"Call of Cthulhu" ist sicher eines der bekanntesten Rollenspiele überhaupt. Ich habe es bisher nur einmal, aber mit bleibendem Eindruck, gespielt und wollte es schon immer in meiner Spielgruppe vorstellen. Also den neuen Schnellstarter der 7. Edition vom Gratisrollenspieltag mitgehen lassen, das Abenteuer durchgelesen und darauf gewartet, dass sich genügend Spieler fanden...
Letzten Freitag beim Kurzurlaub in der Heimat war es dann soweit. Kurz zum Schnellstarter an sich: Der ist gut 40 Seiten dick (wenn man die Charakterbögen mitrechnet), vollfarbig und kann auch kostenlos auf der offiziellen Verlagswebseite runtergeladen (Link) werden. Da gibt's übrigens noch ne ganze Menge kostenlosen "Call of Cthulhu"-Kram für Einsteiger. Und Einsteiger ist auch schon das perfekte Stichwort: Denn der Schnellstarter ist wirklich idiotensicher aufgebaut! Der Charakterbau und die Regeln werden logisch erklärt (wir haben kaum mehr als 30 Minuten gebraucht um "spielfertig" zu sein) und das Abenteuer bietet nicht nur zahlreiche Spielleitertipps (Vorlesetexte und Hinweise), sondern auch zusätzlich noch zahlreiche Handouts. Das Abenteuer ist in sich abgeschlossen, bietet aber den ein oder anderen Anknüpfungspunkt und bietet die typischen Elemente eines "Call of Cthulhu"-Abenteuers: Ermittlung, Action und ne ganze Menge Grusel.
OK, gruselig war unsere knapp zweistündige Spielsession eigentlich nicht, was allerdings nicht am Abenteuer lag, sondern an mir. Denn zugegeben, mein Spielstil ist denkbar ungeeignet für solch ein System :-( Ich bin einfach zu fröhlich und humoristisch, solche Spaßsysteme wie "Paranoia" oder die in meiner Spielgruppe beliebten überdreht heroischen "Am Rande des Imperiums"-Abenteuer sind genau mein Ding. Und zugegeben, eine mystische Gestalt oder Cthulhu höchstselbst mit Ossi-Dialekt? Nee, das wird nix ;-) Naja, aber Spaß hatten meine Spieler trotzdem, darum hier die Zusammenfassung:
Das Abenteuer spielt im Jahre 1920 in Boston, Massachusetts. Katja (eine 31-jährige Tierärztin mit so typischen Tierarzt-Skills wie Latein, Pharmazie und Reiten - also ne ganze Menge Kram die man in diesem Abenteuer absolut nicht braucht :-P) und Stephan (ein 28-jähriger Physik-Doktorand mit krassen Skills in Bibliotheksnutzung - und ja, hier spielt Stephan sich wirklich selbst!) werden auf einer USA-Reise vom befreundeten Mr. Steven Knott darum gebeten ein geerbtes Haus zu untersuchen, in dem es angeblich spuken soll. Katja hat da eigentlich keine Lust drauf, aber als paranormal interessierter, theoretischer Physiker ist Stephan natürlich gleich voll bei der Sache und schleppt seine Freundin einfach mit :-)
Da Mr. Knott erst mal ein wenig Recherche empfiehlt, wird zuerst die Zentralbibliothek unsicher gemacht. Als echter Bibliotheksprofi schafft Stephan es dann auch rasch einige Informationen herauszufinden: 1835 wurde es gebaut, kurz darauf von Walter Corbitt erworben. Der starb 1866 und schien wohl ein etwas okkulter Zeitgenosse gewesen zu sein (Handout 3 - 5). Von so vielen Recherche-Erfolgen motiviert, zogen die Investigatoren (so heißen die SC im Spiel) weiter zum Stadtarchiv. Dort kam heraus, dass Reverend Michael Thomas der Testamentsvollstrecker war und dem 1912 geschlossenen "Gotteshauses der Einkehr und Kirche unseres Herrn, des Offenbarers der Geheimnisse" vorstand (Handout 7).
Die Spieler waren nun mehr an dieser Kirche denn an dem Haus interessiert und erfuhren durch einen freundlichen Archivar, dass zwar im Zentralarchiv keine weiteren Unterlagen zu der Kirche gab, wohl aber im Gerichtsarchiv. Dort wollte ihnen ein unfreundlicher Polizist zwar erst den Zugang verwehren, aber wozu hat man denn eine hübsche Frau im Team? Eine erfolgreiche Charme-Probe später wurden fleißig neue Hinweise in den Gerichtsakten gesammelt: In der Kirche fand eine Razzia gegen Kultisten statt, die in einer wilden und tödlichen Schießerei endete. Die Kirche wurde geschlossen, der Reverend wurde verhaftet, verurteilt und floh schließlich aus dem Knast.
