Das Fantasy-Genre hat es, gerade in der Literatur, ziemlich schwer bei mir. Das könnte daran liegen, dass sich einfach viel zu viele Bücher gleich lesen: Elfen, Zwerge und Orks kloppen sich um Macht und Reichtum, meistens fliegt auch noch ein Drache vorbei oder eine tugendhafte Jungfrau muss gerettet werden – Nein, typische EDO-Fantasy ist echt nix für mich. Der ausgesprochen umtriebige, vielschreibende und preisgekrönte deutsche Autor Felix A. Münter (Link) lockte mich daher mit dem Versprechen, sein neuer Roman „Kaisersturz“ als Beginn der „Imperium von Westrin“-Trilogie würde weitab ausgetretener Klischee-Pfade wandeln. Na da war ich dann mal gespannt ;-)
Wie immer in meinen Rezensionen ein paar Transparenz-Floskeln: Ich habe den Roman als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten. Außerdem ist Felix ein „Arbeitskollege“ bei den Teilzeithelden (Link), allerdings im Lektorat was ihm eher Minuspunkte einbringt :-P ;-) :-D Gut, jetzt aber mal Spaß beiseite, denn im „Imperium von Westrin“ wird es ernst und düster:
Der 550 Seiten starke Roman erzählt in 12 Kapitel von Krieg, Diplomatie und Intrigen im Fantasy-Reich Westrim. Dieses in vielerlei Hinsicht an das spätrömische Reich erinnernde Imperium herrschte gut 800 Jahre lang über einen Großteil der Welt, doch hat es mittlerweile seinen Zenit längst überschritten. Während eines sehr harten Winters versuchen gleich drei konkurrierende Reiche mit Hilfe eines Verräters den Kaiser zu stürzen und sich das zerfallende Reich einzuverleiben. Ohne jetzt zu viel zu spoilern: Das schaffen sie problemlos, doch ein enger Vertrauter des Kaisers kann mitsamt einer illustren Veteranentruppe immerhin die Kaiser-Zwillinge und damit legetimen Thronerben in Sicherheit bringen.
Nun könnte hier das Buch eigentlich schon zu Ende sein: Das aufgeteilte Reich zerfallen und geplündert, die Verfolger den Kaiser-Zwillingen dicht auf den Fersen. Doch da sind gerade mal die ersten 100 Seiten durch und es beginnt richtig spannend zu werden: Nicht nur, dass die Eroberer beginnen sich in bester „Game of Thrones“-Manier gegenseitig zu hintergehen. Mit zwei anfangs eher schmächtigen, im Verlauf der Handlung aber immer mächtigeren Magiern und einer letzten Widerstand leistenden Legion kommen auch neue Handlungsfäden hinzu. Diese sind alle miteinander verwoben und gipfeln in einer dramatischen Entscheidungsschlacht…
Die Stimmung des Buches ist durchweg düster, hier gibt es kaum rein schwarze/weiße Figuren (und wenn, dann höchstens pechschwarz, einen durchweg strahlenden Helden konnte ich nicht entdecken). Das ist eine der ganz großen Stärken dieses Buches. Ebenfalls eine große Stärke ist, dass Felix sein Versprechen hielt und eben keine Klische-EDO-Fantasywelt beschreibt, sondern eine eigene Welt mit nachvollziehbaren politischen/organisatorischen/religiösen Eigenheiten erschafft.
Die Welt füllt der Autor nun mit zahlreichen zumeist glaubhaften Figuren aus, lediglich bei einem der Hauptantagonisten (dem Verräter) fehlt mir die Handlungsmotivation oder eine scharfe Charakterzeichnung. Und hier komme ich zu einer der wenigen Schwächen des Buches: Es gibt zu viele Figuren und damit einhergehend zu viele Handlungsstränge, es ist nicht immer einfach die Übersicht zu bewahren. So bleiben einige spannende Figuren ein wenig im Hintergrund, da für den Handlungsfortschritt eher mäßig wichtige Personen (zumindest aus Lesersicht, sicher hat der Autor mit diesen Figuren in den kommenden beiden Teilen noch eine Menge vor) den Platz „wegnehmen“.
