordert einen Schwierigkeitswürfel, ein Schuss über große Distanz dagegen schon drei! Im Prinzip ist dieses System also recht einfach erlernbar, auch wenn man zur Auswertung der verschieden interpretierbaren Würfelergebnisse sicher ein wenig Kreativität braucht.
Kämpfe spielen sich durch die einfachen Regeln trotzdem sehr taktisch: Zu Beginn wird die Kampfreihenfolge erwürfelt, dann darf jeder Spieler und jeder Nichtspielercharakter genau einmal eine Aktion (z.B. Angreifen) und ein Manöver (z.B. Zielen) ausführen. Wer in jeder Runde welchen Platz in der Initiativreihenfolge bekommt, steht den Spielern dabei aber vollkommen frei, solange nur jeder Spieler ein einziges Mal dran ist.
Kämpfe gibt es übrigens einige in dem doch recht kurzen Einsteigerabenteuer, welches meine Testrunde (ein Wiedereinsteiger ins System, eine absolute Rollenspiel-Einsteigerin und Nadine, die mal vor zwei Jahren das letzte Einsteigerset einmalig ausprobiert hat) in rund zwei Stunden durch hatte. Absolute Einsteiger können noch eine Stunde draufpacken, mehr wird es aber wohl nicht werden, dafür ist das eigentlich ganz nett geschriebene Abenteuer dann doch zu linear und kurz. Insgesamt fand ich es auch ein wenig zu einfach (möglicherweise hätte ich als Spielleiter auch einfach viel mehr Schwierigkeitswürfel vergeben müssen?), da die Lichtschwerter einfach mal richtig heftig reinhauen und die Schauplätze nun auch nicht die Ausmaße annehmen, dass man bis zum Nahkampf erst fünf Runden ohne Deckung übers freie Feld rennen muss ;-) Immerhin gibt es zum Gratisdownload noch eine Mini-Kampagne, welche auf den ersten Blick (noch nicht angezockt, nur drübergelesen) sehr vielversprechend aussieht und die Geschichte sinnvoll fortführt.
In der wie immer farbenfrohen, aber recht instabilen (weil zu dünne Pappe genutzt wurde) finden sich diesmal neben dem obligatorischen Einführungsbogen:
- 1 Abenteuerheft (32 Seiten) - 1 Regelheft (48 Seiten) - 4 Charaktermappen - 1 ausklappbarer, doppelseitiger Plan - 14 Spezialwürfel - 63 PappmarkerDafür verlangt „Ulisses Spiele“ durchaus happige 29,95 €, das sind jeweils rund fünf Euro mehr als die beiden vorherigen Einsteigersets zur Einführung gekostet haben. Ich bin mir nicht ganz schlüssig, wie ich mich zu diesem Preis positionieren soll. Einerseits ist die Lizenz natürlich teuer und ein Brettspiel mit vergleichbarem Inhalt würde preislich wohl auch in diesem Rahmen liegen, zumal hier ja 14 Spezialwürfel enthalten sind (die man ja, wenn man sich dann das Grundregelwerk kauft, weiter nutzen kann). Andererseits kann man Brettspiele ja mehrmals spielen, während man hier (außer als Spielleiter) nach 2 bis 3 Stunden (OK, plus dem Bonusdownload) keinen großen Wiederspielwert mehr hat. Fazit: Nach dem eher mittelprächtigen „Zeitalter der Rebellion“-Einsteigerset gewinnt „Ulisses Spiele“ mit dem „Star Wars: Macht und Schicksal Einsteigerset“ (Link) wieder verlorenes Vertrauen zurück. Denn die Box vermittelt die passende „Star Wars“-Atmosphäre und führt sowohl Spieler als auch Spielleiter sehr gut in das Regelsystem ein. Wer also Interesse an dem System oder auch generell am Hobby Rollenspiel hat und noch nicht weiß, ob es was für ihn ist, kann hier bedenkenlos zugreifen. Das „Star Wars: Macht und Schicksal Einsteigerset“ bietet einen teuren, aber guten Schnupperkurs ins Jedi-Handwerk :-D Wer bereits eine der vorherigen Boxen hat und sich für die Jedi-Thematik interessiert, kann beruhigt aufs Grundregelwerk warten. PS: Meine persönliche Reihenfolge der Einsteigersets lautet 1. "Am Rande des Imperiums", 2. "Macht und Schicksal" und 3. "Zeitalter der Rebellion". Blog-Namensgeber Stephan dagegen sieht diese Box vorne, daher 1. "Macht und Schicksal", 2. "Am Rande des Imperiums" und wieder 3. "Zeitalter der Rebellion" :-)