Deutschland ist ja bekanntermaßen die Nation der Spieleautoren. So großartige Titel wie "Die Siedler von Catan" (auch meine Einstiegsdroge in komplexere Autorenspiele weitab von "Mensch ärgere dich nicht" und "Monopoly") haben von Deutschland aus einen weltweiten Siegeszug angetreten. Weltweiter Siegeszug ist auch das richtige Stichwort für ein - im Verhältnis zu familienorientierten Brett- und Kartenspielen - eher selteneres Spieleprodukt aus deutschen Landen: Ein Skirmish-Tabletop vor dem Hintergrund des zweiten Weltkriegs! Mit "WWII - Kampfzone" ist hier nämlich ein Indie-Tabletop-Regelwerk in der Mache und als begeisterter Spieler dieser Gattung konnte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, den Autoren zum Interview zu bitten. Hallo Uwe. Bevor wir zu Deinem Spiel kommen, magst Du kurz was zu Dir sagen? Wie kamst Du zum Hobby Tabletop?
"Hallo. Ich spiele seit der 1. Edition "Warhammer 40.000" und kam so zum Tabletop. Ich habe als Kind schon diverse Brettspiele gespielt wie "Panzer Schlacht" von MB oder natürlich "Schach" und "Risiko". Später kam dann "HeroQuest" auf den Markt und das war mein Einstieg."
Du entwickelst das Tabletop "WWII - Kampfzone". Kannst Du einen kurzen Überblick über das System geben?
""WWII - Kampfzone" ist ein würfelbezogenes Miniaturen-Strategiespiel. Das System wird in Spielzügen gespielt und während eines Spielzugs hast du 6 verschiedene Aktionen. Jeder Spieler kann wählen wann er welche Aktion spielt. Haben beide Spieler alle 6 Aktionen durch, beginnt der nächste Spielzug. Am Ende der Spielzüge wird geschaut ob die Mission erreicht wurde oder die Siegbedingungen erfüllt wurden. Ein kleines Spiel dauert so um die 2 Stunden, ein normales Spiel bis zu 4 Stunden."
Es gibt schon einige vergleichbare Spiele im Weltkriegssetting. Was macht Dein Tabletop denen gegenüber anders oder besonders?
"Die Besonderheit bei "WWII" ist der Maßstab und das man vom Hersteller unabhängig seine Modelle und Gelände kaufen kann. Was es noch einzigartig macht ist, dass Modellbauer und Spieler dieses Spielsystem gleichermaßen nutzen können und die Möglichkeit haben Beides zu kombinieren. Man kann endlich seine verstaubten Vitrinenmodelle heraus holen und ein packendes Tabletopspiel damit spielen."
Für welchen Maßstab sind Deine Regeln gedacht und warum genau diesen?
"Ich entschied mich für den Maßstab 1:32/35 aus zwei Gründen. Zum Einen gibt es schon ein Regelsystem im Maßstab 1:72 und auch kleinere Systeme gibt es schon. Zum Anderen ist das Spiel komplett in Deutsch und hat somit keine Übersetzungsprobleme wie viele anderen Spiele dieser Art. Ein großer Vorteil ist es, dass man vom Hersteller unabhängig seine Armee, die man spielen will, kaufen kann. "WWII - Kampfzone" versorgt Dich mit einem Regelwerk das es Dir ermöglicht mit allen Modellen und Bausätzen sowie fertig Modellen im Maßstab 1:32/35 ein Tabletopspiel spielen zu können."
Warum genau dieses Setting ? Und hast Du die Regeln im Hinblick auf das Setting geschrieben oder kamen erst die Regeln?
"Wer erinnert sich nicht gern an die Zeit als wir noch als Kind mit Plastiksoldaten gespielt haben. Die alten "Airfix"- und "Revell"-Soldaten waren damals wie heute schöne Modelle. Daher entstand die Idee für diese Figuren ein Spielsystem zu schaffen."
Der Maßstab ist ja recht groß gewählt. Wie groß wird da ein Spielfeld sein und wie viele Spielfiguren benötigt man?
"Standardmaß: 48 mal 72 Zoll oder grösser. Die Figurenanzahl liegt zwischen 30 - 40 Infanteristen . 2 - 4 Panzer, 1 - 2 Flieger und 1 - 2 Flak oder Pak je Spieler. Mit weniger Figuren ist auch ein kleineres Spielfeld möglich."
Kommen wir mal auf die Regeln zu sprechen...
