Ich stecke ja als Rollenspiel(leit)er auch nach 2 Jahren noch in den Kinderschuhen, aber eins habe ich schon gelernt: Mit der passenden Klangkulisse kann man sehr leicht sehr atmosphärische Stimmung erzeugen :-) Passende Musik kommt von Künstlern wie Ralf Kurtsiefer, den ich heute zum Interview gebeten habe. Hallo Ralf, stell Dich doch erstmal den Lesern vor.
"Ich bin 47 Jahre alt und hatte in meinem Leben immer mit Musik zu tun. In meiner Jugend war ich DJ. Meine erste große Anschaffung war ein Akai S 1000 (damals noch für 6000 DM ;-)). Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Ich bin ein politisch sehr interessierter Mensch. Meine größte Schwäche ist, dass ich mir zu allem eine eigene Meinung bilde. Mein größter Vorteil ist, dass ich für niemanden eine ernsthafte Konkurrenz bin, weil ich, nur um Erfolg zu haben, nie mit eben dieser eigenen Meinung hintern Berg halten würde."
Wie kamst Du überhaupt zum Rollenspiel? Und was ist dein Lieblingsspiel?
"Meine heute besten Freunde sind allesamt Rollenspieler. Den ersten habe ich über eine ehemalige Freundin meiner Frau kennen gelernt. Den zweiten haben die Götter in unsere Nachbarschaft geführt und den dritten haben wir im Internet gefunden…..da bekommt man heute ja fast alles :-) Einer dieser Freunde hat uns damals zum Rollenspiel gezwungen, wobei meine Frau strikt gegen den Blödsinn war! Dann hat ein Bekannter ein Life-Rollenspiel in einem Saloon im Phantasialand veranstaltet. Mit Kostümen, welche vorher selber genäht wurden. Meine Frau hat ausnahmsweise mitgemacht. Ich hatte die tragende Rolle des Bürgermeisters. Höhepunkt des Abends sollte meine Hochzeit mit einer sehr hübschen jungen Frau sein. Das wusste natürlich keiner! Meine (RealLife-)Frau war nur meine Geliebte in diesem Spiel, welche ich los werden sollte. Irgendwie muss ich sie dabei so verärgert haben, dass sie mich doch tatsächlich erschossen hat. Da ich aber wichtig war (im Übrigen immer noch bin :-)) hat der Spielleiter entschieden, ich hab überlebt. Leider nur kurz! Meine Frau hat mich dann nochmal erschossen :-( Seit dem mag sie seltsamerweise das Rollenspiel und ich hab manchmal abends Angst, vor ihr einzuschlafen! Wir spielen "Das Schwarze Auge". Auf Cons hab ich auch mal "Dungeonslayer" ausprobiert, was mir auch gut gefällt. Ich hab auch mal ein eigenes Rollenspiel erfunden. Rassismusfrei und nicht gewaltverherrlichend. Für Kinder. Hat aber keinen interessiert. Du siehst, da Musik das Einzige ist, das ich gut kann, muss ich dabei bleiben ;-) Was ich auf jeden Fall auch mal gerne spielen würde, wäre "Splittermond" und "Pathfinder". Ach ja und natürlich "Eis & Dampf"."
Du veröffentlichst ja auch Musik. Auch hier die Frage: Wie kamst Du dazu, Musik zu machen?
"Ich hab immer alles Geld, was ich hatte für Musik ausgegeben. Plattenspieler und Platten, Mischpult und Boxen usw. Zum Komponieren bin ich durch den Musikunterricht in der Schule gekommen. Mein Zugang zum Komponieren ist ein rein theoretischer. Ich habe nie gelernt ein Instrument zu spielen. Dafür haben wir während des Abiturs in unserem 5 Mann großen Musik-Grundkurs (laut unserer Lehrerin Frau Fastenrath) den Stoff geschafft, der auch in den ersten Semestern eines Studiums der Musiktheorie gelernt wird. Das war eine gute Grundlage um dann privat weiter zu lernen. Und ich wollte immer ALLES wissen! Meine erste Musik entstand auf Notationsprogrammen für den C64. Deshalb ist meine Musik auch auf ganz verschiedenen Ebenen von wichtigen Ideen und Zielen durchzogen. Beispielsweise versuche ich in jedem Stück dem Zuhörer einen Akkord zu zeigen, den er in seiner Lady Gaga-Welt noch nie gehört hat. Weißt du, Beethoven hat seine Musik mit der Idee geschrieben, die Menschen dadurch besser zu machen. Er glaubte, dass wenn der Mensch mehr Freude empfinden würde, dann würde er aufhören sich gegenseitig auszurotten. Vor allem dieser Idee ist seine "Ode an die Freude" gewidmet…was ja heute unsere Europa-Hymne ist…..wie ich finde ist das sehr passend. Und ich hoffe, dass wenn ein Mensch den ein oder anderen Akkord zu hören bekommt, dass er dann auch den Mut fasst, den ein oder anderen neuen oder eigenen Gedanken zu fassen. Warum ich das hoffe? Weil ich weiß, dass der Mensch ein Herdentier ist, das sich von Bild und Glotze total verblöden lässt wenn es drauf ankommt. Wissenschaftler haben festgestellt, dass wenn ein Mensch 10 Mal am Tag das Falsche und nur einmal die Woche das Richtige hört, dass er dann an das Falsche glaubt. Meine Musik ist mein Beitrag zur Bekämpfung dieses Umstandes."