Da war es doch nur logisch, dass sich die Investigatoren nun zur verfallenen Kirche begaben. So eine Kultisten-Stätte ist ja auch wesentlich spannender als ein Geisterhaus ;-) In der verfallenen Kirche dann fand Stephan ein unheilvolles Symbol und fiel Katja durch den Fußboden in einen geheimen Raum. Letztendlich fand sie dort ein Zauberbuch, welches sie aus Neugier gleich mal las (da hat sich ihre Fremdsprache Latein ja doch noch bezahlt gemacht). Dafür musste sie ein paar geistige Stabilitätspunkte gegen ein paar Skillpunkte im Cthulhu Mythos eintauschen - Na ob das ein guter Tausch war?
Da gab es dann aber nix Weiteres zu holen, daher ging es nun zum Geisterhaus. Gerade als sie es betreten wollten, bemerkte Katja dass jemand hinter den Vorhängen des Nachbarhauses neugierig zu ihnen heruntersah. Mr. Dooley hieß der (nach einer konkurrierenden Probe zwischen Katja-Charme und Spielleiter) freundliche Nachbar, der bereitwillig über die letzten Bewohner des Hauses sprach. Die hatten nämlich ganz schön Pech mit dem Schicksal, denn sie wurden wahnsinnig (angeblich hätten sie ein Gespenst mit roten Augen im Haus) und folgerichtig Patienten in einem Sanatorium. Also nix wie hin und dort die ehemaligen Bewohner befragt. Naja, was soll dabei schon rauskommen? Nur verrücktes Zeug über böse Geister halt, aber auch DER entscheidende Hinweis wie man den Geist besiegen kann (leider ging diese Info bei uns ziemlich unter, eventuell hätte ich den entscheidenden Satz „Durch seine eigene Waffe wird der Teufel besiegt!“ noch dramatischer und verrückter darstellen sollen).
Nun gut, endlich ging es zum Geisterhaus. Anfangs schien alles normal und harmlos, aber dann entschieden sich die Investigatoren getrennte Wege zu gehen. Katja blieb unten und fand Corbitts Tagebuch, was ihr wieder ein paar Skillpunkte Cthulhu Mythos im Tausch gegen geistige Stabilitätspunkte einbrachte. Stephan nahm sich das Obergeschoss vor, in dem Corbitts Geist ziemlich wütete und das volle Programm auffuhr: Blut tropfe erst von der Decke und quoll dann unter dem Bett hervor. Geistesgegenwärtig schaute Stephan also unters Bett, eventuell fand sich dort ja des Rätsels Lösung? Nix da, stattdessen flog das Bett auf ihn zu und versuchte ihn zu zerquetschen. Erst im allerletzten Moment konnte er ausweichen!
(hier hab ich es übrigens tatsächlich mal geschafft ernst zu bleiben und eine bedrohliche Stimmung zu verbreiten, was die Spielrunde mit deutlicher Anspannung quittierte...)
Blieb also noch der Keller übrig. Katja war so mutig zuerst zu gehen, aber Corbitts Geist hatte die Sicherung rausgedreht und so war es ziemlich dunkel. Stephan wollte Streichhölzer oder eine Taschenlampe suchen, fand dann in der Küche aber den Sicherungskasten. Schlecht für Katja, dass sie allein im dunklen Keller wartete, denn unbemerkt von hinten bekam sie ein Messer in den Rücke gerammt. Dummerweise schaffte Corbitts Geist das auch noch mit einem extremen Erfolg, während Katja verpatzte und damit auf einen Schlag alle Lebenspunkte weg waren. Nun lag es also an Stephan, das Abenteuer erfolgreich zu beenden!
Es folgte ein langwieriges Handgemenge, in welchem Stephan und Corbitts Geist immer gleichzeitig erfolgreich oder erfolglos würfelten. Das führte zu gleichzeitig witzigen wie dramatischen Szenen, da beide Kontrahenten immer wieder das Messer fallen ließen, es aufhoben und im Handgemenge wieder fallen ließen, es wieder aufhoben... Irgendwann schaffte es Stephan dann doch das Messer erfolgreich an sich zu reißen, aber nicht ohne dabei gleich durch zwei brüchige Holzwände in den nächsten Raum und dann in Corbitts Versteck zu stolpern. Auch glaubte er fälschlicherweise in dem Messer die Quelle des Geistes gefunden zu haben. Also zerbrach er es, was den nun folgenden Kampf deutlich erschwerte, denn in Corbitts Versteck versteckte sich... na klar, Corbitt! Oder zumindest, was von ihm übrig geblieben war. Also rangelte Stephan nun mit dem zombieähnlichen Wesen, bis er auf die Idee kam die Klinge in den Kopf des wandelnden Toten zu stecken. Und zack, war der Spuk vorbei und das Geisterhaus entgeistert!
Ein ausgesprochen schönes Abenteuer, für mich als Cthulhu-Neuspielleiter dank der vielen Hinweise auch sehr gut leitbar. Überraschenderweise haben die Spieler sich auch bis auf zwei Ausnahmen (nicht die Zeitung besucht, außerdem die Szenenreihenfolge in 1-3-4-5-8-6-7-9 geändert) nahezu sklavisch an die geplante Dramaturgie des Abenteuers gehalten. Mal schauen, wenn wir alle ein wenig ernster werden, probieren wir nochmal ein weiteres Abenteuer :-)