Dank der Indie-RPG-Interviewreihe durfte ich ja schon eine ganze Menge an noch recht unbekannten Projekten entdecken. All diesen gemein war, dass sie ihr Spiel rund um ein Setting festlegten oder aber das Setting auf das Regelsystem drauf packten. Was ich noch nicht gehört habe - und deswegen liebe ich diese Artikelreihe, weil man immer neue Einblicke bekommt - dass man ein gesamtes Rollenspiel inkl. Regeln um einen einzelnen Nichtspielercharakter herum aufbaut. Darum: Bühne frei für das System und gleichzeitig NSC "Jen Jun'Nai" :-)
Hallo Erik. Magst Du Dich den Lesern kurz vorstellen?
"Mein Name ist Erik, gehe nun auf Mitte 40 zu und komme aus Bielefeld. Ich spiele seit etwas mehr als 20 Jahre RPG’s und habe mit AD&D angefangen."Kannst Du Dein System bitte kurz vorstellen?
"Bei meinem System in Entwicklung, handelt es sich um sowas wie ein Storytelling-System und das aktuelle Setting was ich zur Zeit anteste ist ein Gegenwartssystem wo man in die Rolle eines Jugendlichen schlüpft (15-17 Jahre), aber prinzipiell kann man auch andere Settings verwenden, was ich noch nicht gebaut habe ist ein Kampfsystem. Weil das momentan noch nicht geplant ist da ich erst an den grundlegenden Strukturen arbeite damit die laufen."Was macht es im Vergleich zu anderen Systemen besonders?
"Besonders ist es in der Form, dass es dafür gedacht ist das die Gruppe (Spieler & Spielleiter) zusammen eine Geschichte erzählen was natürlich den Nebeneffekt hat dass man, wenn man Pech hat, in eine ganz andere Geschichte abdriftet. Es nicht so gedacht ist, dass der Spielleiter eine Story überlegt und die anderen diese nur erleben. Sondern der Spielleiter hat selbst einen Charakter und baut um diesen herum Dinge auf. In meinem Aktuellen Fall ist es Jen, dessen Umgebung und Hintergrund ausgearbeitet ist und ich mir ein paar Cliffhanger gesetzt habe was Jen mit den anderen zusammen erleben könnte wenn die Gruppe darauf eingeht. Was natürlich immer das Risiko offen lässt, dass die anderen sich um die Cliffhanger nicht kümmern und ganz andere Sachen machen wollen. Wo man dann Improvisieren muss oder einfach mit den anderen mitgeht und die Führung wird auf einen Mitspieler übertragen. Dann muss man halt schauen wo sich eine Situation ergibt die die Gruppe wieder so umzuleiten (als Spielender) dass man selbst wieder die Führung an sich reißt. Was natürlich nicht immer sofort funktioniert."Wie kamst Du auf die Idee, ein eigenes Rollenspiel zu entwickeln?
"Die Idee kam mir auf dem Bielefelder Rollenspielstammtisch im Juni, da wurde ein Storytelling Fantasy Setting vorgestellt und ich hab mir überlegt, wie man die Grundidee anders verwenden kann und da baute sich mir die Idee mit der Kleinstadt vor Augen auf und machte mir die ersten Notizen. Mit dem Hintergedanken, was hätte ich gerne anders gemacht als Teenager und es entwickelte sich Jen in meinem Kopf. (Schaue zur Zeit gerne Anime, wie z.B. "K-On")."Was hat Dich zu diesem speziellen Setting gebracht? Und hast Du die Regeln gezielt darauf hin entwickelt, oder kamen erst die Regeln und dann die Spielwelt?
"Hmm, gute Frage. Eigentlich kam erst die „Jen“-Idee und ich habe mir überlegt was kann man für ein Attributsystem machen was mit 2W6 abzuarbeiten ist? Die 2W6 Sache scheiterte beim ersten Testspiel und ich entschied mich für ein Erfolgssystem mit „Fudge Dice“ da gibt 2 PLUS / 2 MINUS und 2 LEERE Seiten. Momentan basiert das System auf einer einfachen Regel das man nur 1 PLUS oder ein MINUS erreichen muss um eine Probe zu bestehen. Vergleichende Würfe muss ich noch dran arbeiten aber ich habe im Hinterkopf schon eine Idee. Bisher habe ich die + & - gegengerechnet aber da hat jemand mit einem Höheren wert Nachteile durch. Das Setting ergab sich einfach durch die Idee wie würde eine Kleinstadt aussehen wenn sie allen Klischees und Vorurteilen umfasst die es so gibt und man dann dort jemanden hinziehen läßt der aus dem Rahmen und dem Raster der restlichen Bevölkerung fällt. So kam das Patenkind was adoptiert wurde als asiatische Mädchen mit evangelischer Erziehung in eine Kleinstadt die streng katholisch ist. Die Grundidee ist natürlich etwas riskant aber genau dieses war der Reiz und die Hintergrundidee. Wobei es sicher Leute gibt die mir dieses Kombination übel nehmen werden. Aber bisher haben meine Mitspieler, nun schon 3 Gruppen, das ganze lustig gefunden. Einfach mal Klischees und Vorurteile auszureizen."Plaudere doch mal aus dem Entwickler-Nähkästchen. Wie kann ich mir die Entwicklung eines Rollenspiels so vom Arbeitsablauf und Arbeitsaufwand vorstellen?
