Das Fantasy-Rollenspiel „RuneQuest“, welches erstmals 1978 erschienen ist und eine überaus wechselhafte Publikationsgeschichte durchleiden musste (dazu kann ich dringendst den „QuestLog“-Podcast (Link) empfehlen), gehört zweifelsohne zu den Klassikern unseres Hobbys. Nachdem bereits 1991 eine erste deutsche Version erschien, es danach aber etwas ruhiger wurde, hat sich nun die schon sein 25 Jahren bestehende „RuneQuest-Gesellschaft e.V.“ (Link) als Verlag probiert und mittels erfolgreichem Crowdfunding die deutsche Übersetzung der 6. Edition veröffentlicht. Und was soll ich sagen, es ist ein echtes Mammutwerk geworden... 466 Seiten umfangreich und gefühlt kiloschwer ist das Hardcover, welches den Spielern in 16 Kapiteln ermöglicht einen eigenen Helden zu erstellen, Magie zu erlernen und dann eine große Auswahl an Monstern zu verkloppen :-) Aber fangen wir mal von vorn an: „RuneQuest 6“ verwendet ein klassisches W100-System, daher man muss seinen entsprechenden Fertigkeitswert unterwürfeln. Eine 1 – 5 ist immer ein Erfolg, eine 96 – 00 immer ein Misserfolg. Kritische Auswirkungen erreicht man, wenn man ein Zehntel des Fertigkeitswertes erreicht. Die Schwierigkeit einer Probe wird dabei durch die Veränderung des Fertigkeitswertes variiert, beispielsweise verdoppelt er sich bei einer sehr leichten Probe, während er sich bei einem unglaublichen Schwierigkeitsgrad auf ein Zehntel vermindert. Ein im Endeffekt recht eingängiges Probensystem, welches auch Wiederholungswürfe und Gruppenunterstützung erlaubt. Nun wollen wir aber erst mal unseren Helden erschaffen. Dies geschieht in mehreren Schritten: Nachdem man sich für ein Konzept entschieden hat, erwürfelt man erst die Eigenschaften (Stärke, Konstitution, Geschicklichkeit, Mana, Charisma, Intelligenz und Größe) oder verteilt 80 Punkte auf diese. Daraus berechnet man dann seine Attribute, beispielsweise die Aktionspunkte, die Bewegungsreichweite und die Heilrate. Dann addiert man aus den Eigenschaften die Standartfertigkeiten. Soweit, so bekannt ;-) Nun wird es interessant, dann man muss seinen kulturellen Hintergrund auswählen, welcher wesentlichen Einfluss auf das Spiel hat (z.B. den Kampfstil, Berufe), und 100 Punkte kulturtypisch verteilen. Auch entscheidet man hier seine Leidenschaft (Treue, Liebe, Hass) und erwürfelt oder erwählt seinen persönlichen Hintergrund. Dann wählt man seinen Beruf (und vielleicht auch einen Kult) aus und verteilt wieder (und noch viel mehr) Punkte, stellt sich seine Ausrüstung zusammen und zieht dann los in ruhmreiche Schlachten ;-) Kämpfe sind in „RuneQuest 6“ vor allem detailliert und tödlich :-D Dabei ist das grundlegende Probensystem eigentlich wieder recht simpel: Der Angreifer gibt einen Aktionspunkt aus, um auf seinen Kampfstil (wir erinnern uns, der wird von u.a. von der Kultur beeinflusst) zu würfeln, der Verteidiger wiederum kann dies ebenfalls tun. Wer das bessere Ergebnis erzielt, bekommt positive Zusatzeffekte, beispielsweise würde er eine Lücke in der Rüstung des Gegners finden oder den Gegner zu fesseln, außerdem hängt davon der erlittene Schaden ab. Dabei verfügen die Kampfteilnehmer über mehrere Trefferzonen, sodass sie beispielsweise mit Glück im Unglück nicht ihr Leben, sondern nur einen Arm verlieren ;-) Bei den umfangreichen Kampfregeln zeigt „RuneQuest 6“ wieder seine Detailverliebtheit, ich könnte mir dieses Kapitel wirklich gut als Regelwerk für ein Skirmish-Tabletop vorstellen :-) Wo ich das Thema Kapitel schon erwähne: Das