Erst vor wenigen Monaten hab ich das Western-RPG "Old Slayerhand" getestet. Ich war ziemlich begeistert, was also läge näher als den Autoren mal ein paar tiefergehende Infos zu entlocken? ;-) Es hat ein wenig gedauert, doch hier nun das langerwartete Interview mit Christoph Weiß :-D Hallo Christoph. Bevor wir anfangen, magst Du Dich den Lesern bitte kurz vorstellen?
"Gerne. Ich heiße Christoph Weiß und bin 44 Jahre alt. Aufgewachsen bin ich in Esslingen, lebe aber inzwischen seit vielen Jahren in Wien. Zum Rollenspiel kam ich 1984 über DSA1. Nach Studium und Berufseinstieg gab es eine längere Phase, in der das Hobby Rollenspiel brach lag. Erst vor ein paar Jahren habe ich wieder angefangen, mich mit Rollenspiel zu beschäftigen. Dabei bin ich auch auf "Dungeonslayers" gestoßen und habe begonnen, Fanwerke dafür zu schreiben."
Du bist Autor von "Old Slayerhand", einem Rollenspielregelwerk welches ich in meinem Blog schon sehr begeistert vorgestellt habe. Kannst Du uns trotzdem nochmal einen kurzen Überblick geben?
"Gerne. "Old Slayerhand" ist ein Western Rollenspiel basierend auf den Amerika-Romanen von Karl May. Dabei wird eine angepasste Version der Slay-Engine von "Dungeonslayers" verwendet. Der Schwerpunkt von "Old Slayerhand" liegt vor allem auf Westmännern und Indianern, welche die gefährlichen, gesetzlosen Grenzgebiete Nordamerikas durchstreifen. Dabei spielt der Konflikt zwischen den indianischen Ureinwohnern und den, immer weiter in den Westen vordringenden, Weißen eine große Rolle. Es geht also eher in die Richtung „Der mit dem Wolf tanzt“, als „High Noon“. Es ist aber auch möglich, mit den Regeln von "Old Slayerhand", Western-Geschichten im Stil von John Wayne oder Italowestern zu spielen."
Warum hast du dir die für ein Rollenspiel eher ungewöhnliche Spielwelt des Wilden Westens ausgesucht?
"So ungewöhnlich finde ich den wilden Westen als Setting für ein Rollenspiel gar nicht. Ich war schon immer ein Fan von Westernfilmen und fand schon als Kind Winnetou und Old Shatterhand toll. Ich hatte damals viele Karl-May-Hörspiele auf Schallplatten und Kassetten, die ich hoch und runter gehört habe. Später habe ich dann auch viele der Karl-May-Romane gelesen. Der Wilde Westen bietet mit dem Frontier-Thema sehr viele Möglichkeiten für spannende Szenarien und Abenteuer. Im unerschlossenen Westen ist man allen möglichen Gefahren ausgesetzt und es herrscht das Faustrecht. Überall lauern wilde Tiere, kriegerischen Indianerstämme oder auch skrupellose weiße Banditen. Daneben hat man zwischen Mississippi und der Pazifikküste auch geographisch alle möglichen Gebiete, von dichten Wäldern, über weiten Prärien, hohe Gebirge und sengende Wüsten, die man als Handlungsorte für Abenteuer nutzen kann. Auch Fantasy-Settings bedienen sich immer wieder beim Western-Gerne. Beispiele dafür sind der D&D-Klassiker „Festung im Grenzland“ oder auch das aventurische Svellttal."
In "Old Slayerhand" können manche Charakterklassen so eine Art Zaubersprüche, nämlich die Wunder, wirken. Auch kommt das ein oder andere Fabelwesen vor. Warum hast du dich für diesen leichten Fantasy-Touch entschieden und nicht ein 100 %ig realistisches Spiel oder ein noch Fantasy-lastigeres Western-Rollenspiel geschrieben?
"Diese übersinnlichen, fantastischen Elemente sind natürlich etwas, was über Karl May hinausgeht. Trotzdem finde ich, dass das Mystische sehr gut in das Western-Setting passt. Man hat ja z.B. hier auch den Schamanismus der indianischen Medizinmänner. Bei Karl May wird zwar alles aus der Sicht des aufgeklärten Europäers naturwissenschaftlich erklärt, aber selbst hier kommen Geschichten über einen Geist in der Llano Estacado vor oder Medizinmänner, welche den großen Geist über die Zukunft befragen. Für die widernatürlichen Wesen, denen man bei "Old Slayerhand" begegnen kann, habe ich mich von indianischen Mythen oder auch Fabelwesen aus Legenden amerikanischer Holzfäller inspirieren lassen. Mir ging es dabei vor allem darum, dem Spielleiter Anregungen zu geben, abwechslungsreiche Wild-West-Geschichten erzählen zu können. Ich präferiere dabei aber eher die Vorstellung eines Mystic-West oder Haunted-West, als die eines Weird-West in dem an wirklich jeder Ecke Zombies und Werwölfe laueren."
Wo hast du die ganze Inspiration her? Und auch die ganzen Informationen aus dem umfangreichen und lehrreichen Fluff-Teil?
"Zunächst einmal sind natürlich die Karl-May-Romane eine tolle Inspirationsquelle. Neben fantastischen Landschaftsbeschreibungen enthalten die Romane auch viele Informationen über politische und gesellschaftliche Hintergründe im wilden Westen. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass Karl May den Westen nur aus Büchern kannte und oft geographisch und historische nicht exakt war. So gesehen ist Karl-May auch eine Art Western-Fantasy. Weitere Informationen zum wilden Westen habe ich mit über das Internet besorgt. Durch Querverlinkungen in Beträgen bin ich dabei immer wieder auf neue Dinge gestoßen, bei denen ich mir dachte: Wow, interessant. Das kann man ja auch noch gut einbauen.
