Nun ist bereits die zweite Einsteigerbox für das aktuelle FFG-„Star Wars“-Rollenspiel erschienen. Das Szenario hat sich weg vom kriminellen Abschaum aus „Am Rande des Imperiums“ hin zum heroischen „Zeitalter der Rebellion“ verändert, der Boxinhalt ist aber prinzipiell gleich geblieben. Geändert aber hat sich mein Verhältnis: War die erste Einsteigerbox noch meine erste große Rollenspiel-Liebe, so hatte ich mit der aktuellen, zweiten Einsteigerbox nur einen emotionslosen, enttäuschenden One-Night-Stand :-( Ein hartes Urteil? Naja, dann lasst mich mal begründen ;-)
Wie gesagt, der Boxinhalt ist gleich dem Vorgänger (oder, da gleiches Regelsystem und gleiche Spielwelt, eher Bruder). Also es gibt eine ebenso dünne wie bunte Verpackung gefüllt mit einem Satz Würfel (Einzelkauf ca. 15 €), einem Regelerklär-Abenteuerheft, einem zusammengestrichenem Regelwerk, Pappmarker, einem „Was ist Rollenspiel“-Faltblatt, einem „Hier geht’s zum kostenlosen Bonus-Abenteuer“-Zettel (aktuell aber noch nicht auf deutsch erhältlich, schade, sonst würde aus dem One-Night-Stand vielleicht doch noch eine On/Off-Beziehung :-P) und einem doppelseitigen Spielplan. Warum also, bei gleichen Voraussetzungen, diesmal keine große Rollenspiel-Liebe?
An den Regeln kann es schon mal nicht liegen, denn die sind wie immer gut. Gewürfelt wird mit speziellen W6, W8 und W12-Symbolwürfeln, wobei sich die Würfelanzahl zusammensetzt aus den Fähigkeiten der Spieler (“Gute“ Würfel wie Trainings- und Begabungswürfel) und dem Schwierigkeitsgrad und/oder Stärke des Probengegners (“Schlechte“ Würfel wie Bedrohungs- und Komplikationswürfel). Die erwürfelten positiven und negativen Symbole werden dann miteinander verglichen, sie heben sich gegenseitig auf, bis am Ende irgendein Resultat und idealerweise ein Zusatzeffekt übrig bleibt. Dabei ist es dann auch möglich, dass erfolgreiche Proben negative Nebeneffekte haben oder umgekehrt. Beispielsweise könnte eine gelungene Schussprobe zwar den imperialen Offizier töten, aber sein Todesschrei (negativer Effekt) weitere Wachen anlocken.
Auch die Intention des Abenteuers, nämlich sowohl Spielern als auch Spielleitern mit mehreren aufeinanderfolgenden Szenen die Regeln beizubringen, ist sehr lobenswert. Und dieses „Spielend lernen“-Prinzip funktioniert eigentlich auch wirklich gut. Aber das Abenteuer an sich, das patzt dann. Achtung, jetzt wird die sehr dünne Story gespoilert!
Erstens ist die Handlung total hirnrissig: Zwei bis vier Einsteigerrebellen stürmen im Alleingang eine geheime imperiale Basis, um diese zu besetzen und den dortigen Kommandeur zu erledigen. Klar, der flieht natürlich trotzdem, und die Spieler müssen hinterher um ihr Werk zu vollenden… Gut, ich sehe mal davon ab dass dieses Abenteuer zweitens unfassbar linear ist und es drittens ziemliche Logiklücken gibt (obwohl die Frage berechtigt sein muss, wie es ein kleiner, frisch zu den Rebellen gestoßener 08/15-Trupp schaffen soll eine schwerbewachte Basis einzunehmen? Welch unmenschlicher Rebellenkommandeur schickt Frischlinge auf solch eine Selbstmordmission? Und warum, als die Spieler die Basis wieder verlassen um den Kommandant zu jagen, erobern das restliche Personal & die restlichen Wachsoldaten die nun wieder freie Basis nicht zurück und bereiten nicht die Verteidigung vor? Mehr als genug schwere Waffen haben sie ja noch?). Aber es ist eben viertens auch ziemlich kurz und fünftens sehr generisch und mit ziemlich wenig „Star Wars“-Flair gewürzt (würde man einige „Fachbegriffe“ wie AT-ST umbenennen könnte es problemlos auch eine typischer „Shadowrun“-Crawler sein). Sollte es nicht eher das Ziel eines Einsteigersets, gerade mit dieser phantastischen Lizenz sein, eine stimmige Atmosphäre zu vermitteln?
Gerade wenn man sie mit der „Am Rande des Imperiums“-Einsteigerbox vergleicht, fallen die Schwächen umso mehr ins Auge. Da war zwar das Abenteuer vom Grundprinzip zwar ähnlich aufgebaut (verschiedene Szenen, die einzelne Regeln erklären), aber durchweg nachvollziehbarer im Handlungsverlauf. Es lud außerdem mehr dazu ein, mit den NSCs zu sprechen (wer redet schon, gerade als Rollenspieleinsteiger, mit schwerbewaffneten Wachsoldaten – besonders, wenn man zwei Ecken weiter ihre Kollegen niedergeschossen hat?), bot einen coolen Bosskampf gegen einen Kopfgeldjäger und eine kleine Weltraumschlacht. Im „Zeitalter der Rebellion“ dagegen flieht der Endboss/Kommandant lieber feige mit einem AT-ST und versteckt sich dann solange feige im Funkturm, bis er getötet wird.