Und die Folgefrage: Wieso Musik fürs Rollenspiel? Und was bringt mir das als Hörer?
"Das ist eine weitere Ebene meines Musiktheoretischen Ansatzes. Hierzu gibt es auf meinem youtube-Kanal einen einstündigen Vortrag von der "Feencon". Um es kurz zusammen zu fassen: Mit Musik kann man Menschen beeinflussen. Und das viel leichter wie mit Worten. Ich stelle die Theorie auf: Würden alle Meister dieser Welt pro Spieleabend nur 3 Musikstücke zielgenau einsetzen, wären alle Menschen dieser Welt Rollenspieler. Ok, so mancher Nerd wird nun Angst bekommen: “Wieso denn das? Ich will in meiner kleinen Nerd-Welt doch allein bleiben“. Ich glaube, Rollenspiel wäre für uns alle wichtig. Für viele geradezu die Rettung. Wer Rollenspiele mag, empfindet das anders sein von anderen nicht als Bedrohung, sondern als eine Bereicherung. Als wichtiger Teil eines Abenteuers. Dann ist es ein Spiel in dem man nicht ein vorgefertigtes irgendwas konsumiert, sondern wo Fantasie und eigene Ideen gefordert sind. Für Kinder quasi SUPER! Wir können außerdem Dinge ausprobieren, vielleicht sogar ausleben, die uns davor behüten genau dasselbe in der Realität zu tun. Ich meine, dass so das Tier in uns vielleicht besser zu befriedigen und im Zaum zu halten ist. Dieses tiefe Bedürfnis danach hab ich in vielen Foren-Diskussionen erlebt. Einer hat da mal geschrieben: „Ich möchte in einem Rollenspiel Orks bedenkenlos töten können ohne darüber moralisch nachdenken zu müssen“. Da ist also tief in uns allen etwas, das jemanden killen will, einfach nur aus dem Grund weil er anders ist. Nationalsozialismus ist für mich nicht einfach nur Antisemitismus. Nationalsozialismus ist dem Volk einen Sündenbock zu geben. An dem sie dann ihre unsozialen Neigungen ausleben können. Deshalb heiße ich "Orkpack". Wenn du dir meine Kriegsstücke anhörst, wirst du merken, dass da immer eine traurige Komponente drin ist. Denn Krieg ist eben nicht lustig. Genau das wurde übrigens vor kurzem kritisiert. Dass meine traurigen Melodien über Stakkatoartigen Klängen immer wieder aus dem schönen Gefühl des Blutrausches rausreißen… . Tja, das soll sie ja auch. Mission erfüllt :-) All diese und andere Verhaltensweisen, welche wir ererbt haben und welche es zu überwinden gilt, kann man sich im Rollenspiel bewusst machen. Das wäre meine Wunschvorstellung. Aber selbst wenn man sie nur auslebt und damit verhindert, dass sie im echten Leben ausbricht, dann wäre schon viel gewonnen. Einen Satz nur noch zu diesem Thema …Meine Musik könnte die Brücke zwischen Lady Gaga und der Klassik sein. Sie ist nämlich keine Klassik, weil ich mir die Mühe mache, die Leute da abzuholen, wo sie sich zurzeit harmonisch und musikalisch befinden. Das macht reine Klassik meiner Meinung nach nicht."
Wie schreibt/produziert man Rollenspielmusik? Hast du spezielle Spielszenen im Kopf oder versuchst Du allgemein die Stimmung des Spiels zu erfassen?
