Anders als beispielsweise bei Filmen komme ich normalerweise ganz gut damit klar, irgendwelche expliziten Szenen in einem Comic zu lesen. Wo bei mir schon ein „FSK 16“-Aufkleber auf einer Film-DVD für Schweißausbrüche sorgt, stört es mich vergleichsweise wenig, wenn in einem Comic der Kettensägenmörder durchs Kinderheim rennt. Und so war das 272 Seiten dicke Mammutwerk „Geschichte der O“, basierend auf dem gleichnamigen preisgekrönten Erotik-Roman, dann auch etwas ganz besonderes – Denn selten musste ich so oft mal eine Pause machen, an mehreren Stellen stand ich sogar vor dem Abbruch! Aber wenn mir der „Splitter Verlag“ schon einen knapp 60 € teuren Band für eine Rezension überlässt, dann soll er natürlich auch eine bekommen...
 

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Die „Geschichte der O“, geschrieben von Anne Cécile Desclos unter dem Pseudonym Pauline Réage, war trotz allerlei Verboten zwischenzeitlich der meistverkaufte französische Roman weltweit. Die Comic-Adaption von Guido Crepax bleibt dabei nah an der literarischen Vorlage: Die in einem Modeatelier arbeitende O ist so schwer verliebt in René, dass sie so ziemlich alles mit sich machen lässt. Und weil René sie gern unterwürfig will, schickt er sie ins abgeschiedene Schloss Roissy, wo sie zu einer Sex-Sklavin ausgebildet wird, die zu jeder Tageszeit gefügig sein muss. Als sei das nicht genug, will René sie nun auch noch mit seinem deutlich älteren „Bruder“ Sir Stephen teilen, welcher gleich nochmal ein ganzes Stück krasser drauf ist. Aber O gefällt das offensichtlich, denn sie verliebt sich in ihn und lässt sich in einer noch härteren Sadomaso-Schule zu einer noch unterwürfigeren Sklavin ausbilden und sogar brandmarken.
 

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Dann ist die erste Geschichte relativ rasch vorbei, aber nach einem ganz kurzen Meta-Comic über den Umgang des Zeichners mit seiner Hauptfigur geht es gleich weiter mit der Fortsetzung. Hier hat O zumindest teilweise die Seiten gewechselt, um nicht immer nur das Opfer zu sein, wobei sie zugleich auch noch in eine Konzernübernahme von freizügigen Bankiers verwickelt wird... Keine Ahnung, so richtig bin ich da dann auch nicht mehr durchgestiegen, denn der Autor und zugleich auch Zeichner Crepax schafft es gerade bei den Frauenfiguren nahezu nie, sie irgendwie unterscheidbar zu zeichnen – Haben die nicht gerade mal verschiedene Dessous an oder eine deutlich andere Frisur, erkennt man auf den ersten Blick kaum einen Unterschied. Denn sie sehen mit ihrem Heroin Chic alle gleich aus, nämlich wie frisch vom Frankfurter Bahnhofsviertel abgeholt. Abgemagert, abgeranzt und mit einem zugedröhnten Blick, wie man ihn nur nach dem Konsum von zu viel billigem Crack bekommt. Ich weiß, das soll eigentlich ein sexy Schlafzimmerblick sein, aber hier stößt Crepax dann doch an seine zeichnerischen Grenzen.
 

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Aber gut, kommen wir zum Inhalt... Vielleicht sollte ich damit anfangen, dass ich generell mit erotischen Comics kein Problem habe (man denke nur an meine Begeisterung für die „Sonnenstein“-Reihe (Link)), auch wenn da sehr vieles einfach nicht mein Cup of Tea ist, gerade jetzt im „Mercy“-Zyklus. Und deswegen will ich auch niemanden für seine/ihre Praktiken kink-shamen (bis auf den angedeuteten Inzest & Sex mit Tieren, das ist einfach krank!)Mir wäre beim Lesen aber definitiv wohler gewesen, wenn wesentlich früher und wesentlich öfter dargestellt worden wäre, dass das hier alles einvernehmlich geschieht. Wobei man natürlich die Frage stellen sollte, ob man bei „Ich mache alles aus Liebe“ wirklich von Einvernehmlichkeit sprechen kann. Aber klar, als der Roman geschrieben wurde (und auch noch, als der Comic gut 20 Jahre später erschien), da war das Consent-Thema noch nicht so zeitgeistig wie heutzutage; aber ein ungutes Gefühl hatte ich beim Lesen trotzdem – Auch wenn ich mir (dank dem Fachwissen der wunderbaren Jasmin ♥️) gewahr war, dass das hier kein „realistisches“ BDSM ist, sondern lediglich Unterwerfungsfantasy mit Geheimgesellschaften im Sekten-Style. Also quasi wie „John Wick“, nur mit Sadisten & Masochistinnen anstatt mit Auftragskillern 😉
 

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Fazit: Es mag sein, dass „Geschichte der O“ (Link) ein Literatur-Klassiker ist. Und nüchtern betrachtet ist die zeichnerische Umsetzung auch recht gut gelungen (bis auf den Heroin Chic, vor allem der weiblichen Figuren). Das nutzt aber nix, wenn das schwache Ausgangsmaterial vielleicht damals skandalös war, heute aber irgendwie sogar als Erotik-Mainstream durchgeht. Denn ohne den Schockfaktor ist das alles einfach eine stumpfe Aneinanderreihung von sadomasochistischen Praktiken mit ein paar eingestreuten toxischen Beziehungsmomenten.

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