Den Nerd-Youtube-Kanal "Orkenspalter TV" (Link) kennen sicher einige meiner Leser. Deren Moderatorin Mháire (Link) ist darüber hinaus auch für einige Rollenspiel-Filmprojekte, als Moderatorin (zuletzt auf der "German Comic Con") und natürlich für den legendären "Sexy Mháire und Heinz"-Kalender (Link) bekannt. Zusammen mit ihrem Freund Nicolas (er bevorzugt Nico) schreibt sie aber auch - nebenbei bemerkt sehr gute - Rollenspiel-Bücher. Von denen habe ich erst kürzlich zwei in diesem Blog rezensiert: Die witzige Videospiel-Adaption "Deponia" und das spannende DSA-Spielbuch "Legatin des Bösen". Und genau zu diesen beiden Werken hab ich das sympathische Duo im Interview befragt.
Hallo Mháire! Hallo Nico! Für die verschwindende Minderheit, die Euch noch nicht kennt: Stellt Euch doch bitte mal den Lesern vor.
"Wir haben seit mittlerweile sechs Jahren einen Youtube-Kanal, in dem es um Pen and Paper, LARP, Comics und verwandte Themen geht. Zwischenzeitlich waren wir Redakteure bei "PC Games" und "buffed", momentan sind wir selbständige Journalisten und Übersetzer. Nico hat seine „Karriere“ beim Fernsehen als Nachrichtenredakteur angefangen, Mháire hat ganz viele Sprachen studiert. Ab und an schreiben wir für den Uhrwerk-Verlag Bücher über irgendwelche Hochelfen in Myranor oder auf Müllplaneten."Mháire ist ja zugegeben ein wenig bekannter, daher mal diese Frage an Nico, damit die Leser Dich noch besser kennenlernen: Wie kamst Du überhaupt zum Rollenspiel und wie wurdest Du dann zum Autor?
"Ich bin Späteinsteiger und kam in den späten 90ern eigentlich eher aus der PC-Rollenspielrunde zu DSA und D&D. Autor wollte ich eigentlich nie werden und ich habe auch viel mehr Übung im Schreiben von kurzen Nachrichtentexten als von seitenlangen Weltenbeschreibungen. Ich glaube, man merkt auch, dass meine Schreibe eher dafür gedacht ist, flüssig vorgelesen zu werden und keinen Anspruch auf literarischen Wert."Danke. Dann wenden wir uns mal Euren aktuellen Werken zu und fangen mit der Rollenspiel-Umsetzung der beliebten Point&Click-Adventure-Trilogie "Deponia" an. Worum geht es überhaupt und wie kam es dazu?
""Deponia" war eigentlich mal als Taschenbuch mit 100 Seiten geplant und sollte nur kurz das aus den PC-Spielen (Satirisches Sci-Fi-Point&Click-Adventures mit Comicgrafik und viel Zynismus) bekannte Setting beschreiben und kurze FATE-Regeln drüberstülpen. Wir haben dafür eng mit Entwickler "Daedalic" zusammengearbeitet und schnell wurde klar, dass der Designer Poki sich noch viel mehr Gedanken zu seiner Welt gemacht hat. Er schickte uns ca. 40 Word-Seiten mit Ideen. Zu machen Regionen gab es nur einen Satz oder ein paar Stichworte, zu anderen schon fertige Texte. Zum allgemeinen Leben oder der Historie gab es gar nichts, so dass wir das gemeinsam erarbeiteten. Mir war immer wichtig, dass das Buch auch Nicht-Rollenspieler anspricht und als Reiseführer ohne Regeln einen Wert für sie hat. Daher finden sich 180 Seiten Hintergrundteil in dem Buch und nur 30 Seiten Regeln, sowie einige Abenteuerideen. "Deponia" nutzt eine umgeschriebene Version des etablierten "Turbo FATE", daher die Regeln wurden um ein paar PC-Spielmechanismen erweitert. Man kann jetzt abspeichern, es wurden ein paar Waffen- und Fahrzeugregeln eingebaut – und es gibt Item-Karten, mit denen die Spieler improvisieren können. Angenommen, sie stehen vor einem Problem und haben eine Item-Karte „dreckige Unterwäsche“ und eine Karte „Fluxkompensator-Attrappe“ in ihrem Inventar, dann können sie das Problem theoretisch lösen, indem sie solang dummes Zeug reden, bis der Spielleiter akzeptiert, dass sie mit diesen Mitteln das Hindernis überwinden. Das lässt sich gut mit den "FATE"-Regeln kombinieren. Wir selber spielen sogar weitgehend nur mit den Karten und ohne Würfel."Außerdem habt Ihr kürzlich das erfolgreiche Solo-Spielbuch "Legatin des Bösen" veröffentlicht. Für die Leser, welche meine positive Rezension nicht gelesen haben (oder irgend eine andere Rezension, denn die waren ja alle positiv :-)), auch hier die Frage: Worum geht es überhaupt und wie kam es dazu?