"Ich habe mir über die Jahre viele Gedanken dazu gemacht. Am Anfang habe ich gedacht, es reicht erst mal die Menschen in das entsprechende Setting zu bringen. Beispielsweise Wald mit entsprechender Musik und den dazu gehörigen Geräuschen. Mittlerweile ist mir das alleine zu wenig geworden. Ich hab mal gelesen, dass in Musicals oder Kinder Disney-Filmen mit Gesang, früher einfach nur ein Stück zwischendurch gesungen wurde, das ganz gut passt. Heute bringt so ein Stück auch die Geschichte voran. Ein gutes Beispiel ist sicherlich "König der Löwen". In der Szene beispielsweise wo die Entwicklung des kleinen Simba zum jugendlichen Löwen in einem Stück vollzogen wird. Deshalb hab ich auch versucht, dem Spielleiter mehr als nur Ambiente an die Hand zu geben. Auf den neuesten CD´s (die meisten kommen noch :-)), gibt es z.B. reine Geräusche für den Wald (welches man auch gerne in Schleife laufen lassen kann). Das Stück danach, nimmt dann die Waldatmosphäre musikalisch auf und verarbeitet sie. Der Meister kann also im richtigen Moment vorwärts skippen und diesen zweiten Track als musikalischen Höhepunkt (oder spielerischen Höhepunkt) nutzen, indem er eigenen Text darüber spricht. Wieder andere Stücke gibt es in Mehrfachausführung, um sie für dasselbe Setting, aber verschiedene Geister einzusetzen (Schleierfall und Schleiertanz). In den neuen noch kommenden CD´s gehe ich soweit, dass der Meister, wenn er will, sogar singen darf. Oder er kann einen Teil der Geschichte einfach von der CD abspielen und sie so vorlesen lassen. Eine weitere wichtige Ebene (quasi Subebene) ist es, dass Stücke den Zuhörer zu eigenen Abenteuern anregen sollen"
Hast Du für andere Jungkomponisten Tipps und Tricks?
"Oh ja viele sogar. Sie sollten sich überlegen, ob sie was Wichtiges zu sagen haben, oder ob sie nur Geld verdienen wollen. Wenn Sie Geld verdienen wollen, dann müssen sie sich die Tipps wo anders holen. Wenn sie was Wichtiges zu sagen haben, dann sollten sie sich einen guten Job suchen, weil sie von der Musik allein niemals leben könnten. An die, die durch Musik reich geworden sind, wird man sich in 200 Jahren kaum noch erinnern (z.B. Dieter Bohlen). Weil sie die Musik nicht weiterentwickelt haben. Oder erinnert ihr euch an Edouard Colonne? War ein Dirigent :-) Aber Beethoven kennt Ihr doch, oder? Oder wer ist Benjamin Martell? Das ist der Gewinner der 4. Staffel von DSDS :-) Aber Michael Jackson kennt Ihr doch, oder? Ich will damit sagen, wir leben in einer seltsamen Zeit. In einer Zeit, in der Musik nichts mehr wert ist. In einer Zeit, in dem man Paul Potts bewundert und sich nicht um den Gedanken macht, der das von Paul gesungene Stück geschrieben hat (Puccini, kurz vor seinem Tod. Und er hat nichts mehr bereut, als nicht mehr Musik geschrieben zu haben!). Ach ja und wenn Ihr schon Musik machen wollt, dann bloß keine orchestrale Musik für Nerds! Warum? Weil Musik für ein Orchester zu schreiben zeitintensiv ist. Es ist teuer, denn du musst dir viele Instrumente kaufen und du brauchst den besten PC den du bekommen kannst. Und am Ende werden die meisten deine Musik eh nur als Hintergrundgedudel benutzen. Für die meisten bist du ein schönes Beiwerk, welches am Ende nicht wichtig ist. Also alles in allem….Seid vernünftig und lernt das Zeichnen! Was natürlich auf der Positiv-Seite zu Buche schlägt: Nirgendswo gibt es so nette Menschen wie in der Rollenspielszene. Ich sag nur: AKzwanzig13!"
Letzte Frage: Kannst Du schon etwas über zukünftige Projekte sagen?
"Ja klar :-) Mein neues Album wird wahrscheinlich bald erscheinen. Bei mir ist das immer so, dass das neueste das Beste ist. Also das glaube ich zumindest, weil auch ich noch ständig dazulerne. Die zukünftigen Projekte machen super Spaß. Sind besser als die Projekte davor und werden musikalisch und technisch nochmal besser sein wie die letzten. Und wenn ich mehr sage werde ich erschossen. Aber diesmal nicht von meiner Frau ;-) "
Ich danke Dir für das Interview, jetzt hab ich doch tatsächlich was über Musiktheorie gelernt :-D
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