Ich hab ja schon weiter oben geschrieben, dass das Abenteuer ziemlich generisch ist. Dazu passend finde ich auch im Vergleich den Handlungsort schlecht gewählt. Gab es im Vorgänger noch eine ganze Wüstenstadt, deren verschiedene Orte auch noch vollkommen ausreichend beschrieben wurden und so noch die ein oder andere Idee für ein Abenteuer förderten, gibt es nun eine geheime Militärbasis. Entsprechend gibt es dort auch zwar ebenso ausreichend beschriebene, aber nur wenig inspirierende Lokalitäten… Eine leere Kantine? Kann ich hier die Schlacht ums kalte Buffet nachspielen? Oder einen Konferenzraum, der sich laut Abenteuerheft hervorragend für einen Kinoabend eignet?
Nun höre ich schon wieder den Aufschrei der sozialen Netzwerke „Aber du bist doch mit deinem eineinhalb Jahren Rollenspielerfahrung doch voll der Profi und kannst darum keine Einsteigerbox bewerten!!!!!111einself“ und dazu kann ich sagen: Zweifellos hab ich mir die „Zeitalter der Rebellion“-Box mit anderen Augen angesehen als damals die „Am Rande des Imperiums“-Box, die mein persönlicher Start ins Hobby Rollenspiel war. Also kann ich – außer dass ich diese Box mit Einsteigern gespielt habe um ihre Reaktion zu sehen – natürlich nur erahnen was ein „echter“ Einsteiger darüber denkt. Aber ich versuche mich mal in solch eine Person hineinzuversetzen: Er sieht das „Star Wars“-Logo und freut sich. Dann reißt er die Packung auf, trommelt ein paar Spieler zusammen und legt los. Durch den „Spielend lernen“-Aufbau kommt die Gruppe gut voran, ballert alles nieder, hat nach drei Stunden (mein Erfahrungswert mit Einsteigern, „Profis“ schaffens auch in kaum mehr als zwei Stunden) das Abenteuer durch. Gerade fragt man sich noch „Wie, das war es jetzt schon???“ und nun fällt die Gruppe in ein großes Loch, denn wie weiter? Das in der Box beworbene Erweiterungsabenteuer gibt es noch nicht zum Download und die Basis gibt nicht viel her um eigene Abenteuerideen zu entwerfen. Außerdem fällt der Motivationsmotor des Charaktererschaffens und –Auflevelns weg, denn das gibt es nur im Grundregelwerk, aber das kostet ja fast 50 € und dabei hat man schon rund 25 € für dieses Kurzabenteuer ausgegeben… Man verspricht sich noch gegenseitig, es nochmal zu zocken, aber weil es so linear ist hat man dann doch keine Lust. Die Box bleibt im Regal stehen und verstaubt, die Spieler denken dass Rollenspiel nur aus Kämpfen mit ein paar Sätzen drum herum besteht und bleiben dann doch lieber bei Tabletop und Videospielen.
OK, das mag jetzt ein wenig pessimistisch klingen, vielleicht kann ich mich auch wirklich nicht mehr so richtig in absolute Einsteiger hineinversetzen. Selbst meine Vorzeigeeinsteigerin und Mittesterin Nadine hat ja mittlerweile schon eine Hand voll Abenteuer erlebt und fällt da eigentlich raus. Na gut, daher bitte ich also mein Fazit mit Vorsicht zu genießen:
Bei meiner Rezension für die Teilzeithelden (Link) hab ich umgerechnet 2,5 von 5 Punkten gegeben, dazu stehe ich :-P Denn die Einsteigerbox bietet für circa 25 € einen kurzen, teuren Schnupperkurs in das „Zeitalter der Rebellion“. Kann man kaufen, muss man aber nicht. Immerhin ist ein Satz Würfel dabei, der im Einzelkauf circa 15 € kosten würde. Die Box ist auch nicht wirklich schlecht, aber sie muss sich halt dem direkten Vergleich mit dem Bruder, der „Am Rande des Imperiums“-Einsteigerbox, stellen (ich fange noch nicht mal an, sie mit anderen großartigen Einsteigerboxen wie der von "Splittermond" zu vergleichen). Und die ist nicht nur etwas besser, sondern kostet bei vielen Händlern mittlerweile auch ein paar Euro weniger. Darum: Wer nicht UNBEDINGT als Rebell in die Welt des „Star Wars“-Rollenspiels starten will, sollte lieber „Am Rande des Imperiums“ einsteigen!
PS: Gern möchte ich hier noch auf die ExpertInnen von Orkenspalter (Link) hinweisen, die in einem unterhaltsamen (und dank Mháire wie immer nett anzuschauenden :-P) Video zu einem ähnlichen Fazit kommen :-)