Brian K. Vaughan ist ein kreativer Tausendsassa, welcher der breiten Masse vielleicht durch seine Arbeit an TV-Serien wie „Lost“ und „Under the Dome“ bekannt sein könnte. Nebenher arbeitet er auch an Comics und heimste dafür eine ganze Menge der renommierten Comic-Auszeichnung „Eisner Awards“ (Link) ein. Mit dem Kriegsdrama „We Stand On Guard“ erscheint seine sechsteilige Miniserie hierzulande als Sammelband beim „Cross Cult“-Verlag – Und ich wage zu behaupten, dass es diesmal keine Preise dafür geben wird… 2112 verteidigen sich die USA erfolgreich gegen einen kanadischen Präventivschlag und erobern dann ihrerseits den nördlichen Nachbarn. Im Eiltempo rücken die US-Truppen mit ihrer überlegenen Technologie – riesigen Automatik-Kampfrobotern – vorwärts und erschließen so neue Wasserquellen für ihr ausgedorrtes Land. 2124 ist Kanada fast vollständig besetzt, doch eine sich selbst „Zwei-Vier“ nennende Widerstandsgruppe verschanzt sich in den schneebedeckten Wäldern und bereitet den Amerikanern mit ihren Guerilla-Aktionen immer wieder Probleme. Eines Tages sammeln sie die junge Waise Amber auf, welche ihre Eltern als Kind beim Angriff der Amerikaner verlor. Ihr Bruder ist mittlerweile auch in Gefangenschaft geraten, sodass die Protagonistin dieser Comic-Serie verständlicherweise äußerst motiviert und rücksichtslos gegen die Besatzer vorgeht. Ihre Erlebnisse begleitet das Buch dann in sechs durchweg unterhaltsamen, aber recht oberflächlichen Kapiteln mit einigen Logiklücken. Die Geschichte an sich ist recht simpel konstruiert und folgt vom dramaturgischen Aufbau her typischen Genre-Konventionen: Amber wird Mitglied der Guerilla, die ihr natürlich erstmal misstraut. Sie bewährt sich, während andere Mitglieder fallen oder in Gefangenschaft geraten. Irgendwann wird die Truppe entdeckt und holt ihrerseits zum finalen Gegenschlag aus. Dazu bietet jedes Kapitel einen kurzen Rückblick, welcher die Entwicklung Ambers vom jungen Waisenmädchen bis hin zur patriotischen Kriegsverbrecherin aufzeigt. Hier wird die Protagonistin tatsächlich glaubwürdig charakterisiert, sodass man ihre Handlungen – wenn man sie als Leser auch hoffentlich nicht gutheißt – nachvollziehen kann. Lediglich ihr Aufstieg innerhalb der Guerilla wird viel zu flott abgehandelt: Gerade noch misstraut man ihr und lässt sie nur mit verbundenen Augen ins Geheimversteck mitkommen, ein paar Seiten später gibt sie schon Anweisungen. Deshalb hat man als Leser das Gefühl, als wäre die Serie auf ein paar Kapitel mehr angelegt gewesen und dann radikal beschnitten wurden. Oder man wollte einfach nur möglichst viel brutal-brachiale Bombast-Action auf Kosten einer glaubwürdigeren Handlung. Dadurch schwächelt die Charakterzeichnung der übrigen Gruppenmitglieder. Jedes Mitglied der bunt durchmischten Truppe bekommt ein paar Sätze zum Aufsagen, meistens unmittelbar bevor es Tod oder Gefangenschaft ereilen. Unter der gerafften Handlung leidet vor allem auch die Tiefe des interessantesten Charakters: Die unter den Widerständlern einfach nur "Die Amerikanerin" genannte Antagonistin des Buches. Die geborene Kanadierin und nun US-Sonderbeauftragte ist in ihrer Kompromisslosigkeit ein würdiger Gegenpart zu Amber. Dabei ist sie selbst nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe der US-Politik, die verzweifelt versucht die durch den Wassermangel ins Chaos stürzenden Vereinigten Staaten zu retten. Wie schon weiter oben geschrieben, bietet die in sich abgeschlossene, sechsteilige Miniserie vor allem brutal-brachiale Bombast-Action. Sowohl vergleichsweise simple Schusswechsel zwischen Infanteristen als auch Guerilla-Angriffe auf wahrhaft riesige Kampfroboter und Lufttanker sowie eine unterirdische (!) Abwehrschlacht gegen hunderte Roboter-Hunde mit Luftunterstützung. Dabei werden die Kämpfe dynamisch und effektvoll in Szene gesetzt, mit einem überraschend hohen Anteil an Blut und Gedärmen. Das muss dem Leser nicht zwangsläufig gefallen, im Gegensatz zu den Zeichnungen im Allgemeinen. Denn die sind wirklich gut gelungen, mit vielen Details, großartigem Design und einer stimmigen Kolorierung. Gerade die Outdoor-Szenen vermitteln echte Winteratmosphäre. Diese Bilder werden vom „Cross Cult“-Verlag (welcher mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellte) in gewohnt hoher Qualität gedruckt. Der Preis von 25 € für das 144 Seiten starke Hardcover geht daher in Ordnung. Fazit: Sind wir ehrlich, mit „We Stand On Guard“ (Link) liefert Brian K. Vaughan diesmal kein auszeichnungswürdiges Meisterwerk ab. Dafür aber ein dystopisch-brutales Action-Feuerwerk, schön gezeichnet und durchweg spannend. Daher eine klare Kaufempfehlung an alle Comicleser, die harte militärische Science-Fiction mögen.
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