In meiner Kindheit sagte Oma immer „April, April, der macht was er will“, wenn der geplante Sonntagsspaziergang nach dem Mittagessen ausfiel, weil plötzlich Hochsommer-Temperaturen in regnerische Stürme umschlugen. Dann hatten meine Großeltern immer das Problem, den kleinen quengelnden Philipp zwischen Mittagessen und Nachmittagskuchen ruhig zu stellen ;-) Hätten sie mal das neue Familienbrettspiel vom „Heidelberger Spieleverlag“ gehabt: In „Odyssey: Zorn des Poseidon“ versucht ein Spieler als Meeresgott Poseidon, die restlichen Spieler mittels Stürmen und Meeresungeheuern vom Heimweg abzuhalten. Also genau richtig für stürmische April-Nachmittage mit kleinen quengelnden Philipps ;-)
Im Grunde handelt es sich hier um ein recht simples Deduktionsspiel, in welchem ein Poseidon-Spieler gegen bis zu vier Griechen-Spieler antritt. Zu Beginn wird der Spieltisch mittels der Box als Sichtschirm in zwei Hälften geteilt: Auf der einen Seite Poseidons Spielfeld mitsamt seiner Sturmplättchen, auf der anderen Seite das gemeinsame Spielfeld aller Spieler. Die Spieler positionieren dann auf dem jeweiligen Startfeld ihre Schiffe und schon kann es losgehen. Ziel des Spiels ist, dass die Griechen-Spieler innerhalb des Rundenlimits die heilige Insel in der Mitte des mit einem quadratischen Rasters überzogenen Spielfeldes bewegen. Dafür können sie ihr Schiff je Runde ein Feld weit bewegen. Eigentlich eine sehr simple Aufgabe, gäbe es nicht den Poseidon-Spieler. Dieser versucht die Schiffe mittels Stürmen und optionaler Nebelbänken etc. vom Kurs abzubringen, sodass diese ihre genaue Position erraten müssen um nicht am Ziel vorbei zu segeln.
Wie funktioniert das genau? Jede der zumeist 11 Runden (zumeist, da bestimmte Spielvarianten das Spiel um ein paar Runden verlängern) besteht aus zwei Spielzügen. Zuerst darf Poseidon verdeckt auf seiner Karte mittels Stürmen (farblich sortiert, ob es einen bestimmten Spieler oder alle trifft) die Position der Griechen-Schiffe beeinflussen, indem er sie in ein benachbartes Feld zieht. Dabei sieht er auf seinem Spielplan jeweils die exakte Position der Schiffe, während die Spieler auf ihrem Spielplan nur vermuten können wohin sie der Sturm getrieben hat. Dann ziehen wiederum die Spieler ihr Schiff um ein Feld. Nun wird es vermutlich passieren, dass die Spieler durch Poseidons Einflussnahme auf einem anderen Feld stehen als gedacht. Darum folgt zum Ende jeder Runde die Erkundungsphase, in welcher der Poseidon-Spieler verrät was die Spieler jeweils auf ihrem Feld sowie den rundherum angrenzenden Feldern sehen. Dabei ist wird das besetzte Feld jeweils genau beschrieben (“Ihr steht auf einem Tiefwasserfeld“ oder „Ihr steht auf einer bewaldeten Insel“), während die angrenzenden 8 Felder nur grob und zusammengefasst beschrieben werden (“Auf euren angrenzenden Feldern gibt es insgesamt zwei Inseln“ oder „Auf einem eurer angrenzenden Feldern sehr ihr ein fremdes Schiff“). Aufgrund dieser Aussagen müssen die Spieler dann versuchen herauszufinden, wo genau sie sich befinden. Mittels optionaler Regeln kann das Spiel dann für die Spieler erleichtert (z.B. Nutzung von Leuchttürmen) oder erschwert (z.B. Einsatz von Nebelbänken) werden. Dabei muss ich hier lobend anerkennen, dass das Spiel überaus fair ausbalanciert ist.
Das Spielprinzip ist also eigentlich recht einfach, so einfach dass ich die Altersempfehlung von 13 Jahren als fast schon ein wenig zu vorsichtig betrachte. Was hingegen bei den Testspielen (mit insgesamt 3 SpielerInnen, dabei teilweise mit Sonderregeln) überraschend präzise angegeben wurde, war die Spielzeit. Tatsächlich, jedes Mal fast auf die Minute genau, 30 Minuten! Nun wiederhole ich den Satzbeginn einfach nochmal: Das Spielprinzip ist also eigentlich recht einfach... fast schon zu einfach. So leidet der Wiederspielwert trotz unterschiedlicher Spielpläne und verschiedener optionaler Regeln (sogar eine Spieler-gegen-Spieler-gegen-Poseidon-Variante gibt es), weil sich das Spielprinzip beim intensiven Dauerspielen doch rasch abnutzt. Für mehr als zwei Runden hintereinander sollte die Motivation wohl nicht reichen, aber damit ist ein stürmischer April-Nachmittag ja schon gerettet :-D Und um es aller paar Wochenenden mal rauszukramen und ein bis zwei halbstündige Runden zu zocken, dafür ist es optimal geeignet.
Die überraschend große, sehr stabile und wirklich lobenswert aufgeräumte Box enthält 11 Sturmplättchen, 14 Spezialplättchen, 16 Erinnerungsmarker, 2 Kompasskärtchen (wofür sind die eigentlich da, auf den Karten selbst ist doch ein Kompass?), 8 Plastikschiffe, 4 doppelseitige Spielpläne und 1 Regelheft. Die Qualität ist, wie vom „Heidelberger Spieleverlag“ (der mit dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zukommen lies) gewohnt gut. Der Preis beträgt 34,95 €, was ich für den gebotenen Inhalt als ein klein wenig zu hoch bepreist ansehen würde (im Handel habe ich es aber durchgehend für unter 30 € gesehen). Andererseits, ein zufriedengestelltes Quengelkind ist natürlich unbezahlbar ;-)
Fazit: „Odyssey: Zorn des Poseidon“ (Link, inkl. Regeldownload) ist ein wirklich nettes und familientaugliches Deduktionsspiel, welches aber eher für gelegentliche Spielrunden geeignet ist.