Viele (Rollenspiel-)Autoren träumen davon, ihre Werke in einem Verlag veröffentlicht zu sehen. Markus Still, den ich heute zum Interview gebeten habe, hat sich diesen Traum erfüllt und ist ihn gleich professionell angegangen: Er hat nicht einfach nur sein eigenes Rollenspiel "Trauma" - mittlerweile in der zweiten Auflage - veröffentlicht, sondern führt nun einen Verlag der auch die Werke anderer (Jung-)Autoren verlegt. Hallo Markus. Bevor wir über dein erfolgreiches Rollenspiel "Trauma" und deinen Verlag reden, magst Du Dich den Lesern kurz vorstellen?
"Ich bin Jahrgang '70 und lebe mit meiner Frau und zwei Söhnen in Karlsruhe. Von Beruf Grafik-Designer und Fotograf arbeite ich zur Hälfte als Freelancer in der Werbung und zur Hälfte als Verlagschef von FlyingGames (Link). Meine Hobbies sind Zinnfiguren bemalen und Schreinerei."
Bevor wir zu Deinem Spiel kommen: Du betreibst einen eigenen Spieleverlag!!! Kannst Du uns auch darüber etwas erzählen?
"FlyingGames wurde 1993 als Versandhandel von CoSims, Rollenspielen und Zinnfiguren gegründet. Und zwar war das gar nicht meine Idee, sondern die meines Compagnons Slawomir. Er verlies das Geschäft allerdings 1996 und ich fing gleichzeitig an, eigene Spiele zu entwickeln. 1998 kam das Tabletopspiel "Level1" heraus und wir hatten eine Menge Kartonmodelle und andere Kleinigkeiten. 2003, mit dem Erscheinen der ersten Edition des "Trauma"-Universalrollenspiels, wurde auch der Verkauf fremder Spiele eingestellt und FlyingGames war endlich ein reiner Verlag. Bis heute haben wir Rollenspiele, Tabletops, Brett- und Kartenspiele, Kartonmodelle und Blankosachen für Spieleautoren im Programm."
Verlegst Du auch Spiele anderer Autoren? Und falls ja, was muss man tun um verlegt zu werden?
"Selbstverständlich verlegen wir Spiele anderer Autoren. Da sind wir auch sehr offen, was die Konditionen angeht. Wer etwas hat, dass in unser Verlagsportfolio passen könnte, soll sich einfach bei mir melden. Zur Zeit suchen wir zum Beispiel auch Abenteuerautoren für unsere "Trauma-1111"-Fantasywelt."
Da Du gerade "Trauma" erwähnt hast: Neben dem Verlag bist Du auch Autor, unter anderem von diesem Universalrollenspiel. Magst Du das System kurz vorstellen?
""Trauma" ist ein klassisches, simulatives Rollenspiel, das sich eher an erfahrene Spielleiter richtet. Man kann es sehr einfach spielen, aber mit allen Optionen ist es ein echtes Regel-Schwergewicht, mit dem man sehr viel machen kann. Trotz dass man in allen Epochen der Geschichte spielen kann, hat es unter 200 Seiten."
Unabhängig vom Universal-Ansatz, was macht es zu anderen Rollenspielen besonders? Und mit welchem Spiel könnte man es am ehesten vergleichen?
"Die Regeln mit den Prozentwerten, die unterwürfelt werden müssen, kann man sicher der "RuneQuest"-Familie (bzw. "Basic Role Play") zuordnen, aber es bietet in vielerlei Hinsicht anderes als die genannten. Die Haupteigenschaften basieren bei "Trauma" z.B. auch auf Prozentzahlen, und das ganze Würfelsystem funktioniert durch die Qualitätsstufen mit bis zu Werten von 1000! Damit kann man sehr elegant große Spielinhalte wie Drachen, Fahrzeuge, Riesenroboter etc. umsetzen. Es gibt z.B. auch 5 verschieden Wahrnehmungseigenschaften, die ein exploratives Spiel sehr unterstützen und den Charakteren sehr viel Profil geben. Außerdem gibt es sehr detaillierte Regeln zu Medizin, zu Beziehungen oder zu Psychologie. Außerdem unterstützen die konstruktiv beschriebenen Fertigkeiten auch Spiele, die sich nicht immer nur um Kampf drehen. Man kann damit sehr viel mehr machen als die üblichen Abenteuer."
Was hat Dich zu einem Universalrollenspiel gebracht? Und kamen erst die Regeln oder hast Du zuerst beschlossen, es szenariounabhängig zu designen?
