Letzten Monat war ja #RPGaDAY2015 und der hochgeschätzte Kollege Greifenklaue (Blog) hat mich bei der Frage nach dem Lieblingsblog lobend erwähnt :-D
Zitat: "Besonderen Respekt haben seine Interviews mit Indy-Autoren verdient – wo ich auch ab und an feststelle trotz guter Szenekenntnisse meinerseits, das er was neues ausgegraben hat. Das passiert anderswo nicht so oft wie hier und ist immer ein schönes Erlebnis."Solch ein Lob eines echten Szene-Urgesteins motiviert mich natürlich auch weiter nach jungen, motivierten Rollenspielautoren zu forschen und sie zum Interview zu bitten. Und das hat jetzt wieder geklappt, diesmal stellt Philipp M. "Apiarius" sein Projekt "Præcapatus" vor, welches vielleicht bald "Fortschritt!" oder "Magus ex Machina" heißen wird :-) Hallo Namensvetter ;-) Magst Du Dich den Lesern kurz vorstellen?
"Mein Name ist Philipp, in Foren oder auf meiner Homepage auch als "P. M. Apiarius" bekannt und derzeit bin ich noch Latein- und Philosophiestudent für das Lehramt an der Uni Jena. Zum Rollenspiel kam ich vor etlichen Jahren, angefangen mit Foren-Rollenspielen, über meinen ersten One Shot auf der Leipziger Buchmesse („Kobolde!“) und dann schließlich, wie wohl viele andere auch, zu einer festen DSA-Gruppe. Als ich dann wegen meinem Studium umgezogen bin, hat sich ein Freundeskreis gebildet, in dem wir verschiedene Rollenspiele spielen, derzeit „Freihändler“ und mein System."Kannst Du Dein System bitte kurz vorstellen? Und wie heißt es denn nun genau?
"Fangen wir mal mit dem Namen an: Der steht derzeit noch nicht fest. Bisher hieß es „Praecapatus“, aber das war nur ein Arbeitstitel und eher ein Insider. Jetzt wo das System langsam die Form annimmt, bei der ich mir vorstellen kann, dass es auch bald fertig wird, will ich einen neuen Namen für mein Projekt. Das lasse ich von der Community aber mitentscheiden und habe eine Umfrage (Link) dafür eröffnet. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern sich derzeit „Magus ex Machina“ und „Fortschritt! – Chroniken der magisch-technischen Revolution“. Dies sind auch meine persönlichen Favoriten. Weiter zum Setting: Bei meinem System befindet man sich in einer fiktiven Fantasy-Welt, in der die industrielle Revolution vor etwa 30 Jahren begonnen und die Lebensgewohnheiten der Bewohner umgekrempelt hat. Gleichzeitig hat der Buchdruck einen technologischen Sprung nach vorn gemacht, Abenteuer-Romane wurden bekannt und beliebt. Sie haben dafür gesorgt, dass viele Menschen und Nicht-Menschen sich mit einem romantisierten Abenteurerbild vor Augen unnötig in Gefahren stürzen. Und um genau solche Personen handelt es sich für gewöhnlich bei den Spielercharakteren. Das Regelwerk selbst ist derzeit frei herunterladbar (Link)."Ein interessantes Setting. Was macht es noch im Vergleich zu anderen Systemen besonders?
"Zum einen das Setting. Mir persönlich ist kein anderes Rollenspiel-System bekannt, das gezielt in einer Industrialisierungs-Fantasywelt bzw. –Epoche spielt. Zum anderen aber auch das Fertigkeiten- und Steigerungssystem auf der Regelebene. Im Gegensatz zu anderen P&P-Rollenspielen gibt es bei meinem System keine Erfahrungspunkte, die dann mehr oder weniger frei verteilt werden können. Vielmehr ist es ein learning-by-doing System. Wenn die Charaktere Proben auf Fertigkeiten ablegen oder anderweitig Erkenntnisse sammeln, werden sie in genau dieser Fertigkeit besser. Gerade am Anfang geht das recht schnell und spiegelt wider, dass die Grundlagen einfacher zu lernen sind. Gleichzeitig haben die Fertigkeitswerte der Charaktere auch direkten Einfluss auf die höher gestellten Attribute. Ein Charakter, der besonders viele soziale Fertigkeiten gut beherrscht hat also auch einen hohen Ausstrahlungswert. Die Kehrseite ist, das will ich nicht verleugnen, dass es in meinem System sehr viele Fertigkeiten gibt, damit das Steigerungssystem und der Einfluss auf die Attribute gut funktionieren. Ich hab mir allerdings sagen lassen, dass man sich in der Fertigkeitenliste schnell zurecht findet. Da eine Charakterentwicklung außerdem nur dann möglich ist, wenn der Charakter aktiv handelt, fördert dies die Teilnahmebereitschaft der einzelnen Spieler am Tisch."Was hat Dich zu diesem speziellen Setting gebracht? Und hast Du die Regeln gezielt darauf hin entwickelt, oder kamen erst die Regeln und dann die Spielwelt?
