Wie nah können eigentlich Freud & Leid beieinander liegen? Da schrieb Spielbuch- & Roman-Autor Jörg Benne erst einen der besten DungeonCrawl-Romane des Jahres (Link), nur um kurz danach zu verkünden, dass er von seiner mittlerweile ziemlich ausgebauten Fantasy-Welt Nuareth erstmal verabschieden wird (Link). Vielleicht kann man ich ihn ja umstimmen, wenn ich jetzt ein Loblied auf den finalen Teil seiner Drachenheim-Dilogie anstimme? Vielleicht, aber nur Lob hab ich dann doch nicht...
Auch wenn ihr als Fans dieses Blogs das schon wisst, zur Sicherheit nochmal eine Einordnung: Jörg ist nicht nur ein toller Autor, er ist auch ein toller Podcaster – In meinem Podcast! Deshalb lest meine Rezension, so sehr ich auch versuche objektiv zu bleiben, immer mit einer deftigen Prise Salz 😜
Okay, alle bereit? Dann geht’s direkt rein in die Verschwörung rund um die verkommene Minenstadt, welche in Nuareth eine kleine Berühmtheit ist. Einerseits befindet sich dort die Heimat-Höhle der gezähmten Drachen, auf welchen die Drachenritter umherfliegen, um landesweit Recht & Ordnung durchzusetzen. Und andererseits befanden sich unter der Stadt gewaltige Ressourcen-Vorkommen, welche die Stadt so begehrenswert machten, dass die „normalen“ Menschen vor langer Zeit die indigenen Blauaugen belagerten und letztlich unterjochten, um selbst den ganzen Zaster einzusacken. Immerhin, in den Slums der Unterstadt dürfen sie noch unter widrigsten Umständen leben, aber sobald irgendetwas schief läuft, gelten sie automatisch als die Wurzel allen Übels – Quasi die Fantasy-Variante der Judenverfolgung im echten Mittelalter. Und diese Vorurteile wollen nun einige besonders fiese Stadtoberen und Minenbesitzer ausnutzen, denn da der Bergbau seinem Ende entgegen sieht, benötigt es neue Einnahmequellen. Und so zetteln sie nach einem fingierten Anschlag eine Reihe an Blauaugen-Progromen an, welche im ersten Band „Die Verschwörung von Drachenheim“ (Link) den Handlungsrahmen bildeten. In diesem ganzen Chaos mussten sich dann die drei Hauptfiguren Gosek (ebenso desillusionierter wie auch neugieriger Stadtgardist, der am Ende selbst Opfer der Verschwörung wird), Diani (lesbische Zauberschülerin, die viel zu mächtig ist, um von ihrem Vater zwangsverheiratet zu werden) und Arnik (Blauaugen-Stallbursche für die Drachen, welcher aufgrund der Progrome zu wilden Blauaugen-Stämmen flieht) zurechtfinden, was ihnen jeweils immer nur mittelprächtig gelang...
Im zweiten, abschließenden Band „Dunkel über Drachenheim“ wird die Geschichte nun auf 395 Seiten zum Abschluss gebracht. Und zwar mit einem Knalleffekt, der seinesgleichen sucht – Was prinzipiell positiv ist, aber eben auch ein kleiner Kritikpunkt. Denn nicht nur, dass sich ein Teil der Sub-Genres ändern, auch eine der drei Hauptfiguren wird ersetzt! Aber mal ganz von vorn: „Die Verschwörung von Drachenheim“ gehört, wie alle Nuareth-Romane (ausgenommen die Jugendbuch-Trilogie zu Beginn), dem Dark-Fantasy-Genre an. Aber das war eher das atmosphärische Grundrauschen, da hier verschiedene Sub-Genres miteinander vermischt wurden. Der Auftaktband war primär ein klassischer Verschwörungskrimi, der auch Dark-Academia-Elemente enthielt. Der zweite Band enthält zwar noch den Dark-Academia-Teil (denn Dianas private und berufliche Zukunft hängt von den Prüfungen ab), die Verschwörung hat dagegen kaum mehr als einen Cameo-Auftritt. Stattdessen gibt es eine Kriegsgeschichte beziehungsweise sogar fast schon eher einen Katastrophen-Thriller, denn die aufgestaute Wut der Blauaugen entlädt sich mit einem gerissenen Plan. Die durch einen Beruhigungszauber eigentlich friedlichen Drachen sollen per Zaubertrank ihren freien Willen zurückbekommen, was der Stadt natürlich gar nicht so gut bekommen wird 😉 Zur Ablenkung gibt es pünktlich zum jährlichen Volksfest einen Blauaugen-Großangriff, der in seiner Brutalität ungekannte Ausmaße erreicht. Mittendrin der die Blauaugen-Stammeskultur kennenlernende Arnik, dessen Drachen-Wissen für die Erfüllung des Plans unerlässlich ist, der aber zugleich von Gewissensbissen geplagt wird.... Nun bräuchte es eigentlich einen strammen Wachmann, der das ganze Chaos wieder in Ordnung bringt, aber Gosek wurde ja im ersten Band ausgeschaltet. Stattdessen wird Dianis Tante zur neuen Hauptfigur, welche die Blauaugenangriff-plus-Drachenamoklauf-Katastrophe am eigenen Leib erlebt und uns Lesende direkt in die engen und später lichterloh brennenden Gassen von Drachenheim mitnimmt. Und das macht sie auch richtig gut, denn Jörg kann natürlich gut und routiniert schreiben, aber zumindest ich persönlich fand Gosek als Protagonisten wesentlich interessanter #PrayForGosek
Und ich glaube das fasst es eigentlich ganz gut zusammen: „Dunkel über Drachenheim“ ist ein guter Dark-Fantasy-Roman, der von einem guten Autor in äußerst routinierter Art und Weise geschrieben wurde. Ich hab die fast 400 Seiten an einem Tag weggelesen, das ist ein sehr gutes Zeichen. Aber ich muss zugeben, nach dem Verschwörungsplot im Auftaktband fand ich die „Alles brennt nieder“-Auflösung zwar im Sinne der Handlung und ganz allgemein des Nuareth-Settings überaus konsequent, aber eben auch etwas zu simpel. Da wäre mir eine weniger „brandheiße“ Auflösung persönlich lieber gewesen, aber das ist eben auch nur meiner persönlichen Erwartungshaltung geschuldet. Denn wer eben auf genau solche gewalttätigen Konfliktlösungen steht, wie sie Jörg ja in all seinen Nuareth-Romanen bietet, wird hier definitiv mehr auf seine Kosten kommen als im zwar ebenfalls actionhaltigen, aber doch deutlich ruhigeren Vorgängerband.
Fazit: „Dunkel über Drachenheim“ (Link) zeigt einmal mehr, dass Jörg Benne ein richtig guter Fantasy-Autor ist und deshalb auch der perfekte Co-Moderator in unserem Podcast 😉 Fans des ersten Bandes „müssen“ ja quasi direkt zugreifen, aber auch alle anderen Dark-Fantasy-Fans sowie Dark-Academia-Fans dürfen sich die beiden Romane mit guten Gewissen zu Gemüte führen.