"Tatsächlich ging es mir von Anfang an darum, ein Universalsystem zu entwickeln, das die Flexibilität von "GURPS" hat, aber auf einem W100 basiert und damit für den Benutzer besser nachvollziehbar ist. Außerdem sollten die Werte nach oben nicht wirklich begrenzt sein, damit der Maßstab des Spiels flexibler ist."
Plaudere doch mal aus dem Entwickler-Nähkästchen. Wie kann ich mir die Entwicklung eines Rollenspiels so vom Arbeitsablauf und Arbeitsaufwand vorstellen? Und wie kamst Du überhaupt auf die Idee, ein eigenes Rollenspiel zu entwickeln?
(lacht) "Vermutlich kommt jeder Rollenspieler eher früher als später auf die Idee, ein eigenes System zu entwickeln. Heute würde ich das ganz anders angehen als Anfang der 90er, als ich mit "Trauma" angefangen habe. Das Projekt war zu Beginn auch eher eine persönliche Suche nach dem besten Rollenspiel, das ich mir vorstellen kann. Ich glaube das war für mich damals eine Mischung aus "RuneQuest", "GURPS" und "Warhammer", aber mit vielen Änderungen. Vor der Veröffentlichung habe ich diesen etwas kindlichen Pfad allerdings verlassen und das Spiel richtig designed. Es sind sehr viele Jahre und hunderte von Spielrunden eingeflossen und es gab auch eine Vielzahl an radikaler Regeländerungen, die normalerweise nicht in dieser Form stattfinden, wenn man von Anfang an zielgerichtet vorgeht. In der ersten Edition von "Trauma" waren noch ein paar Artefakte aus der Anfangszeit drin, aber die neue 2. Edition ist ein sehr solides Spiel, das trotz seines Umfangs eine gewisse Eleganz hat."
Da möchte ich gleich noch nachhaken: Was würdest Du zu jemandem sagen, der selbst ein Rollenspiel entwickeln möchte?
"Unbedingt am Anfang klein anfangen! Überschaubare Projekte werden schneller (oder überhaupt irgendwann) fertig und führen zu einem Erfolgserlebnis, mit dem man dann voller Elan an eine Erweiterung oder das nächste Projekt gehen kann. Außerdem würde ich jedem Einsteiger empfehlen, während der Entwicklung mit erfahrenen Gamedesignern zu sprechen - vor allem auch vor der Produktion des Spiels. Ich berate seit mehreren Jahrzehnten neue Spieleautoren bei ihren ersten Projekten. Man kann da sehr viele Fehler machen, die gar nicht sein müssen."
Mittlerweile gibt es "Trauma" ja schon in der 2. Auflage, da erübrigt sich die Frage nach der Resonanz der Spieler ;-) Aber hast Du gedacht, dass es so erfolgreich wird? Und wird es eine Fortsetzung oder Erweiterung geben?
""Trauma" ist natürlich nicht beendet. Verschiedene Leute arbeiten weiter an dem Spiel. Zur Zeit haben wir ein paar Abenteuer bzw. Quellenbücher in Arbeit. Da ist zum Beispiel ein Halbling-Abenteuer wo es ums Tortenbacken geht. Und wir haben die FlyingGames-CD, auf der eine Menge Material für "Trauma" und alle anderen FG-Spiele zu finden ist. Außerdem gibt es für "Trauma" ja auch noch das Wiki (Link), in dem man kostenlos Informationen und Anregungen zu den zahlreichen Spielwelten bekommt."
Welche Projekte hast Du noch gerade in der Entwicklung oder schon veröffentlicht?
"Ein ganz wichtiges Projekt ist das seit 2001 in Entwicklung befindliche Fantasy-Brettspiel "ULTRA-Quest" in dem jeder Spieler eine ganze Abenteurergruppe spielt. Man zieht durch die Lande und erlebt in jedem Spielzug ein kleine Abenteuer. Das Ziel ist, einen legendären Schatz zu finden und zum Held des Königreiches zu werden. Im Prinzip ist es ein Brettspiel, aber es fühlt sich an, als wäre es Rollenspiel. Perfekt für Rollenspieler, wenn man mal keinen SL auftreiben kann. Es wird nächstes Jahr zur "Role Play Convention" erscheinen. Wir haben aber noch eine Menge mehr Sachen auf der Pfanne brutzeln. Wer mehr wissen will, kann mal im FlyingGames-Forum (Link) vorbei schauen."
Markus, ich bedanke mich für das Interview und wünsche FlyingGames weiterhin viel Erfolg!
"Ich danke Dir auch, Philipp."
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