„Zeitzeugen erzählen vom Zweiten Weltkrieg“ - so der Untertitel der mit vielen wissenschaftlichen Begleittexten versehenen Graphic Novel. Das ursprünglich per Crowdfunding finanzierte Projekt, die letzten verbliebenen Zeitzeugen über ihre Kriegserlebnisse erzählen zu lassen und dies dann in kurzen Comic-Geschichten zu verarbeiten, galt dabei schon von Anfang an als überaus ambitioniert. Nachdem die Kritiken durchaus gemischt waren, wollte ich mir nun selbst ein Bild machen... Zu allererster ist „Großväterland“ eine Sammlung an kurzen, gelegentlich sogar nur einseitigen, Comics über ein prägendes Kriegserlebnis einer der befragten Zeitzeugen. Zumeist kommen Soldaten zu Wort, gelegentlich aber auch ZivilistInnen, die jeweils für eine bestimmte Phase oder ein bestimmtes Themengebiet des 2. Weltkriegs stehen. Beispielsweise den Überfall auf Polen, die Schlacht um Stalingrad, den D-Day, den Luftkrieg über Deutschland und der Endkampf um Berlin. Dabei sind sich die Autoren des Buches – Küntler Markus Freise sowie Dr. Christian Hardinghaus, welcher die Zeitzeugen befragte und den geschichtswissenschaftlichen Hintergrund lieferte – durchaus der Subjektivität und Parteilichkeit ihrer Protagonisten bewusst. Nicht, dass die Geschichten in irgendeiner Art und Weise was auch immer verherrlichend wären, aber es sind halt nur deutsche Kriegserlebnisse von deutschen Zeitzeugen. Gelegentlich stellen diese sich, wie man es schon gerne nach der Niederlage die letzten 71 Jahre lang gemacht hat, als Opfer dar, sehr viel seltener als Täter. Dies gäbe der Graphic Novel eigentlich einen leichten Beigeschmack, wenn Dr. Christian Hardinghaus diese Episoden in den dazugehörigen Begleittexten – welche von der Seitenanzahl her meist ungefähr halb so lang sind wie die Comics – nicht in einen historischen Kontext einordnen würde. Die Geschichten sind dabei authentisch, was teils aber zu Lasten der Spannung und der Empathie geht. Dabei bleiben viele der Charaktere, gerade auch durch die jeweils nur wenigen Seiten, recht fremd. Im Endeffekt bin ich aber für den gewählten Weg der Autoren, dass sie auf Realismus und Authentizität anstatt auf dramatisiertes Storytelling gesetzt haben, sehr dankbar. So wird „Großväterland“ nämlich zu einer Art Zeitdokument, welches man beispielsweise sehr gut im Geschichtsunterricht einsetzen könnte. Diese Graphic Novel hinterlässt bei mir dabei den Eindruck, als sei es eine der populär-historischen TV-Dokumentationen von Guido Knopp in Comic-Form, was ich jetzt als großes Lob meine :-) Kein ganz so großes Lob bekommt von mir der Zeichenstil. Der ist jetzt zwar meiner Meinung nach nicht so schlecht, wie ich in anderen Rezensionen gelesen habe, aber an manchen Stellen schon sehr grob und einfach. Durch die großflächige, stets sehr kalt gehaltene Kolorierung kommt aber gerade bei den Panoramen eine sehr passende, trostlose Atmosphäre auf. Lediglich mit der Zeichnung von vielen Gesichtern kann ich leider überhaupt nichts anfangen, da sie auf mich den Eindruck machen, sie würden Schielen oder generell verschoben sein. Immerhin kommen die jeweiligen Emotionen aber passend rüber. Fazit: Für preislich 16,99 € bekommt man mit „Großväterland“ (Link) ein 84 Seiten umfassendes Hardcover vom „Panini Verlag“, welches sich seines schwierigen Themas durchaus bewusst ist und damit in angemessener Form umgeht. Empfehlenswert!
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