"Die Hintergrundwelt an sich hat schon lange vor der Arbeit am System existiert, war allerdings lange Zeit ein reines Mittelalter-Fantasy-Setting. Ich hatte anfangs große Probleme damit, mich deutlich von meinem bis dahin am häufigsten gespielten System, DSA, zu trennen. Überall konnte man Parallelen ziehen und erkennen, wo ich mich davon hab inspirieren lassen (das ist zum jetzigen Stand bestimmt auch noch möglich, aber ich hab auch nicht vorgehabt, das Rad neu zu erfinden). Doch auch nachdem ich das meiste verändert und mich deutlicher distanziert hatte, war die Welt nichts Besonderes, nur eine weitere generische Fantasy-Welt mit kleineren Eigenheiten. Darum hatte ich eines Tages mit meiner Spielrunde beschlossen, das Setting zu ändern und alles, was bis zu diesem Zeitpunkt existierte einfach dreißig Jahre in die Zukunft zu schieben. Und mit dieser Entscheidung bin ich sehr zufrieden."Da sind wir schon beim Entwicklungsverlauf :-) Plaudere doch mal aus dem Nähkästchen. Wie kann ich mir die Entwicklung eines Rollenspiels so vom Arbeitsablauf und Arbeitsaufwand vorstellen?
"Am Anfang hat man eine Idee, an der man sich aufhängt. Hier war es das Fertigkeitensystem und der Gedanke, dass ich meine Welt auf diese Weise darstellen möchte. Dann schreibt man erst einmal drauf los, um seine Gedanken zu ordnen und langsam ein klares Bild davon zu bekommen, was man überhaupt erreichen will. Das kann eine ganze Weile dauern. Bis zu dem Punkt, an dem ich mir fest vorgenommen habe, was ich Schritt für Schritt bis zur Vollendung erreichen will sind etwa 2 ½ Jahre vergangen. In der Zeit habe ich aber auch immer wieder Dinge verworfen (wie zum Beispiel 52 ausgearbeitete Zauber), was natürlich auch eine Menge Zeit frisst. Wenn man dann einen Plan gemacht hat, worauf man hinaus will, dann fällt das Arbeiten leichter. Man geht nicht mehr ganz so planlos vor und hat Abschnitte und Ziele, für deren Erreichen man sich dann auch mal mit einer Pause belohnen kann."Da möchte ich gleich noch nachhaken: Was würdest Du zu jemandem sagen, der selbst ein Rollenspiel entwickeln möchte?
"Fang einfach an. Schreib was dir in den Sinn kommt und sammle Ideen. Hab aber keine Angst davor, die Hälfte oder mehr mittendrin wieder zu löschen oder gänzlich zu überarbeiten. Das gehört dazu. Außerdem empfehle ich zumindest eine Spielrunde zu gründen, mit der du dein System testen kannst. Erst hier, losgelöst von der grauen Theorie, merkt man, ob etwas fehlt, anderes nicht gebraucht wird oder die vorgeschlagenen „leichten Gegner“ tödlich sind. Feedback ist wichtig! Du musst zwar nicht alles ändern, solltest aber wenigstens die Intentionen hinter jedem Feedback prüfen."Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand? Und wie ist die Resonanz der Spieler?
"Derzeit bin ich bei der spielbaren Version 0.4 abgekommen und habe die Magie und magische Geräte für den Alltagsgebrauch eingeführt. Ob das, was ich mir da ausgedacht habe, sinnvoll ist, werden die zukünftigen Spielrunden zeigen. Was weiter geplant ist, kann auf meiner Homepage eingesehen werden. Seit April 2012 spielen wir (geplant) einmal die Woche mein System und das fast ohne größere Unterbrechungen. Meine Mitspieler sind also interessiert genug, das System so lange über sich ergehen zu lassen. Wenn ich mein Regelwerk auf Cons vorstelle (das nächste Mal bei der Lindencon in Leipzig vom 11. bis 13.9.2015) scheinen meine Mitspieler auch Spaß zu haben, von vielen wird dann das Fertigkeiten-System gelobt. Allgemein wünsche ich mir allerdings noch mehr Feedback, denn mit meiner einen Spielrunde allein kann ich nur schlecht alles in meinem Regelwerk bespielen und prüfen. Darum habe ich jetzt etwas ins Leben gerufen, dass ich „Wettbewerb zur Feedbackserschleichung“ genannt habe. Nach einem mir bekannten Punktesystem vergebe ich für Feedback, konstruktive Kritik und das Finden von Rechtschreibfehlern in der PDF-Datei Punkte. Ende des Jahres erhält dann derjenige mit den meisten Feedback-Punkten ein Charakterportrait seines Charakters, gezeichnet von meiner Frau (von der auch die Bilder im Regelwerk sind). Mal schauen, ob ich dadurch mehr Rückmeldung erhalte."Das ist ja mal eine sehr kreative Idee :-) Wie wird die Zukunft aussehen? Kommt eventuell sogar eine gedruckte Version?
"Ich hoffe noch vor dem Ende meines Studiums mit der Regelwerksarbeit fertig zu werden. Nicht aus einem bestimmten Grund heraus, sondern weil ich finde, dass das nach einem vernünftigen Zeitziel klingt. Aber wie es dann weitergeht… gute Frage. Eine gedruckte Version wäre natürlich super, allerdings weiß ich noch nicht, wie ich an einen Verlag herantreten sollte. Mir schwirrt auch ein Kickstarter-Projekt im Kopf herum, aber das hat alles noch Zeit, bis ich mit der Regelwerksarbeit fertig bin. Ein einzelnes gedrucktes Exemplar wird es auf jeden Fall geben, für mich und das wird einen Ehrenplatz in meinem Rollenspielschrank bekommen."Philipp, ich danke für das Interview und wünsche viel Erfolg. Gerne verweise ich nochmal auf die Webseite (Link) des Spiels mit allen Infos zum Feedback-Wettbewerb!