"Für die "Legatin des Bösen" entstand die Idee auf der "Heinzcon" in einem Workshop mit ganzen sechs Teilnehmern, in dem es darum ging, was sich die Leute von einem Solo wünschen. Alle waren sich einig, dass es ihnen nur um die Geschichte geht und sie auch gern mal einen Promi spielen würden. Da kam auch direkt die Idee mit Pardona auf. Klar, eigentlich ist die Frau viel zu mächtig, um sie noch vor sinnvolle Herausforderungen zu stellen. Also wählten wir den Ansatz, sie zu einem Zeitpunkt ihrer Karriere zu begleiten, an dem sie völlig am Boden ist. In der „Legatin“ hilft der Spieler ihr, zu alter Macht zurückzufinden. In "Legatin des Bösen" gibt es keine Regeln. Es wird niemals gewürfelt, das ganze Solo funktioniert nur über Entscheidungen. Es ist auch eher ein Rätsel-Abenteuer als ein kampflastiges. Pardonas Werte wären auch einfach zu gut für spannende Würfeleien."Interessant! Aber warum dann genau diese Regeln (also z.B. anstatt dem beliebten "Savage Worlds" in "Deponia" oder der etablierten DSA-Mechanik in "Legatin des Bösen")?
"Ehrlich? Bei "Deponia" war das so: Es sollte auch helfen, die "FATE"-Sparte ein wenig mit Produkten zu füllen. Eine komplette Eigenentwicklung wäre auch nett gewesen, aber letztlich haben wir ja einen Hybriden aus beidem. Und bei Solos würfeln finden wir einfach albern. Dazu kommt noch: DSA 4 oder schon DSA 5? Wir fanden die „Pardona würfelt nicht“-Sache eine gute Ausrede, um uns um die Regelfrage für dieses Abenteuer zu drücken."Ich feiere gerade Eure ehrliche Antwort :-D Aber von der Wahl des Regelsystems mal abgesehen, war es schwer sich bei der Entwicklung an eine vorgegebene Welt anzupassen?
"Myranor hat soooo viele weiße Flecken. Es ist daher absolut traumhaft, dafür zu schreiben. Man findet immer irgendwo eine passende Region und ein paar Eckpfeiler, an denen man sich orientieren kann – und dann kann man Städte erschaffen und untergehen lassen, wie man lustig ist. Also nein. Und bei "Deponia" haben wir die Welt ja gemeinsam mit Poki neu erschaffen, das bereits existente Setting aus den PC-Spielen war da im Vergleich kaum relevant."Nun eine meiner Standardfragen an alle Autoren, die ich an so erfahrene Autoren natürlich besonders gerne stelle: Wie kann ich mir die Entwicklung eines Spielbuches/Rollenspiels vorstellen?