"Das Spiel wird in Strategischen Runden gespielt. Eine Strategischen Runde bedeutet, man spielt Runden bezogene Spielzüge um am Ende eine oder mehrere Missionen zu bewältigen bzw. die Armee des Gegners erfolgreich zu zerstören. Eine Strategische Runde besteht aus 6 Aktionen. Zu Beginn würfelt Ihr aus, wer die erste Strategische Runde beginnt und somit seine erste Aktion ausführt, danach geht es abwechselnd weiter. Wenn ein Spieler eine Strategische Runde beginnt führt er eine Aktion durch. Danach führt der Gegner eine Aktion aus immer im Wechsel bis alle 6 Aktionen von beiden Spielern abgehandelt wurden. Wenn alle 6 Aktionen durchgeführt wurden endet die erste Strategische Runde. Zwischen jeder neuen Strategische Runde wird überprüft ob die Missionen erfolgreich durchgeführt wurden oder ob der Gegner vernichtet wurde. Beides führt jeweils zum Sieg. Beginnend mit dem Spieler der in der vorhergehenden Strategischen Runde als zweiter an der Reihe war beginnt nun jetzt die neue Runde. Er sucht sich eine der 6 Aktionen heraus und führt sie durch, danach kommt der Gegner mit einer seiner 6 Aktionen. Ablauf wie oben beschrieben. Nach jeder abgeschlossenen Strategischen Runde hat immer der Spieler die erste Aktion welcher in der vorhergegangen Runde als zweiter dran war. Dieser Ablauf wird bis Spielende durchgeführt. Bei 6 Strategischen Runden wären beide Spieler 3mal als erster an der Reihe."
Die 6 Aktionen haben mich neugierig gemacht...
"Jede Aktion darf nur einmal pro Strategische Runde ausgeführt werden. Die Reihenfolge wann eine Aktion statt findet entscheidet der jeweilige Spieler. Folgende Aktionen sind Möglich: Bewegen, Schießen Fahrzeuge schießen, Spezialaktion durchführen, Heldenmut und Nahkampf. Jede Aktion darf pro Runde nur einmal ausgeführt werden. Die Reihenfolge wann die jeweilige Aktion statt findet, entscheidet dabei der Spieler. Entscheidet man sich beispielsweise zuerst die Bewegung auszuführen dann darf oder kann sich jede Figur deiner Armee Bewegen. Sobald alle Figuren des jeweiligen Spielers Bewegt wurden kommt der Gegenspieler an die Reihe und entscheidet sich für eine andere oder gleiche Aktion, die er dann mit all seinen Figuren durchführt, z.B. Schießen. Alle seine Figuren dürfen dann schießen. Danach kommt wieder der Gegner an die Reihe und entscheidet sich für eine noch freie Aktion oben in der Liste. Dies wird abwechselnd so lange durchgeführt bis alle 6 Aktionen von beiden Spieler abgehandelt wurden. Wenn alle 6 Aktionen von beiden Spieler durchgeführt wurden ist die jeweilige Strategische Runde vorbei. Dann werden die Siegesbedigungen überprüft. Jeder Spieler kann zwischen den Aktionen immer wieder taktisch etwas verändern weil man sich ja abwechselt, so kann ich direkt reagieren. Wenn mein Gegner sich bewegt und mir sehr nah ist, dann kann ich entscheiden welche Aktion nötig ist um dem entgegenzuwirken. So hat man immer die gesamt Kontrolle über jeden Spielzug und ist nicht hilflos ausgeliefert! Jede Aktion wird Regeltechnisch beschrieben. Zum Beispiel wenn du die Aktion Bewegung wählst darf sich deine ganze Armee nach einer bestimmten Reihenfolge bewegen. Beginnend immer mit den Fliegern, danach kommen die Reserven rein, dann dürfen alle anderen Einheiten bewegen. Es gibt 2 mögliche Bewegungsmöglichkeiten für Soldaten. Normale Bewegung oder die Sturmbewegung. Ein Soldat darf sich in einer normal Bewegung bis zu 10 Zoll in gerade Linie bewegen. Gemessen wird vom Baserand der Figur. Jede Art von Gelände halbiert die 10 Zoll."
Das klingt durchdacht! Wie sieht es mit den Kampfregeln aus?
"Grundsätzlich bekämpfen Soldaten Ziele die am nächsten zu ihnen stehen (Diese Ziele sind die größte Gefahr und müssen zuerst bekämpft werden). Folgender Ablauf wird abgehandelt: Zum Schießen sagt man dem Gegner mit welcher/welchen Figur/Figuren man feuern will. Dann schaut man zusammen mit dem Gegenspieler ob der Schütze das Ziel sehen kann. Ist eine Sichtlinie vorhanden, so kann die Figur/Figuren direkt auf die andere Ziel Figur/Figuren feuern (Kopf, Arme, Beine und Körper zählen dabei als mögliche Sichtziele). Waffen und Gegenstände werden als Sichtziele nicht verwendet. Dabei gilt folgernde Regel: Um zu Treffen muss die Figur einen Trefferwurf ausführen. Wirf dafür einen Würfel. Welche Zahl zum Treffen für welche Waffe gewürfelt werden muss sieht man in der Waffentabelle. Ein Gewehr z.B. trifft auf 5+ (Eine 5 oder 6 würde treffen). Es ist möglich auch auf hintere Zielfiguren zu schießen."
Und wenn eine Figur dann getroffen ist, gibt es Lebenspunkte oder ist man sofort tot?