Positiv an diesem Figurenreichtum ist dagegen, dass man den Krieg in Westrin auf allen Handlungsebenen dargestellt bekommt: Vom Schlachtengetümmel des Fußvolks bis hin zu den politischen und strategischen Entscheidungen der Könige. Negativ daran wiederum ist, dass man hier den qualitativen Unterschied zwischen den einzelnen Abschnitten beziehungsweise Handlungsebenen deutlich erkennen kann: Die Beschreibungen von Politik, Diplomatie und Strategie liest sich hervorragend, bei den Abschnitten über Einzelpersonen oder kleine Gruppen kann der Autor aber noch eine Schippe drauflegen. Nicht, dass sich diese Abschnitte nicht ebenso unterhaltsam lesen würden wie der Rest, aber hier werden dann doch einige typische Klischees bedient: Beispielsweise war der Aufbau der Heldengruppe (heldenhafter Anführer, gealterter Veteran, sexy Kampfmädel, magischer Heiler etc. – natürlich mit Gruppenkonflikten und Liebelei) vorhersehbar, auch wer davon dann im Handlungsverlauf den Heldentot stirbt war keine große Überraschung. Dass Barbaren edle Wilde sind, Prinzessinnen rumnölen und die Ausgestoßenen sich in größter Not bewähren – Klischee! Aber dies sind wohl die Zugeständnisse an das Fantasy-Genre, genauso wie die Tatsache dass es mächtige aber unterdrückte Magie gibt – Passend zum düsteren Setting übrigens auch in Form von brutaler Blutmagie, was dann doch wieder recht erfrischend ist. Hier frage ich mich nach der Lektüre allerdings, wieso die Magie eigentlich so sehr unterdrückt war wenn sie doch so großartige Zauber (Spoiler: Scheinbar unbesiegbare Dämonen, Verhaltensmanipulationen über weiteste Entfernungen hinweg) wirken kann. Und ich frage mich, ob das gesamte Buch nicht mit einem Magie-Verzicht noch deutlich besser geworden wäre.
Aber auch mit Magie ist „Kaisersturz“ ein Leservergnügen! Felix schreibt in seinem ersten Fantasy-Roman in einem flüssigen, angenehmen Schreibstil der sich trotz/dank (so sicher bin ich mir da noch nicht :-P) einiger sprachlicher Spielereien gut lesen lässt. Wobei „alles dem Feuer zu überantworten“ als Umschreibung für Niederbrennen schon etwas speziell ist ;-) Auch das Lektorat hat, gemessen an der Menge an Text, ordentlich gearbeitet, wenn auch nicht perfekt. Über die Druckqualität kann ich, da ich eine Digital-Ausgabe hatte, diesmal nichts schreiben. Rein vom Inhalt her würde ich aber die 4,99 € für die Kindl-Version bzw. 14,95 € für die Druckversion als vollkommen gerechtfertigt erachten. Wichtig ist vielleicht noch zu erwähnen, dass dieser erste Teil mit einem mittelschweren Cliffhanger endet, wobei die Namen der angekündigten Fortsetzungen „Exil“ und „Heimkehr“ allerdings schon zeigen, wohin die erzählerische Reise geht. Ein paar mehr Hintergrundinformationen finden interessierte Leser übrigens in der ständig erweiterten Westrin-Wiki (Link).
Fazit: Felix A. Münter hat mit seinem Trilogie-Auftakt „Kaisersturz“ ein wirklich gutes Fantasy-Buch geschrieben. Ich hatte keinerlei Erwartungen und war deswegen umso erstaunter: Durchgehend spannend geschrieben, ist es trotz einiger leichter Schwächen überaus unterhaltsam und (m)ein absoluter Lesetipp für den Weihnachtsurlaub!
PS: Eigentlich gebe ich ja in meinem Blog keine Wertungen ab, aber Felix bat mich diese Rezension auch bei einem bekannten Online-Buchhändler online zu stellen. Und da man dort bis zu 5 Sterne vergeben kann, wähle ich dort eine 4-Stern-Wertung (wobei ich damit bisher bei 6 Rezensionen die schlechteste Wertung abgebe :-P). Diese Wertung kommt folgendermaßen zustande: Von den 12 Kapitel bekäme eines drei Sterne, drei oder vier Kapitel bekämen fünf Sterne und der Rest landet bei vier Sternen. Das macht im Durchschnitt so um die 4,2 Sterne und damit wird auf 4 Sterne gerundet.