"Ich glaube, die eigentliche Arbeit an "Legatin" lief so ab: Wir haben oft darüber gesprochen, was passieren muss. Dann haben wir mit Edding auf eine Tapete ein sehr großes Diagramm mit vielen Pfeilen gezeichnet, um die Struktur und die Verlinkung aufzubauen. Das wurde dann in ein Word-Dokument übertragen, sortiert, mit Abschnittsziffern versehen sowie mit kurzen Stichworten, was in welchem Abschnitt passieren muss. Und dann habe ich (Nico) während einer Erkältungsphase mit 40° Fieber alle Texte geschrieben, die mir einfielen – und Mháire hat dann die Lücken geschlossen (vor allem die gruseligen und sexy Szenen). Als wir fast fertig waren, haben wir entschieden, noch ein Punktesystem und einen fiesen Twist einzubauen. Bei "Deponia" war es zäher. Es gab mehrere Brainstorming-Sessions in Hamburg, es wurden viele Mails hin und her gewechselt, Grafiken der PC-Spiele auf Spuren und Plothooks oder Wiederverwertbarkeit als Illus durchsucht, die Dialoge der Spiele wurden alle (im einem Lokalisationsdokument von "Deadlic") noch einmal gründlich studiert, interessante Zitate herauskopiert, sortiert, Ideen Regionen zugewiesen. Es gab mehrere Versionen der Hintergrundgeschichte und der Abenteuer, die hin und her gingen und umgeschrieben wurden. Zwischenzeitlich hatten wir Hoffnung, das Buch noch 2014 oder wenigstens Anfang 2015 rauszubringen und haben im Urlaub oder an Weihnachten noch fieberhaft an neuen Texten gearbeitet. Wir haben letztlich selbst ein Vorab-Layout erstellt, um den Look des Buchs zu definieren, die vorhandenen Grafiken optimal zu nutzen und auch im Layout noch ein paar Gags einzubauen (so entstanden Sätze wie „So sehen Kakerlakenmenschen auf keinen Fall aus“) und dieses Layout wurde dann von Uhrwerk aufgehübscht."Wie lang hat die Entwicklung gedauert von der ersten Idee bis hin zum fertigen Produkt? Und hattet Ihr bei "Legatin des Bösen" von Beginn an geplant ein Solo-Spielbuch zu schreiben?
"Bei der Legatin ging das relativ schnell. Am Anfang stand der Wunsch, nach "Die Verbotenen Kammer" noch ein Solo zu schreiben. Pardona kam als Thema erst danach. Ich glaube, es lag ein Jahr zwischen der Idee und der Abgabe der Texte. "Deponia" hat sich hingegen stark gezogen, vor allem, weil wir natürlich auf Feedback von Poki angewiesen waren, der ein Perfektionist ist – und bei "Daedalic" schon genug um die Ohren hat."Wo Ihr von Poki anfangt: Wer war noch alles an der Entwicklung der beiden Bücher beteiligt?
"Bei "Deponia" war es wirklich nur ein Bälle zuwerfen zwischen und beiden und Poki. Bei der "Legatin" müssen wir natürlich die Ideengeber von der Heinzcon erwähnen."Da es sich bei beiden Büchern doch um eher ungewöhnliche Spiele handelt, war es schwer Patric Götz vom "Uhrwerk Verlag" davon zu überzeugen?
""Deponia" war sogar seine Idee, nachdem es nicht geklappt hat, die nächstbeste Lizenz zu bekommen: "Mass Effect". Für die "Legatin"-Idee war er auch sofort Feuer und Flamme."Ich war ja sehr angetan, aber was sagt der Rest? Wie ist das bisherige Feedback von Lesern und Kritikern?
"Gar nicht mal so schlecht. "Legatin" war wohl eine Verkaufsschlager. "Deponia" hat leider bisher nicht die erwartete Aufmerksamkeit der Gaming-Presse genossen, kommt aber auch bei vielen Leuten sehr gut an, wenn man den Stimmen im Netz glauben schenkt. Wir haben offenbar recht gut den Humor von Poki nachgeahmt bzw es sind ja auch viele Gags direkt von ihm und er hat nun mal einige der lustigsten PC-Spiele-Dialoge der letzten Jahre geschrieben. Der kann schon was."Würdet Ihr rückblickend etwas anders machen?
"Wie bei jedem Rollenspielbuch wünscht man sich, es gründlicher Korrektur gelesen zu haben, weil sich ja immer Fehler einschleichen. Wir hätten auch sicher effektiver zusammenarbeiten können, aber insgesamt lief es doch ganz gut."Ich danke Euch für das ausführliche Interview und wünsche bei allen weiteren Projekten viel Erfolg! Hier nochmal ein Bild von Mháire (Moderatorin) und Nico (Kameramann), wie sie Nico Kammel zu seiner Auszeichnung "GOLDENE STEPHAN 2014: Spielleiter des Jahres" interviewen ;-)