"Die Entwicklung, hmm es fing mit Schmierblättern und Notizen an die ich (psst ;-)) auf Arbeit in einer ruhigen Minute gemacht habe, auch zum Teil in der Pause. Diese Notizen habe ich dann am Rechner zusammengefasst und nach und nach haben sich Strukturen, Verbindungen und Ideen ergeben die das ganze abrundeten. Parallel zu diesen Verarbeitungsvorgängen (klingt spießig) entwickelte sich im Hinterkopf eine kleine Stimme die sich dann als Jen vorstellte. Der Arbeitsaufwand ist recht hoch, aber die Sache ist die man muss motiviert sein. Und der Faktor „Motiviert sein“ und der Faktor „Zeit haben“ passt oft nicht zusammen. Kann jetzt aber auch nicht in Zeit ausdrücken wie hoch der Arbeitsaufwand ist, es sind immer wieder kleine Ideen die einem kommen wenn man gerade mal etwas beobachtet und das ein wenig ausspinnt und verarbeitet. - Erst kommen Skizzen, Ideen und Schmierzettel Notizen - die fasst man dann zusammen - und dann ergeben sich immer kleinere Puzzleteile die sich zu einem Ganzen, was aber irgendwie in alle Richtungen Offen ist, formen. So ist das glaube gut beschrieben."Da möchte ich gleich noch nachhaken: Was würdest Du zu jemandem sagen, der selbst ein Rollenspiel entwickeln möchte?
"Das würde ich sagen: Auf die Stimme im Kopf hören, Brainstorming, Stichpunkte notieren und wenn mal Zeit und Lust hat ausformen. Wichtig dabei ist Lust zu haben."Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand? Und wie ist die Resonanz der Spieler?
"Die Resonanz ist gut, auch wenn es alles noch nicht so fließend ist und ich halt in Situationen noch improvisieren muss und einfach mal sage wir machen das jetzt so. Beim nächsten Mal kann in einer ähnlichen Situation auch anders gehandelt werden es ist noch nicht in trockenen Tüchern ist halt sowas wie ein Beta-Test wo heute etwas so sein kann und morgen ist der Endboss in der Zone (so als Vergleich) etwas ganz anderes. Wenn dann die Spieler meinen der Alte war besser kommt dieser halt wieder und wird ggf. zusammen mit den Spielern modifiziert. (Beispiel: "Anime SwordArtOnline" als der erste Boss dann nach der Beta plötzlich einen ganz anderen Waffenskill hatte.) Aber es gab bisher noch niemanden der nach dem Spielabend gesagt hat: „Alles doof!“"Wie wird die Zukunft aussehen? Kommt eventuell sogar eine gedruckte Version?
"Die Zukunft, gute Frage, ich versuche zur Zeit mit verschiedenen Leuten öfter zu spielen um verschiedene Feedbacks zu bekommen. Und eine Druckversion??? Keine Ahnung. Soweit denke ich nicht. Erst einmal viel spielen und hin und herbauen. Eine Druckversion käme zur Zeit maximal auf 5 DIN A4 Seiten Regelerläuterung. Ja Regelerläuterungen, nicht mal Regeln. Mit dem Charakterbackground von Jen und zu dem Städtchen, damit könnte ich schon Bücher füllen. Wenn es mal etwas Schriftliches gibt dann höchstens ein paar Seiten Grundideen zu den Regeln und der Rest wären Szenariovorschläge. Wenn man alleine schaut wie viele Ideen und Feedback mein Fragen-Eintrag in der P&P Gruppe (Link), wo Du ja auch drin bist, reingeholt hat wird einem schon klar, dass der Schwerpunkt darin liegt die Umgebung lebendig zu machen. Wir haben bei einer Gruppe etwa 2 Stunden real Zeit damit verbracht, nur am See zu sitzen und zu quatschen (In-Game) und innerhalb der Gruppe zu interagieren. Damit kamen wir zwar nicht wirklich im Plot weiter, aber es war lustig und unterhaltsam. Was aber halt eine gewisse Kreativität und Improvisierungsfähigkeit auch bei den Spielern voraussetzt und erfordert. Nicht nur die kreative Ader des Spielleiters wie bei den meisten RPG's. - Ich glaube das ist ein Guter Schlusssatz für heute :-) Heute Dienstagabend geht meine eine Gruppe in den dritten Spielabend, und es sind immer noch alle 5 Spieler und Spielerinnen mit dabei - Finde ich ein gutes Zeichen. So, ich hoffe mit diesem Interview kannst Du schon mal etwas anfangen und Dir selbst vorstellen worum es bei dem Ganzen geht."Danke, das kann ich :-) Viel Erfolg weiterhin lieber Erik (Out-Game Name) / Jen Jun'Nai (In-Game Name).