"Jeder Soldat kann 2 Treffer verkraften somit hat jede Figur 2 Lebenspunkte. Das bedeutet im Spiel, das jede Figur nach 2 Treffern als Verlust entfernt wird. Markiere bei jedem Treffer die jeweiligen Figuren mit einem Marker. Hat die Figur 2 Marker erhalten so wird sie aus dem Spiel genommen. Es gibt eine Formel für Panzerung. Mit dieser einfachen Methode habe ich jedem Fahrzeug die Panzerungswerte gegeben. Zum Beispiel hat ein Tiger eine Front Panzerung von über 100mm, Seite 80mm und Heck 80mm. Formel: 150 – 81 = 5 Panzerungspunkte 80 – 45 = 4 Panzerungspunkte 30 – 44 = 3 Panzerungspunkte 0 – 29 = 2 Panzerungspunkte Also zählst du einmal 5 + 4+4+4 =17 das wird geteilt durch 4. Dann hat der Panzer 4 Panzerungspunkte im Gesamten."
Bei so einem großen Maßstab: Wie verhält es sich mit der Waffenreichweite?
"Es gibt keine Waffen Reichweite. Jede Waffe kann auf dem Feld abgefeuert werden. Da wir in einem etwas größerem Maßstab spielen war das eines der größenen Probleme zu Anfang bei der Planung . Aber dadurch hat das ganze einen sehr guten Spielfluss weil nicht ständig gemessen wird ob die Reichweite passt. Je weiter die Ziele entfernt sind umso schwerer wird es sie zu treffen. Je näher die Ziele zum Schützen stehen, umso besser wird es, sie zu treffen. Dies bedeutet im Spiel, jedes Ziel das weiter als 24 Zoll vom Schützen entfernt ist wird um -1 schlechter getroffen, Im Fall von einem Gewehr (Gewehr 5+) muss eine 6 zum treffen gewürfelt werden. Ist das Ziel innerhalb von 12 Zoll bekommt man +1 auf den Trefferwurf. Innerhalb von 12 Zoll werden die Ziele bei einem Gewehr dann schon auf die 4+ getroffen. Diese Regel betrifft alle Waffen und Trefferwürfe im Spiel. Eine 1 beim Trefferwurf ist immer ein Fehlschuss. Ist ein Panzer/Fahrzeug zu 50% durch Gelände verdeckt trifft man mit -1. Auch hier wird die Regel der Distanz zum Ziel verwendet (weiter als 24 Zoll –1, bis 12 Zoll +1). Würde ein Trefferwurf über 6 gehen, so kann nicht auf dieses Ziel gefeuert werden. Wenn man auf Ziele innerhalb einem Radius von 6 Zoll schießt, trifft man +2 besser, (bei einem Trefferwurf innerhalb von 6 Zoll würde schon auf die 3+ für ein Gewehr treffen wegen der kurze Distanz). Wenn ein Treffer aus dieser Distanz gemacht wird können Waffen auch automatischer Treffer: Eine Panzerfaust z.B. trifft Panzer auf die 2+, ist ein Panzer aber 6 Zoll in Reichweite würde die Panzerfaust automatisch treffen ohne das man noch Würfeln muss."
Wie kann ich mir die Entwicklung eines Tabletops vorstellen? Ich stell mir das unglaublich kompliziert vor!
"Um ein Tabletop zu entwickeln braucht man lange Erfahrung mit Spielsystemen. Man muss die Mechanik des Systems kennen und verstehen. Bei mir war es eher ein Geistesblitz. Ich war auf dem Dachboden und fand meine alten Plastiksoldaten. Und plötzlich kam die Idee. Ich schaute im Netz ob es etwas Vergleichbares gibt. Und es gab halt nur ausländische Systeme aus England oder Amerika. In 1:72 gab es auch schon ein System. Ich setzte mich hin und hab einfach angefangen Regeln zu schreiben. Und auf eine Idee folgte die andere, daraus wurde ein Riesending. Ich schrieb über 1 Jahr an den Regeln. Dann hatte ich Rückschritte weil mein PC den Geist aufgab und ein Teil der Regeln war verloren. Zudem haben wir dann immer wieder Testspiele gemacht und immer weiter das Regelsystem verbessert. Es ist ein langer, schwerer Prozess den man gehen muss bevor ein brauchbares Spiel vorliegt."
Wie geht es mit "WWII - Kampfzone" weiter? Kommen Regelerweiterungen? Oder eine eigene Miniaturenreihe?
"Wie geht es weiter? Hm im Moment bin ich dabei einen Verlag zu finden der das Regelwerk und die Armeekarten druckt. Das sind fast unlösbare Aufgaben kann ich nur sagen. Aber es ist lösbar. Ich werde mir ein Basis-Spiel für Präsentationen drucken lassen. Danach werde ich schauen ob die Nachfrage so gut ist das ich eine kleine Auflage drucken kann. Wenn das passiert werde ich Würfel, Würfelbecher, Shirts, Gelände Stücke und natürlich das Spiel selber vermarkten."
Ich danke für das Interview und verweise noch auf die offizielle Homepage des Spiels (Link). UPDATE: Im Verlauf der Foren-Diskussionen um das Thema kamen noch einige Fragen auf, die ich in das Interview eingepflegt habe.
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