Grundregelwerk ist in insgesamt 16 Kapitel plus Einführung und Anhang aufgeteilt. Diese befassen sich jeweils mit einem Thema und sind in sich durchaus didaktisch aufgebaut. Die ersten drei Kapitel umfassen die Charaktererschaffung, danach folgen im vierten Kapitel die Fertigkeiten, im fünften die Wirtschaft und Ausrüstung. Mit diesem Basiswissen ausgestattet kann sich der Spieler nun im sechsten Kapitel mit der Spielmechanik und im siebenten Kapitel mit dem Kampf befassen. Gleich sechs Kapitel (8 – 13) umfasst die verschiedenen Magie-Systeme (Magie ist in der Welt von „RuneQuest“ allgegenwärtig, gerade die Volksmagie aus Kapitel 9), wobei nach der allgemeinen Einführung im achten Kapitel für jedes System ein eigenes Kapitel vorhanden ist. Das vierzehnte Kapitel befasst sich mit Kulten und Bruderschaften, das fünfzehnte mit einer ganzen Menge an Kreaturen und wie der Spielleiter selber welche entwickeln kann. Zuletzt bekommt dieser im sechzehnten Kapitel noch umfangreiche Hilfestellungen, bevor das Buch mit verschiedenen Anhängen wie Tabellen, Spielhilfen und einem Index endet. Dem geneigten Leser wird jetzt aufgefallen sein, dass ich jetzt ziemlich durch das dieses Mammutwerk durchgerauscht bin. Dies liegt einfach an dem enormen Umfang dieses wirklich sehr detaillierte Systems, welches seine Spielwelt überaus präzise und liebevoll simuliert. Beispielsweise gibt es für die verschiedenen Monster neben den Spielwerten auch gut geschriebene, informative Texte, welche durchaus nützlich für den Spieleinsatz sind. Es gibt zahlreiche Zauber und, weil ich die Kampfregeln so bemerkenswert finde, es gibt es vierzehn verschiedene Trefferzonen-Tabellen! Angefangen vom profanen Zweibeiner bis hin zum Spinnenwesen mit Schwanz und zum Vierbeiner mit Flügeln; außerdem jeweils rund ein Dutzend Modifikatoren für Nah- und Fernkampf (und bei letzterem hab ich noch nicht mal die Auswirkungen von Zielgröße und Entfernung eingerechnet ;-)). Das ist natürlich eine Menge Stoff und ich habe auch nach gut zwei Monaten, die ich mich durch das Buch gekämpft habe, noch gaaaaaaaaaaanz lange nicht alles verstanden und alles erfasst. Aber, und das muss man den Autoren zugestehen, sie haben schon versucht die Komplexität dem Leser so verständlich wie möglich näherzubringen. Auch die gelegentliche Auflockerung durch schwarz/weiße Zeichnungen gefällt, wenn auch der Stil merklich variiert. Dabei verdienen die deutschen Enthusiasten von der „RuneQuest-Gesellschaft e.V.“ mindestens ebenso viel Lob für eine gute Übersetzung und ein gutes Lektorat. Auch vom Layout und der Druckqualität her gibt es nix zu beanstanden, da hat die Premiere als Verleger wirklich geklappt. Für so ein Hobby-Projekt wirkt das alles sehr professionell, ganz als hätten die Verantwortlichen sich dem Motto „Mach es, aber richtig!“ verschrieben :-D Der Grundregelwerk-typische Preis von 49,95 € ist daher durchaus angemessen. Fazit: Die deutsche Ausgabe von „RuneQuest 6“ (Link) atmet noch immer den Oldschool-Geist als längst vergangenen Tagen, spielt sich dabei gut und ist für detailverliebte Fantasy-Fans absolut empfehlenswert. PS: Neben dem Grundregelwerk hat die „RuneQuest-Gesellschaft e.V.“ noch eine ganze Menge an tollem Quellenmaterial (welches mir dankenswerterweise als Rezensionsmuster zur Verfügung gestellt wurde) rausgebracht, welches ich jetzt nach und nach rezensieren werde. Was aber noch fehlt sind tolle Abenteuer! Daher möchte ich gerne auf den laufenden Wettbewerb (Link) hinweisen :-)