Diese typischen popkulturellen Skandälchen und Aufregerthemen folgen dem üblichen Schema: Erst großes Blablabla in den einschlägigen Nerd-Foren & -Gruppen, dazu ein Möchtegern-Shitstorm auf Twitter, und sehr bald – spätestens wenn der Nachfolgeband erscheint – ist dann alles wieder vergessen und die nächste sprichwörtliche Sau wird durchs Dorf getrieben. So geschehen bei der neuen Superman-Reihe „Sohn von Kal-El“ (Link), bei dem Jon Kents politisches Engagement und dann auch noch seine neu entdeckte Bisexualität für verzweifeltes Brüllheulen aus der konservativen und „Ich will keine Politik in meinem Eskapismus“-Ecke der Comicszene sorgten. Waren meine Social Media-Kanäle von eben jenem Brüllheulen zu Beginn noch überflutet, interessiert das beim zweiten Band „Die Rückkehr von Lex Luthor“ schon niemanden mehr, immerhin muss man sich ja nun über die nächsten „woken“ Popkultur-Medien ausheulen... Ich mochte den ersten Band ja sehr, auch wenn ich gerade Jons ersten Kuss mit einem Mann zu diesem Zeitpunkt für eine falsche Entscheidung hielt, weil dieses „Ereignis“ durch eine mangelnde erzählerische Vorbereitung nicht die gewünschte emotionale Wucht entfalten konnte. Da liegt natürlich der Verdacht nahe, dass es sich um einen Marketing-Gag handelte, um der neuen Comic-Reihe etwas Aufmerksamkeit zu generieren ;-) Also schauen wir mal, wie der umtriebige Autor Tom Taylor die politisch aufgeladene Geschichte weiterspinnt. Die bisherigen Ereignisse sind jedenfalls rasch erklärt, denn so viel ist gar nicht passiert: Der originale Superman, also Jons Vater, muss im Weltraum aushelfen. Also ist sein Sohn an der Reihe, das blau-rote Kostüm anzuziehen, doch dafür muss er natürlich in ziemlich große Fußstapfen treten. Da er zudem einerseits aktivistisch sehr engagiert ist und andererseits eine Liebelei mit dem Guerilla-Journalisten Jay anfängt, gerät er ins Visier des rohstoffreichen Schurkenstaates Gamorra, welcher seine eigene Metamenschen-Kampfgruppe aufbaut... Wie der Titel dieses zweiten, erneut sechs US-Hefte umfassenden Sammelbandes verrät, tritt diesmal Supermans Erzfeind Lex Luthor auf den Plan. Der ist böse wie eh und je, wenn auch etwas geschickter als sonst. Denn er spielt den besorgten Mitbürger, der Jons „Verfehlungen“ (etwa der Versuch, ein Monster erst friedlich von einem Angriff abzubringen, anstatt es direkt zu töten; was leider Menschenleben kostet) hervorhebt und so die Angst vor einem Superman schürt, der bedingt durch sein junges Alter und seine fehlende Lebenserfahrung eine Gefahr für die gesamte Menschheit ist. Welch ein glücklicher Zufall, dass er mit der gamorranischen Metawesen-Truppe den idealen Superhelden-Ersatz anbieten kann ;-) Zum Glück steht Jon aber nicht allein da, denn neben Jay und seinen Guerilla-Journalisten versuchen auch Aquaman sowie Batman & Nightwing den superreichen Superschurken zu stoppen. Das liest sich gerade deshalb interessant, weil wir bei den beiden letztgenannten eine ähnliche Figurenkonstellation haben: Der jugendliche Nachfolger, der mehr schlecht als recht versucht in die Fußstapfen seiner weltberühmten Vaterfigur zu treten. Dadurch stimmt die Chemie zwischen den beiden Nachwuchssuperhelden, sodass es durchaus betrüblich ist, dass ihr Crossover nur zwei Kapitel umfasst. Lieber Tom Taylor, gern mehr davon :-D Umfangreicher dürfte auch die Liebelei mit Jay ausfallen, denn die tritt (bis auf ein Coming-Out vor Lois Lane) überraschend stark in den Hintergrund. Noch immer kommen überhaupt keine Emotionen rüber, ich kaufe den beiden ihre Gefühle zu keinem Zeitpunkt ab. Schade :-( Aber hey, das ist immer noch eine Superhelden-kloppen-sich-mit-Bösewichten-Geschichte, in der Superman sich nebenbei noch mit Coming-out-of-Age-Elementen herumschlagen muss, und nicht etwa ein tiefgründiges Liebesdrama :-P Also passt das schon, und Spaß hat man beim Lesen der hübsch-bunt gezeichneten 180 Seiten auf alle Fälle. Und darauf kommt es an, also kann man als Superman-Fan bedenkenlos die 22 € investieren, die „Panini Comics“ (die mir dankenswerterweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellten) für das Softcover haben möchte. Schade, dass es diesmal kein besonderes Pride-Variantcover gibt. Fazit: Dafür, dass beim Auftaktband der „Sohn von Kal-El“-Reihe so viel Gewese um einen queeren Kuss gemacht wurde, wird dieses Thema in der Fortsetzung „Die Rückkehr von Lex Luthor“ (Link) ziemlich stiefmütterlich behandelt. Stattdessen gibt es eine Menge spektakuläre Kloppereien zwischen Superhelden, Superschurken & Monstern sowie die erwartbare „Papas Schuhe sind mir noch zu groß“-Dramatik. Das ist insgesamt keine Weltliteratur, aber eine der besseren aktuellen Superhelden-Comicreihen :-)
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