Warum hast du das Spiel für die Slay-Engine geschrieben und nicht beispielsweise für andere frei verfügbare Regelsysteme? Oder gar ein eigenes Regelsystem entwickelt?
""Dungeonslayers" ist unter Creativ Commens Lizenz veröffentlicht. Dadurch ist es möglich, auf der Grundlage der "Dungeonslayers"-Regeln eigene Werke unter dieser Lizenz zu erstellen. Dass sich die Slay-Engine nicht nur für Dungeon-Crawl eignet, sieht man an der Fülle an Dungeonslayerderivaten, wie "Gammaslayers", "DS-X", "Zombieslayers" oder "Starslayers". "Dungeonslayers" ist actionorientiert und besitzt ein erprobtes Kampfsystem, dass eine schnelle Abwicklung von Kämpfen ermöglicht. Da es auch bei "Old Slayerhand" mit Revolver und Bowiemesser richtig zur Sache gehen soll, sind die Regeln also dafür sehr passend. Daneben lassen sich aber auch andere Proben durch die Kombination aus Attribut und Eigenschaft einfach und effektiv abbilden, so dass man auch gut typische Karl-May-Aktionen, wie Anschleichen oder Spuren lesen gut umsetzen kann."
Lass dir mal im Entwicklungsprozess über die Schultern schauen ;-) Wie kamst du überhaupt auf die Idee, solch ein Spiel zu schreiben? Und war es schon so umfangreich geplant?
"Die Ursprungsidee kam eigentlich durch den Namen. Als ich überlege, was man noch alles mit den "Dungeonslayers" spielen könnte, kam mir der Name „Old Slayerhand“ in den Sinn. Da mir der Name gut gefiel, habe ich angefangen, zu überlegen, wie man die "Dungeonslayers"-Regeln auf ein Western-Setting im Stil von Karl May anpassen kann. Meine erste Fassung beinhaltete nur die groben Regelanpassungen und –ergänzungen. Ich bin dann aber drauf gekommen, dass, um "Old Slayerhand" wirklich spielbar zu machen, ein umfassendes Regelwerk vorhanden sein sollte. Daneben ging es mir auch darum, den Flair der Winnetou und Old Shatterhand-Geschichten, welche die meisten nur als die Interpretation der Filme aus den 60-er Jahre kennen, zu transportieren. Dadurch ist das Ganze immer weiter gewachsen. Es kamen dann Ausrüstung, Werte für Gegner, Zufallstabellen, ein Einstiegsabenteuer und eine Settingbeschreibung hinzu, bis das Ganze letztendlich über 240 Seite hatte."
Wie lange hat die Entwicklung gedauert und waren noch andere Autoren involviert? Und was war Deine/Eure Motivation?
"Die ganze Entwicklung hat fast zwei Jahre gedauert. In der Zeit habe ich immer wieder stückchenweise daran weitergearbeitet und Dinge ergänzt oder Kleinigkeiten verändert. Im Forum von "Dungeonslayers" gibt es zum Glück viele kreative Köpfe, die mich bei dem Projekt unterstützt haben. So hat Ursus Piscis einige sehr schöne Fluff-Texte beigesteuert. Mad_Eminenz, der schon für viele "Dungeonslayers"-Fanwerke Bilder gemacht hat, hat mir das Cover gestaltet und schließlich hatte ich noch das Glück, dass Greifenklaue sich bereitgefunden hat, das Lektorat zu übernehmen. Außerdem hat Greifenklaue "Old Slayerhand" sehr stark über seinen Blog promotet und bekannt gemacht." (Persönliche Anmerkung des Bloggers: Greifenklaue hat auch dieses Interview ermöglicht, vielen Dank dafür!)
Was würdest du anderen Jungautoren, die vielleicht auch für die Slay-Engine schreiben wollen, empfehlen?
"Zunächst einmal: „Fangt einfach an!“ Für die Arbeit selbst muss jeder seine eigene Methodik finden. Für mich waren vor allen, meine Notizen wichtig, in denen ich spontane Ideen für spätere Bearbeitung festgehalten habe und meine Excel-Listen, mit denen ich verschiedene Dinge, wie z.B. Talente und Wunder aufgelistet und strukturiert habe. Die Slay-Engine beruht auf einfachen und schnellen Mechanismen. Bei Regelerweiterungen und Anpassungen sollte man sich deshalb immer wieder fragen: „Braucht es diese Regelung wirklich?“ und „Geht das eventuell noch einfacher?“."
Wie soll es mit "Old Slayerhand" weitergehen? Kommen Erweiterungen oder gar eine Kaufversion? Und hast du persönlich noch andere Projekte in Arbeit?
"Ich werde auf jeden Fall noch weitere "Prärien2Go", also kurze Abenteuer zum direkten Losspielen, für "Old Slayerhand" schreiben. Eine ist bereits als Beitrag für den diesjährigen "Dungeonslayers"-Adventskalender fertig. Ein weiteres Projekt, das ich noch weiterverfolgen will, ist die Settingerweiterung für "Old Slayerhand" namens „Im Schatten des Padischah“. Damit soll es möglich sein, auch die Orient-Romane von Karl May mit "Old Slayerhand" zu spielen."
Ich danke herzlich für das Interview!
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